Union Investment Stratege Kopf: „Es gilt, vorsichtig zu bleiben“

Die Zinswende führender Notenbanken, verbunden mit einer anhaltend robusten Konjunktur, sorgen für Volatilität an den Kapitalmärkten. Fundamental bleibt die Lage aber gut – das eröffnet Chancen für eine aktive Anlage. Im Interview erläutert Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten von Union Investment, was die Zinswende für die Rentenmärkte bedeutet und wo es noch interessante Marktsegmente gibt. Union Investment | 17.02.2022 11:23 Uhr
Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten und Mitglied des Union Investment Committee / © e-fundresearch.com / Union Investment
Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten und Mitglied des Union Investment Committee / © e-fundresearch.com / Union Investment
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Herr Kopf, jahrelang waren die Zinsen sehr niedrig, nun steigen sie – erstmals seit über einer Dekade wohl auch im Euroraum. Wie geht ein aktiver Renten-Manager damit um?

Eine gute Rentenfondsmanagerin oder ein guter Rentenfondsmanager wird in diesem Umfeld genau schauen: Welcher Zinsanstieg ist im Markt bereits eingepreist? Daraus ergeben sich Opportunitäten in beide Richtungen. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele: Sie können heute vereinzelt bereits erstrangige Unternehmensanleihen mit Endfälligkeit im Dezember 2022 kaufen, die zu Renditen nahe null Prozent notieren. Das heißt: Der Markt preist bereits mehr als zwei Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) von jeweils 25 Basispunkten in diesem Jahr ein. Das erscheint uns etwas übertrieben. Selbst wenn die EZB im Herbst ihren Einlagesatz auf 0,0 Prozent erhöhen sollte, können institutionelle Anleger heute bereits für ein knappes Jahr diesen zukünftigen Zinssatz vereinnahmen, anstatt bei der Bank Negativzinsen auf ihre Einlagen zu zahlen. Gegenüber der Kassenhaltung hat man mit dieser Anlage immer gewonnen, solange man die Position ein halbes Jahr lang durchhalten kann.

Was aber, wenn die Zinsen doch stärker steigen sollten?

Wenn wir eine Zinskurve sehen, in der die notwendigen Zinserhöhungen durch die Zentralbank noch nicht hinreichend eingepreist sind, können wir durch den Einsatz von Zinsderivaten auch bei steigenden Renditen Geld für unsere Kunden verdienen.

Ganz konkret, wie steuert Union Investment die Zins-, Währungs- oder Spread-Risiken in den Fonds?

Grundlage unserer Steuerungsentscheidungen ist immer die Diagnose: Was treibt die Zins- und Spread-Änderungen an? Wir sind in einem Umfeld, in dem die Renditen auf deutsche Bundesanleihen und gleichzeitig auch die Renditeaufschläge von Unternehmensanleihen ansteigen. Das gab es zuletzt im Jahr 2007. Ursächlich ist die steigende Inflation infolge der guten Konjunkturlage und der Lieferkettenstörungen, welche die Zentralbanken auf den Plan ruft und Leitzinserhöhungen auslöst. Zudem fahren alle großen Zentralbanken ihre Wertpapier-Ankaufprogramme zurück, was zu einer sinkenden Nachfrage nach Staats- und Unternehmensanleihen führt. Das bedeutet aber: Die Renditeaufschläge der Unternehmensanleihen steigen nicht an, weil sich die Bonität der Emittenten aufgrund einer drohenden Wirtschaftsflaute verschlechtert.

Sondern?

Im Gegenteil: Die Unternehmensgewinne sind sehr solide. Die Renditeaufschläge legen nur zu, weil Unternehmensanleihen bei höheren Renditen im sicheren Hafen etwas an Attraktivität gegenüber Staatsanleihen einbüßen und weil die Nachfrage der Zentralbanken sinkt. Da die Ursache der Marktkorrektur vorrangig die Zins- und nicht in den Spread-Risiken sind, liegt es für uns nahe, dort auch bei der aktiven Steuerung unserer Fonds anzusetzen. Außerdem ist die Steuerung der Zinsrisiken über Futures schlicht kostengünstiger. Wenn sich der ganze Spuk wieder legt, können wir unsere Absicherungsgeschäfte schließen, ohne große Geld-Brief-Spannen zahlen zu müssen.

