CIO Weekly | Geopolitische Schocks und Portfoliokonstruktion

Auf die Ereignisse der letzten Woche sollten Investoren möglichst nicht reagieren – auf ihre tieferen Ursachen schon. Neuberger Berman | 18.10.2023 08:50 Uhr
Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Nach den schlimmen Überraschungsangriffen der Hamas auf Israel am letzten Wochenende hielten die Auseinandersetzungen an. Denkbar scheint ein massiver Militärschlag gegen Gaza.

Einer der ältesten und blutigsten Konflikte weltweit ist auf tragische Weise eskaliert. Israels Gesellschaft, Militär, Geheimdienst und Politik erlebten den größten Schock seit Jahrzehnten, und das in einer Zeit wachsender Uneinigkeit im Land selbst.

Heute analysieren wir, wie Investoren auf solche Ereignisse reagieren sollten und was sie für die Asset-Allokation bedeuten.

Verhaltene Reaktion

Angesichts des schrecklichen Überfalls, der entschlossenen israelischen Antwort, der immer neuen Entwicklungen und der Geschichte des Nahen Ostens mag die verhaltene Marktreaktion überraschen. Die Anleihenrenditen sind gefallen, aber die Aktienkurse sind gestiegen. Selbst Gold, Öl und Verteidigungswerte legten nur wenig zu.

Natürlich erinnern die Ereignisse der letzten Woche in beunruhigender Weise an den Jom-Kippur-Krieg von 1973. Damals wurden die anfänglichen Aktienmarktverluste in nur einer Woche wieder wettgemacht. Die Spätfolgen, wie der Ölboykott und die vielen geld- und fiskalpolitischen Fehlentscheidungen weltweit, hatten dann aber einen entscheidenden Anteil an der späteren Stagflation mit einer mehrjährigen Baisse.

Den Investoren scheint bewusst zu sein, dass die arabisch-israelischen Beziehungen heute ganz anders sind als 1973. Außerdem ist die Welt längst nicht mehr so stark vom Öl abhängig, und Israel ist trotz der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten 50 Jahre nach wie vor zu klein, um die Märkte weltweit aus dem Tritt zu bringen.

Warnungen

Es könnte aber auch anders kommen. Letzte Woche trafen wir uns mit Admiral James Stavridis. Er war der 16. NATO-Oberbefehlshaber in Europa und der 15. Kommandant der in Europa stationierten US-Truppen. Heute ist er Boardmitglied der Neuberger-Berman-Fonds. Hier sehen Sie ein Video dieses Gesprächs.

Stavridis glaubt, dass es bei einem Ein- oder Zweifrontenkrieg zwischen Israel, der Hamas und vielleicht der Hisbollah bleibt. Seiner Ansicht nach wollen sowohl die Hamas als auch der „wiedererstarkte“ Iran eine Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien verhindern. Er rechnet aber nur mit einer taktischen Pause und nicht mit einem Abbruch der Gespräche zwischen den beiden Ländern. Für unwahrscheinlich hält Stavridis einen Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Dazu würde es aber kommen, wenn es Beweise gäbe, dass Teheran für die Hamas-Angriffe unmittelbar verantwortlich ist und sie befohlen hat.

Stavridis fügte aber eine klare Warnung hinzu: „Als Investor muss man genau das sorgfältig beobachten.“

Falls Israel gegen den Iran vorgeht, „werden die USA in den Krieg hineingezogen“. Russland würde „dann vermutlich zum Iran halten“. China, das zuletzt mehr Präsenz im Nahen Osten zeigen wollte, könnte sich dann zwischen den Fronten wiederfinden.

Für Investoren ist das aus unserer Sicht der entscheidende Punkt: Es kann passieren, dass das arabische und israelische Misstrauen gegenüber dem Iran neue Spannungen zwischen den USA, China und Russland verursacht – also zwischen den drei Großmächten, die an allen anderen derzeitigen Kriegen und Konflikten maßgeblich beteiligt sind und großen Anteil daran haben, dass die Weltwirtschaft gerade in mehrere Blöcke zerfällt. Wie ein weiterer fallender Dominostein könnte das negative wirtschaftliche und weltpolitische Entwicklungen weiter verstärken.

Wendepunkt

In verschiedenen Artikeln haben wir bereit die aktuelle Lage  als wichtigen Wendepunkt bezeichnet.

