Finanztransaktionssteuer (FTT) als Gefahr für Fondsindustrie

Der aktuelle Entwurf der EU-FTT repräsentiert eine große Gefahr für die UCITS Marke. Geschäftsverlagerungen außerhalb der FTT Zone, massive Einflüsse auf Produkte und Handelsstrategien und negative Auswirkungen auf die Harmoniserung der Fondsmärkte sind mögliche Folgen. Asset Manager stehen vor großen Herausforderungen. Detaillierte Analysen und interne Modelle zur Optimierung der Prozesse sind gefragt. Thomas Steinbauer, Partner von PwC Austria, mit einem Gastkommentar. Research | 03.04.2013 02:00 Uhr
Thomas Steinbauer, Partner, PwC Austria
Thomas Steinbauer, Partner, PwC Austria
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Anmerkungen zur geplanten Einführung der EU-Finanztransaktionssteuer aus Sicht der Fondsindustrie

Ursprüngliches Ziel war es, die Finanztransaktionssteuer in allen EU-Mitgliedstaaten einzuführen. Der politische Hintergrund war einerseits einen fairen Beitrag von den Banken als Verursacher der Krise einzufordern und andererseits Spekulationen (Stichwort High Frequency Trading) zu erschweren. Die Diskussionen um die EU-Finanztransaktionssteuer (EU-FTT) gestalteten sich von Beginn an sehr schwierig. Deutschland und Frankreich sind Befürworter, insbesondere Großbritannien lehnt die Steuer ab. Nachdem eine EU-weite Einführung aufgrund des Widerstandes einzelner Staaten nicht möglich war, haben sich die Befürworter der Finanztransaktionssteuer dazu entschlossen, die Steuer im Wege der ECP (Enhanced Cooperation Procedure) umzusetzen. Durch die ECP kann, bei einer Beteiligung von mindestens neun Ländern, EU-Recht in den beteiligten Mitgliedstaaten eingeführt werden.

Am 22. Jänner 2013 stimmten mit Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien, Slowakei und Spanien elf Mitgliedstaaten für die Einführung der EU-FTT. Sofern es Zugeständnisse für Pensionsfonds geben sollte, werden unter Umständen die Niederlande als zwölftes Land hinzukommen. Am 14. Februar 2013 hat die EU-Kommission den aktuellen Entwurf der Richtlinie veröffentlicht.

Änderungen an dem Entwurf der Richtlinie sind weiterhin möglich, viele sagen sogar, dass diese zwingend erforderlich sind, um strukturell nachhaltige Schäden für die Fondsindustrie zu vermeiden.

Geplantes Inkrafttreten

Derzeit spricht alles dafür, dass die EU-Finanztransaktionssteuer mit einer sehr kurzen Vorlaufzeit in Kraft tritt. Der aktuelle Fahrplan sieht vor, dass bis 30. September 2013 die Regelungen in nationales Recht umzusetzen sind und die EU-FTT am 1. Jänner 2014 in Kraft treten soll. Angesichts der Erfahrungen, die Italien und Frankreich bei der Implementierung ihrer weitaus weniger komplexen lokalen Ausgestaltung einer Finanztransaktionssteuer gemacht haben (beide gaben den beteiligten Parteien nur drei Monate zur Implementierung und nach wie vor sind viele Details nicht geklärt), ist der vorgegebene Zeitplan aus unserer Sicht eine kaum realisierbare Vorgabe.

Werfen wir einen Blick auf zwei ausgewählte Problempunkte der Konzeptionierung der Steuer aus Sicht der Fondsindustrie.

Kaskadeneffekt

Die FTT ist im Wesentlichen ohne Befreiung von beteiligten Parteien in der Transaktionskette (Broker, Finanzintermediäre, Market Makers, etc) konzipiert. Das folgende Beispiel soll die Auswirkungen verdeutlichen:

Das Settlement des Kaufs einer Aktie beginnt beim Verkäufer (Finanzinstitution) und läuft in der Regel über an einen Fonds als Käufer.

