CIO Weekly | Ist der Albtraum bald vorbei?

Bedeuten enttäuschende Unternehmensgewinne, dass Konjunktur und Inflation nachlassen? Ist dann der Alptraum an den Märkten vorbei – oder droht weiteres Unheil? Neuberger Berman | 02.11.2022 17:22 Uhr
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Gehören Sie auch zu den Menschen, die sich zu Halloween gerne einen Horrorfilm ansehen? Für uns in der Finanzwelt hieß es fast das ganze Jahr lang „A Nightmare on Wall Street“. Ist das jetzt endlich vorbei?

Die Rallye im Juli und August war verfrüht: Das Inflationsgespenst lauert noch immer. Die letzten beiden Wochen waren dem Sommer beängstigend ähnlich. Wieder einmal rechneten die Investoren mit niedrigerer Inflation und dem Ende der Zinserhöhungen. Diesmal liefern ihnen die schwächeren Konjunkturdaten die Argumente und – vor allem letzte Woche – auch die recht schwachen Drittquartalszahlen mancher amerikanischer Großkonzerne.

Ein genauerer Blick auf die Quartalsergebnisse zeigt aber, dass die US-Wirtschaft noch immer gut dasteht. Aber genau das macht es der Fed so schwer. Was soll sie tun, wenn die Wirtschaft einfach nicht auf die strafferen Finanzbedingungen reagieren will? Soll sie die Zinsen so lange erhöhen, bis sie einbricht? Oder soll sie zum Rückzug blasen?

Nominal oder real

Eine der größten Herausforderungen für Fed und Aktieninvestoren ist der extreme Unterschied zwischen nominalem und realem Wirtschaftswachstum, mit der Folge ähnlich großer Unterschiede bei den Gewinnschätzungen. Die Brokerhäuser erwarten für den S&P 500 Index nächstes Jahr noch immer etwa 235 US-Dollar Gewinn je Aktie, aber skeptische Anleger rechnen eher mit 200 US-Dollar. Wer recht hat, wird von der Wirtschaftsentwicklung abhängen – aber auch davon, wie stark die Inflation nachlässt.

Wenn sich der hartnäckige Preisauftrieb nur durch eine Rezession eindämmen lässt und die Gewinnschätzungen für den S&P 500 von 235 US-Dollar je Aktie auf etwa 200 US-Dollar fallen – also um 15%, soviel wie durchschnittlich in der Nachkriegsdepression –, könnten Aktien weiter nachgeben.

Würde die Inflation aber nachlassen, weil die berüchtigten „vorübergehenden“ Faktoren nicht mehr wirken, könnte die Fed die Wende einleiten. Dann könnten sich Investoren auf einen schwächeren Abschwung vorbereiten und auf eine Erholung hoffen. Sie könnten Gewinner und Verlierer klarer erkennen und das schwache, volatile Jahr 2022 hinter sich lassen.

Aber was genau können wir aus den Drittquartalsergebnissen bislang herauslesen?

Streuung

Ein großes Thema könnte der zunehmende Unterschied zwischen der schwachen Performance von Technologiewerten und der Stabilität anderer Zykliker werden. Weil in den Coronajahren 2020 und 2021 so viele Käufe vorgezogen wurden, erleben viele Technologieunternehmen jetzt Rückschläge. Die Verluste der Technologietitel wären dann sektorspezifisch und nicht die Folge einer schwachen Wirtschaft.

Bei Redaktionsschluss hatte etwa die Hälfte der S&P-500-Unternehmen ihre Drittquartalszahlen vorgelegt. FactSet zufolge sind die Gewinne je Aktie bei Technologieaktien um 3% und bei Kommunikationsdienstleistungswerten um 19% gefallen, und bei interaktiven Medien sogar um 32%. Die Gewinne der Industrie sind hingegen um 16% gestiegen und die des Konsumgütersektors um 13% – und das, obwohl der Internethandel über 9% weniger verdient hat.

Gerade Zykliker sollten es bei einem Konjunkturabschwung eigentlich schwer haben. Zwei Unternehmen, an denen man einen Abschwung der Weltwirtschaft meist gut ablesen konnte – der weltgrößte Baumaschinenhersteller Caterpillar und der Industriekonzern Honeywell – haben die Analystenerwartungen aber übertroffen und einen optimistischen Ausblick vorgelegt. Das scheint zu dem unerwartet hohen US-Wirtschaftswachstum von 2,6% p.a. im 3. Quartal zu passen – und auch dazu, dass die Drittquartalsgewinne des EAFE Index bislang deutlich besser waren als die des technologielastigen S&P 500.