Wir glauben, dass auf die lange Zeit der Globalisierung mit politischer Einigkeit, stabiler Weltlage und niedriger Inflation jetzt eine Phase der Deglobalisierung folgt, mit mehr Populismus, internationalen Spannungen und höherer Inflation. Die vier entscheidenden Schläge gegen die Globalisierung haben wir bereits benannt: erst die internationale Finanzkrise, dann 2016 der Brexit und die Wahl Donald Trumps, schließlich die Pandemie und zuletzt der russische Einmarsch in die Ukraine.

Wir glauben, dass dies deutlich zeigt, welche Auswirkungen die Politik auf die Wirtschaft hat – und warum die Wirtschaft Sicherheit jetzt für wichtiger hält als Effizienz und Gewinne. Wenn immer möglich, verkürzen und vereinfachen Unternehmen ihre Lieferketten und repatriieren die Produktion.

Ceteris paribus dürfte das zu mehr Inflation, stärkeren Konjunkturschwankungen und volatileren Märkten führen. Dafür sprechen auch die amerikanischen Inflationszahlen vom Donnerstag. Demnach steigen die Preise im Schnitt noch immer doppelt so schnell wie in den Jahren vor der Pandemie – und natürlich auch doppelt so schnell wie von der Fed gewünscht.

Man kann in den Angriffen der Hamas also einen weiteren Dominostein sehen. Die anderen sind der Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern vor einer Woche, die Abwahl des Repräsentantenhaussprechers in den USA und die ersten Anzeichen für eine bröckelnde Solidarität mittel- und osteuropäischer Länder mit der Ukraine.

Am Dienstag wird das Endergebnis der so wichtigen polnischen Parlamentswahlen vorliegen, und im nächsten Jahr stehen viele weitere Wahlen an. In vielen Ländern könnte der Populismus wachsen und sich die Spaltung verstärken, und die bekannten Krisenherde könnten mehr und mehr ins Blickfeld geraten. Schon im Januar wird in Taiwan gewählt, gegen Jahresende dann in den USA und vielleicht auch in Großbritannien. Wahlen finden auch in Russland, Indien, Pakistan, Mexiko, Südafrika und Südkorea statt und nicht zuletzt für das Europäische Parlament.

Volatilität

Was bedeutet das für die Asset-Allokation?

Für uns ist die Frage nicht, wie man ein Portfolio angesichts der Ereignisse der letzten Woche positionieren sollte. Vielmehr sollte man sich überlegen, was angesichts einer strukturell höheren Inflation und des wachsenden Zerfalls der Weltwirtschaft zu tun ist.

Beides hatte Anteil am Renditeanstieg, sodass Anleihen Wachstumsaktien wieder sinnvoll ergänzen können. Festzinstitel bleiben aber inflationsanfällig. Daher halten wir in der neuen Welt auch einen gewissen Anteil von Sachwerten und Rohstoffen für wichtig.

Auch wirklich unkorrelierte Märkte und Strategien können die Volatilität abfedern, die eine – bei einem strukturellen Inflationsanstieg häufigere – Parallelentwicklung von Anleihen und risikoreicheren Titeln mit sich bringt. Auch die taktische Asset-Allokation kann interessant werden. Mit ihr lässt sich auf kurzfristige Marktschwankungen bei neuen Schlagzeilen reagieren, ohne das strategische Langfristportfolio aufgeben zu müssen.

Und schließlich sollte man es nicht übertreiben.

Das gilt für die Reaktion auf Einzelereignisse: Admiral Stavridis hält eine massive Eskalation des aktuellen Konflikts für unwahrscheinlich. Die jüngsten arabisch-israelischen Gespräche sind ermutigend und dürften kaum abgebrochen werden.

Übertreiben sollte man es aber auch nicht mit der Reaktion auf langfristige Entwicklungen.

Ja, wir sehen starke Fragmentierungstendenzen, die Welt wird instabiler, und die Inflation nimmt zu. Die strategische Asset-Allokation sollte das berücksichtigen. Wie wir aber vor einigen Wochen in unseren Perspectives zur Brooklyn Bridge schrieben, können Erfindergeist und Innovationen die strukturelle Inflation durchaus abmildern. Es wäre unklug, dagegen zu wetten. Sie können für eine bessere Zukunft sorgen, mit Wirtschaftswachstum und Frieden.

Von Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman

Letzte Woche sprach Andrew Komaroff, Chief Operating Officer von Neuberger Berman, mit Admiral James Stavridis über die militärische Lage in Israel und Gaza und die möglichen weltpolitischen Folgen. Stavridis war 16. Nato-Oberbefehlshaber in Europa und 15. Kommandant der in Europa stationierten US-Truppen. Wenn Sie das Interview verpasst haben, können Sie es sich hier ansehen.

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