Da bei jeder Transaktion innerhalb der Kette - bei Vorliegen der Voraussetzungen (mit Ausnahme des Clearingsystems) - für jede involvierte Partei FTT anfällt (dh für manche Parteien sogar 2x), ist die oben dargestellte Settlement Prozedur insgesamt zehnmal mit 0,1% Steuer belastet.

Die effektive Steuer auf den Kauf einer Aktie durch einen Fonds von einem Finanzinstitut beträgt daher nicht 0,1%, sondern 1%.

Offensichtlich wurden Kaskadeneffekte bei der Konzeptionierung in Kauf genommen, aber es wird allgemein bezweifelt, dass die konkreten Auswirkungen für bestimmte Transaktionen mit unterschiedlichen beteiligten Parteien konkret berechnet und modelliert wurden. Insbesondere die Fondsindustrie, bei der die FTT nicht nur bei Transaktionen im Fonds, sondern auch bei Übertragung (mit Ausnahme der Erstemission) der Fondsanteile anfällt, wäre bei Anwendung der Richtlinie in der aktuellen Fassung massiv betroffen. Langfristiger Vermögensaufbau würde dadurch deutlich erschwert.

Nur ein kleines Beispiel:

Bei einer Laufzeit von 40 Jahren mit einer durchschnittlichen Performance von 5% und einer Auswirkung der FTT von nur 0,2% pro Jahr beträgt der Unterschied zwischen 5% und 4,8% Performance nach 40 Jahren insgesamt 15% des eingezahlten Betrages.

Es ist aufgrund dieser massiven Auswirkungen daher jedenfalls zu hoffen, dass der Kaskadeneffekt durch die Befreiung bestimmter Intermediäre deutlich reduziert werden kann.

Die Fondsindustrie braucht eine vereinheitlichte Anwendung der EU-FTT

Um die Finanztransaktionssteuer korrekt in der Fondsbuchhaltung abbilden zu können, bedarf es einerseits klarer Spezifizierungen und – je nach Komplexität – unterschiedlicher Vorlaufzeiten. Derzeit sind viele Detailregelungen noch völlig unklar, trotzdem ist der Zeitplan zur Umsetzung der EU-FTT äußerst ambitioniert. Aus diesen Gründen ist eine korrekte Adaptierung der Systemlandschaften in einer so kurzen Zeit aus unserer Sicht kaum umsetzbar.

Bereits heute haben vier der elf Teilnehmer an der EU-Finanztransaktionssteuer (Italien, Frankreich, Portugal, Spanien) eine nationale Finanztransaktionssteuer eingeführt bzw deren Einführung in 2013 angekündigt. Daneben haben Ungarn, Ukraine und UK ebenfalls unterschiedliche Finanztransaktionssteuern eingeführt.

Eines kann man über diese lokalen Steuern bereits sagen: Sie haben in Konzeptionierung (dh im Anwendungsbereich der betroffenen Finanztitel), Steuersatz und Befreiungen der Marktteilnehmer kaum etwas gemeinsam. Sie unterscheiden sich ebenfalls maßgeblich von der geplanten Konzeptionierung der EU-FTT.

Der Entwurf der Richtlinie sieht vor, dass es den Mitgliedstaaten, die sich entschlossen haben, die EU-FTT einzuführen, nach Inkrafttreten der Richtlinie nicht möglich sein wird, die bestehenden nationalen Finanztransaktionssteuern beizubehalten. Daher müssen diese Länder die eilig eingeführten Finanztransaktionssteuern wieder völlig umkrempeln. Finanzinstitute sollten sich daher bereits vor der endgültigen Einführung der EU-FTT mit der entsprechenden Adaptierung der nationalen Finanztransaktionssteuern befassen. Hierbei sind eventuell besondere Übergangsfristen zu beachten.