Geldpolitische Straffung hinterlässt Spuren an den Rentenmärkten

Steigende Renditen lasten auf der Wertentwicklung
Steigende Renditen lasten auf der WertentwicklungQuelle: Refinitiv, Bloomberg, ICE BofA Merrill Lynch, Union Investment; Stand: 11. Februar 2022. * in US-Dollar. ** in CNY.

Was bedeutet das aktuell für die Anlagestrategie?

In so ziemlich allen unserer Flaggschifffonds haben wir die Zinsduration aktiv zurück gefahren. Das erreichen wir durch die Auswahl kurzlaufender Anleihen und durch Short-Positionen in Zinsfutures. Vereinzelt setzen wir auch Zinsswaps ein. Gleichzeitig halten wir an den meisten unserer Positionen in Unternehmensanleihen fest, solange Bonitätsverschlechterungen nicht absehbar sind. Bei Fonds, die Währungsrisiken eingehen können, sind wir derzeit mit Positionen im US-Dollar sehr vorsichtig. Der Euro war lange Zeit eine extreme Niedrigzinswährung und blieb trotz hoher Außenhandelsüberschüsse der Währungsunion recht schwach. Der überraschende Schwenk der EZB am 3. Februar könnte hier eine Trendwende einleiten. Wir sehen aber weiter Chancen auf Währungsgewinne in Ost- und Mitteleuropa. In Ländern wie Polen, Ungarn oder Tschechische Republik dürften die Zentralbanken die Leitzinsen weiter anheben, und diese attraktive Verzinsung unterstützt auch die Währungen.

Fundamental betrachtet – welche Ratingveränderungen erwarten Sie in den einzelnen Marktsegmenten?

Aufgrund des aktuell robusten Wirtschaftswachstums erwarten wir in den meisten Marktsegmenten, dass sich die Bonitätseinstufungen eher verbessern. Von den weltweit 1.078 Corporates-Emittenten, die wir in unserem Rentenfondsmanagement analysieren, haben unsere Marktexperten in den letzten zwölf Monaten die Bonitätseinstufung von 98 Emittenten hoch- und von 26 Emittenten herabgestuft. Diesen Trend beobachten wir auch bei den externen Rating-Agenturen. Wir denken, dass er in den nächsten Monaten anhalten sollte. Was die Staaten angeht, signalisiert unser Länderrating für die Emerging Markets einen anhaltend guten Ratingtrend in Osteuropa und eine Stabilisierung der Ratings von erdöl- und gasexportierenden Ländern wie Russland, Saudi Arabien oder Nigeria. Sorgen haben uns früher Indien und Kolumbien bereitet, doch auch hier sehen wir eine Stabilisierung der Bonitätskennzahlen.

Wie ist denn die Ausweitung der Risikoaufschläge bei EM-Bonds zu interpretieren? 

Wir sehen eine deutlich stärkere Ausweitung der Risikoaufschläge der bonitätsschwachen Staatsanleihen aus Schwellenländern als bei Unternehmensanleihen mit vergleichbaren Ratings, sowohl in den Schwellenländern als auch in entwickelten Volkswirtschaften. Der Grund ist, dass die Wirtschaft einer Reihe von Staaten aus der ‘zweiten oder dritten Reihe‘ nach zwei Jahren Pandemie so stark in Mitleidenschaft gezogen ist, dass die Schuldentragfähigkeit gefährdet ist. Dazu gehören aktuell etwa Äthiopien, El Salvador, Sri Lanka oder Tunesien. Wir haben unsere Positionen dementsprechend bereits frühzeitig angepasst. Bei einigen größeren Emerging Markets kam es hingegen in den letzten Monaten weniger aufgrund einer Bonitätsverschlechterung, sondern eher aufgrund politischer Probleme zu steigenden Risikoaufschlägen – das gilt vor allem für die Türkei, Russland und die Ukraine.