Big Tech wird abgestraft

Sehen wir uns die letzte Woche veröffentlichten Drittquartalsergebnisse der fünf größten US-Unternehmen einmal genauer an. Eine schwache Konjunktur scheint nicht der Hauptgrund für die enttäuschenden Quartalszahlen zu sein.

Alphabet (also Google) verfehlte die Analystenerwartungen auch wegen des überraschend geringen Anstiegs der Werbeeinnahmen. Das könnte für eine schwächere Konjunktur sprechen, und der geplante Einstellungsstopp von Alphabet dürfte den US-Arbeitsmarkt etwas beruhigen. Hinzu kamen aber mäßige Zahlen bei YouTube, ungelöste Datenschutzprobleme und Druck der Aufsichtsbehörden. Die Enttäuschungen dürften mehr mit den hohen Erwartungen nach den Coronajahren 2020 und 2021 und sektorspezifischen Problemen zu tun haben als mit einer schwachen Konjunktur.

Wegen schwacher Werbeeinnahmen war das Quartal auch für Meta enttäuschend, sodass die Aktie ebenfalls abgestraft wurde. Aber auch hier spielten unternehmensspezifische Faktoren eine Rolle, etwa der Wettbewerbsdruck durch TikTok, Datenschutzprobleme und die verlustreichen Investitionen in Metaverse.

Microsoft hat zwar die Erwartungen der Analysten übertroffen, aber einen enttäuschenden Ausblick für die Cloud-Sparte vorgelegt. Auch das könnte aber mehr mit dem Technologieboom von 2020 und 2021 zu tun haben als mit einer fundamentalen Konjunkturschwäche.

Amazon wiederum brach ein, als das Unternehmen vor einer „neuen Ära“ für den Konsum warnte und einen enttäuschenden Ausblick für das Weihnachtsgeschäft präsentierte. Onlineumsatz und Onlineverkäufe sind im 3. Quartal aber gestiegen. Zurzeit scheinen Lagermanagement und Logistikkosten die größten Probleme zu sein – und die Cloud-Sparte. Wachstum und Margen machen hier kurzfristig Probleme, vor allem im Vergleich zu 2021, aber langfristig halten wir sie für gut aufgestellt. Auffällig ist, dass die Aktie von Shopify, Amazons größtem Konkurrenten im Onlinehandel, stark zulegte. Hier haben Investitionen in die eigene Logistik dieses Jahr für Wachstum gesorgt.

Auch Apple hat berichtet. Von Amerikas Top Five reagiert Apple vielleicht am stärksten auf den Konsum und war diesmal der einzige große Technologiekonzern mit erfreulichen Ergebnissen. Apple übertraf die Umsatz- und Gewinnerwartungen für das 3. Quartal trotz des starken US-Dollar und der Folgen von Chinas COVID-Lockdowns für die iPhone-Produktion. Die Nachfrage nach dem iPhone 14 scheint ordentlich, die Abonnentenzahl von Apple TV und den Apple-Musikdiensten ist im Vorjahresvergleich um 21% gestiegen, und die Mac-Sparte hat die Erwartungen klar übertroffen.

Vorsicht

Wir haben wenig Zweifel daran, dass Frühindikatoren wie die amerikanischen Wohnimmobilienmarktdaten, die Einzelhandelsumsätze und die weltweiten Einkaufsmanagerindizes für eine schwächere Konjunktur sprechen. Irgendwann wird es auch die Unternehmensgewinne treffen, aber noch sind wir nicht so weit. Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Die vielbeachteten schwachen Drittquartalszahlen hatten mindestens so viel mit dem Technologieboom von 2020 und 2021 zu tun wie mit einer generellen Konjunkturschwäche, die den Preisauftrieb eindämmen könnte.

Schwache Ergebnisse hatten mindestens genauso viel mit der Inflation wie mit der Nachfrage zu tun. Nachdem 40% der S&P-500-Unternehmen berichtet haben, schreibt die Credit Suisse, dass die – nominalen, nicht inflationsbereinigten – Drittquartalsumsätze um fast 10% z.Vj. gestiegen sind. Die ebenfalls nominalen Gewinne hätten aber nur um 1,6% zugelegt. Die Gewinne stiegen also weiter, aber die Margen gingen deutlich zurück.

Wie gesagt: Für die Aktienmärkte bedeutet das Unsicherheit. Das führt zu Volatilität und trügerischen Bärenmarktrallyes.

Wenn mehr Unternehmen berichtet haben, dürften wir klarer sehen. Einstweilen sind wir im Zweifel aber vorsichtig: Das Inflationsgespenst und die Bärenmarktmonster sind noch nicht tot.

Schließlich ist Halloween

Von Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities bei Neuberger Berman

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