Weiters stellen die in der Richtlinie enthaltenen Steuersätze von 0,1% und 0,01% standardisierte Mindestsätze dar. Es ist jedenfalls aus Sicht der Fondsindustrie wünschenswert, dass sich die beteiligten Staaten auf einheitliche Steuersätze einigen. Unterschiedliche Steuersätze und unterschiedliche Interpretationen von bestimmten Transaktionen bzw beteiligten Parteien würden den Level an Komplexität weiter in die Höhe schrauben.

Bei grenzüberschreitenden Transaktionen ist es darüber hinaus denkbar, dass zwischenstaatliche Verträge zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung abgeschlossen werden können. Die uneinheitliche Umsetzung solcher Regelungen in der Fondsbuchhaltung ist ebenfalls eine Herausforderung für Fondsgesellschaften und Systemanbieter.

Zusammenfassung

Faktum ist: Die EU-FTT wird kommen. Es bleibt zu hoffen, dass der vorliegende Entwurf in Teilbereichen noch abgeschwächt und das Inkrafttreten verschoben wird. Die EU-FTT in ihrer derzeit geplanten Form wird nicht nur starke Auswirkungen auf die teilnehmenden Länder, sondern auch auf die gesamte Fondsindustrie haben.

Die Verlagerung vieler Marktteilnehmer und Tätigkeiten weg von der FTT Zone ist zu erwarten.

Produkte und Handelsstrategien werden vom Markt verschwinden und Fondsmanager werden stärker Derivate benutzen, um bestimmte Strategien weiterhin umsetzen zu können.

Der einheitliche EU-Markt ist insbesondere für die über viele Jahre erfolgreich harmonisierte UCITS Fondsindustrie wohl Vergangenheit. Die FTT wird der Marke UCITS, die in den Finanzzentren von Hong Kong und Singapur mittlerweile höchste Reputation genießt, schaden.

Der Markt wird sich im derzeitigen Umfeld auch aufgrund der Auswirkungen der FTT noch weiter konsolidieren, aber die gute Nachricht ist:

Derjenige, der die Anforderungen der FTT gut umsetzt, wird gegenüber anderen Mitbewerbern einen wesentlichen Vorteil haben.

Daher sollten Sie sich jetzt folgende Fragen stellen:

Wie würde eine FTT die Handelsstrategien und Produkte aller Desks, Standorte und Fonds beeinflussen?

Hierfür sollte eine Analyse aller Produkte, Transaktionstypen und Standorte der Fonds und Gegenparteien durchgeführt werden und ein Modell über den potenziellen Einfluss der Steuer auf die verschiedenen Produkte erstellt werden.

Inwieweit müssen Änderungen der operativen Prozesse vorgenommen werden, um der FTT gerecht zu werden?

Hierfür sollten die bestehenden Prozesse und die Auswirkung der FTT auf diese analysiert werden.

In welchen Fällen kann die FTT an den Anleger weitergegeben werden, wann muss sie intern getragen werden?

Inwieweit sind diesbezüglich die AGB zu adaptieren? In welchen Bereichen besteht Unsicherheit?

Können die bestehenden IT-Systeme die Anforderungen der FTT bewerkstelligen?

Empfehlenswert ist eine zusammenfassende Analyse der bestehenden Systemarchitektur. Die Evaluierung von Drittanbieterlösungen sollte auch in Betracht gezogen werden.

Benötige ich zusätzliche Informationen von den Gegenparteien?

Eine Erhebung des aktuellen Informationsbestands und das Erstellen einer Liste von zusätzlich erforderlichen Informationen der involvierten Gegenparteien ist anzuraten.

Welche Systeme und Prozesse sind erforderlich, um die korrekte Berechnung, Verarbeitung und Abfuhr der Steuer zu kontrollieren?

Eine Klärung der internen Prüfungsprozesse und Dokumentation der Kontrollen ist erforderlich.


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