Schafft das schwierige Umfeld an den Rentenmärkten auch Einstiegsmöglichkeiten?

Wir haben es hier mit einem Markt zu tun, der jeden Tag attraktiver wird. Daher schauen wir auch permanent nach Einstiegsmöglichkeiten. Aber: Es gilt, vorsichtig zu bleiben. Denn Value-Investoren, zu denen wir uns auch zählen, machen vieles richtig, sie sind aber für einen Fehler besonders anfällig: Sie kaufen in der Regel zu früh. Interessante Einstiegsmöglichkeiten gibt es heute bereits bei Wertpapieren mit guter Bonität und mit Endfälligkeiten von weniger als einem Jahr. Diese Kurzläufer kamen im Zuge des überraschenden Kurswechsels der EZB Anfang Februar stark unter Druck. Sie bieten zwar immer noch einen geringen Ertrag, sind aber gegenüber Bankeinlagen bereits sehr attraktiv.

Geldpolitische Wende hinterlässt Spuren an den Spreadmärkten

Staatsanleihen: Höchste Spreads seit Ende 2020Staatsanleihen: Höchste Spreads seit Ende 2020* Non-Financials. ** Hartwährungen, Spread gegenüber US-Treasuries Quelle: Bloomberg, Union Investment; Stand: 10. Februar 2022.

Mal angenommen, die EZB würde die Zinsen trotz höherer Inflation zu niedrig halten. Wie würde sich ein Homo Oeconomicus da verhalten?

Das wäre eine Wiederholung des Jahres 2021. Wenn die Nominalzinsen niedrig bleiben und die Inflation steigt, dann sinken die Realzinsen und die Kurse inflationsgebundener Anleihen steigen. Der Homo Oeconomicus würde dann sein Rentenportfolio aus festverzinslichen Anleihen in inflationsgebundene Anleihen umschichten oder sein Portfolio mit einem Inflationsswap-Overlay versehen. Union Investment hat dies bereits für ein paar institutionelle Kunden sehr erfolgreich umgesetzt.

Lässt sich ein Rentenportfolio gegen eine anhaltend höhere Inflation immunisieren?

Ja, das geht. Es lässt sich vollständig gegen steigende Inflation immunisieren, indem ausschließlich auf inflationsgeschützte Anleihen gesetzt wird. Alternativ dazu lässt sich ein Portfolio mit festverzinslichen Anleihen um Inflations-Swaps erweitern. Mit einer solchen Immunisierungsstrategie wird ein Zusatzertrag erzielt, wenn die Inflation stärker ansteigt als der Markt dies einpreist. Ein Beispiel: Sie können heute einen fünfjährigen Inflationsswap eingehen, in dem sie jedes Jahr einen festen Betrag von 2,1 Prozent des Nennwertes zahlen und die realisierte Inflation in diesem Jahr erhalten. Wenn die Inflation im Euroraum mehr als 2,1 Prozent beträgt, machen Sie einen Gewinn, und wenn die Inflation niedriger ausfällt, haben Sie einen Verlust. Nahezu denselben Effekt können Sie durch den Einsatz inflationsgeschützter Anleihen anstelle von regulären Anleihen erzielen. Vor einem Jahr lag die marktimplizite fünfjährige Inflation im Euroraum nur bei 1,2 Prozent. Inflationsswaps und inflationsgeschützte Anleihen waren daher in den letzten Monaten äußerst profitabel. Sollte die Inflation stärker als derzeit erwartet oder Inflationserwartungen weiter ansteigen, würden diese Instrumente gewinnträchtig bleiben.

Würde eine anhaltend hohe Inflation die EZB in ein Dilemma bringen mit Blick auf steigende Refinanzierungskosten hoch verschuldeter Länder?

Die EZB geriete in diesem Szenario ohne Zweifel in ein Dilemma, das aber durch die Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre und die Anleihekäufe der nationalen Notenbanken des Eurosystems deutlich entschärft ist. Dies zeigt ein Blick auf Italien. Die durchschnittliche Verzinsung der umlaufenden italienischer Staatsanleihen liegt mittlerweile nur noch bei etwa 2,3 Prozent. Die Marktrenditen italienischer Staatsanleihen liegen – Stand Mitte Februar – derzeit bei 0,3 Prozent für zweijährige, 1,0 Prozent für fünfjährige und 1,8 Prozent für zehnjährige Anleihen. Wenn neue Staatsschulden im Schnitt weiter eine mittlere Zinsbindung von etwa 6,5 Jahren aufweisen, kann Italien fällig werdende Staatschulden zu einem durchschnittlichen Zins von etwa einem Prozent am Markt refinanzieren. Weiterhin liegt der Brutto-Zinsdienst Italiens derzeit nur bei 3,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Und: Etwa 28 Prozent der italienischen Staatsanleihen wurden in den letzten Jahren im Zuge der Ankaufprogramme des Eurosystems von der Banca d’Italia erworben. Diese finanziert ihre Aktiva derzeit zu einen Zinssatz von null Prozent. Die Zinszahlungen des Staates an die nationale Zentralbank fließen also als Zentralbankgewinn zurück an Italien. Der Netto-Zinsdienst liegt somit nur bei etwa 2,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist ein sehr geringer Wert, der ohne weiteres tragfähig erscheint.

Was bedeutet die Zinswende für Euro-Peripherieanleihen?

Die Renditeaufschläge für Euro-Peripherieanleihen dürften weiter steigen, wenn die EZB tatsächlich ihr Ankaufprogramm einstellt und ihre Leitzinsen erhöht. Eine Gefahr für die Schuldentragfähigkeit Italiens würde sich jedoch erst bei heftigen Leitzinserhöhungen der EZB ergeben, was wir nicht erwarten. Die Verzinsung des Gesamtbestandes der italienischen Staatsanleihen würde also auch bei deutlich steigenden Marktzinsen paradoxerweise weiter fallen. Steigen würden die durchschnittlichen Zinsen, die Italien auf seine Staatsanleihen entrichtet, erst bei sehr kräftigen Leitzinserhöhungen der EZB – und auch dann nur langsam.

Kommen wir noch zu einem anderen Thema, das die Märkte umtreibt: die Klimaerwärmung. Welchen Nutzen können ESG-Analysen im Rentenportfolio bieten?

Emittenten mit hoher CO₂-Intensität werden mittelfristig höhere Fremdkapitalkosten und eine geringere Bonität aufweisen. Diese frühzeitig zu identifizieren und Bestände abzubauen kann helfen, zukünftige Anlageverluste zu vermeiden. Weiterhin könnten Staaten, die stark von der Ausfuhr fossiler Brennstoffe abhängig sind, mittelfristig in Schwierigkeiten geraten – das Stichwort lautet ‚Stranded Assets‘. Hier gilt es zu differenzieren: Länder mit hohen Produktionskosten oder anhaltenden politischen Krisen wie Ecuador oder Venezuela sind davon klar stärker betroffen als etwa Russland oder Katar, die kostengünstiges Erdgas exportieren, das als Brücke zur Energiewende weiter gebraucht wird. Schließlich haben einige Staaten direkt mit den Folgen der Klimaerwärmung zu kämpfen, weil sie beispielsweise von Dürren und sehr hohen Temperaturen bedroht werden. Falls die Erdtemperatur sich um über zwei Grad Celsius erwärmen sollte, dürften weite Teile Nordindiens unbewohnbar werden. Das würde die Bonität Indiens bedrohen, hätte aufgrund der zu erwartenden hunderten von Millionen an Klimaflüchtlingen aber auch negative Auswirkungen auf andere Länder. Erfreulich war daher gerade die Initiative Indiens beim Klimagipfel in Glasgow. Das Land hat sich im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten zu ambitionierten Klimazielen verpflichtet. Und die finanzielle Unterstützung für den Kohleausstieg Südafrikas seitens der entwickelten Volkswirtschaften begrüßen wir. Wir werden vor diesem Hintergrund auch weiter den konstruktiven Austausch über Mittel und Wege der ökologischen Transformation mit Emittenten mit hoher CO₂-Intensität suchen.

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
14. Februar 2022, soweit nicht anders angegeben.

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