Der Markt revidiert Ansichten über Zentralbanken

AXA Investment Managers | 09.03.2022 15:30 Uhr
Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist & AXA IM Head of Research / © e-fundresearch.com / AXA Investment Managers
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Bislang scheinen die Märkte fest an die Fähigkeit der Zentralbanken zu glauben, dass sie den Ukraine-Schock bewältigen können. Der Krieg hat wenig überraschend einen deutlichen Anstieg der kurzfristigen Inflationserwartungen ausgelöst, wenn man den Markt für verbraucherpreisindexierte Staatsanleihen betrachtet. Angesichts der besonderen Anfälligkeit gegenüber den russischen Rohstoffpreisen ist es nicht überraschend, dass der Anstieg der zweijährigen Inflationserwartungen im Euroraum stärker ausfiel als in den USA. Auffallend ist jedoch, dass die zehnjährigen Inflationserwartungen in Deutschland seit dem 24. Februar 2022 zwar über dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen, die zehnjährigen Realrenditen jedoch stärker gefallen sind als in den USA. Dies spiegelt in gewissem Maße eine Flucht in die Sicherheit wider, wobei sich die Renditenaufschläge der Peripherieländer gut gehalten haben. Dies deutet auch darauf hin, dass der Markt an eine ewig „dovishe“ EZB glaubt. 

Der Markt hat seine Erwartungen hinsichtlich der Anhebung der Leitzinsen sowohl für die Federal Reserve (Fed) als auch für die EZB nach unten korrigiert, obwohl die Volatilität bei der EZB in den letzten Tagen erheblich war. Wie zu erwarten war, macht die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Unsicherheit die Sichtweisen gelpolitischer Falken wie von James Bullard weniger attraktiv, auch wenn die direkten Auswirkungen auf die US-Wirtschaft begrenzt sind. Die in der vergangenen Woche veröffentlichten Lohndaten bestätigten, dass sich der US-Arbeitsmarkt weiterhin zügig erholt. Die Tauben könnten sich mit der Tatsache trösten, dass die Verdienste im Februar mit 5,1 Prozent im Jahresvergleich um 0,8 Prozentpunkte hinter den Erwartungen zurückblieben, nach 5,5 Prozent im Januar und 0,8 Prozentpunkten. Die Reallöhne gehen jetzt schnell zurück, was auf lange Sicht den Verbrauch untergraben dürfte. Der Rückschlag bei den Löhnen könnte ein kleiner Ausrutscher sein, aber das würde den Druck für eine sehr schnelle Straffung zusätzlich zu den geopolitischen Risiken verringern. Wir halten an unserer Prognose von vier Zinserhöhungen um 25 Basispunkte in diesem Jahr fest.

Die schwierige Aufgabe der EZB

Christine Lagarde, EZB-Präsidentin, wird am Donnerstag bei der nächsten EZB-Sitzung eine schwierige Aufgabe haben: Die Beurteilung der Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf das Wachstum und die Inflation im Euroraum in Echtzeit. Vor dem Krieg in der Ukraine waren die Weichen für eine Beschleunigung des Tapering gestellt worden, wahrscheinlich mit einem Ende des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) bis zum Frühsommer. Die Debatte drehte sich eher um den Zeitpunkt der Zinsanhebung. Wir sind der Meinung, dass die Tauben für eine Verlängerung der Übergangszeit zwischen dem Ende der quantitativen Lockerungen (Quantitative Easing, QE) und der ersten Zinserhöhung plädierten. Während wir davon ausgehen, dass die EZB in dieser Woche ihre BIP-Prognosen – und die damit verbundenen Risiken – als Reaktion auf die neuen geopolitischen Bedingungen nach unten korrigieren wird, glauben wir nicht, dass die die Beendigung des Pandemie-Notkaufprogramms (PEPP) verschiebt.

APP beenden und Zinsen erhöhen?

Eine Option wäre, dass die EZB auf die gestiegene Unsicherheit reagiert, indem sie lediglich die derzeitige Forward Guidance beibehält – im Einklang mit der Möglichkeit, ein kleines Volumen beim APP bis 2023 beizubehalten und somit viel Spielraum für den Zeitpunkt der Zinsanhebung zu bieten, während sie die gleiche Definition der QE-to-interest-Sequenz beibehält. Allerdings steht dies im Widerspruch zu der vom EZB-Rat im Februar geäußerten Besorgnis über die Inflation, während die Verbraucherpreise seit der letzten Sitzung weiter gestiegen sind und die Erwartungen erneut übertroffen haben. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, dass man "erwartet" (nicht "beabsichtigt"), das APP im Oktober zu stoppen, vorbehaltlich einer Neubewertung der wirtschaftlichen Bedingungen. Dies würde eine "sanfte Aufhebung" des derzeit unbefristeten Programms (als Wink an die Falken), abgemildert durch die Aufhebung des Hinweises, dass die erste Zinserhöhung "in Kürze" erfolgen würde (als Wink an die Tauben). Eine Zinserhöhung wäre somit frühestens im Dezember 2022 möglich, könnte sich aber bis 2023 hinziehen. Wir gehen jedoch davon aus, dass Lagarde die Absicht der EZB, angesichts der Ereignisse flexibel zu sein, nachdrücklich betonen wird, so dass die neue Leitlinie in dieser Woche verständlicherweise schwach ausfallen wird.

Wir gehen davon aus, dass der Schwerpunkt am Donnerstag auf dem Pandemie-Notkaufprogramm liegen wird. Die Spreads in den Peripherieländer haben noch nicht auf die neuen Ereignisse reagiert, und wir glauben nicht, dass sich die EZB unter Druck gesetzt fühlt, ein neues PEPP-ähnliches Programm vorzustellen, "für den Fall, dass es notwendig wird". Der Markt wird allerdings auf jede Offenheit für eine solche Option achten. Wir gehen davon aus, dass Christine Lagarde die Möglichkeit dazu erwähnen wird, wenn auch in unkonkreter Form. Die Anspielung auf die Möglichkeit konkreterer Schritte wäre ein klares dovishes Signal.

Zwei historische Präzedenzfälle im Hinterkopf

Generell sind wir der Meinung, dass es in der Debatte zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nur um eine Verlangsamung des Normalisierungstempos geht und dass die Zentralbanker in unsicheren Zeiten dazu neigen, mit zwei historischen Präzedenzfällen im Hinterkopf zu reagieren. Der eine ist der Fehler, während der Großen Depression in den 1930er Jahren eine zu aggressive Haltung einzunehmen – dies hat das Vorgehen während der Finanzkrise von 2008 und dann während der Pandemie beeinflusst. Der andere ist der Fehler, in den 1970er Jahren eine zu dovishe Haltung einzunehmen Dennoch könnte der Markt Schwierigkeiten haben, sich an den Stimmungswandel anzupassen. Wir möchten sicher sein, dass die erstaunliche Widerstandsfähigkeit der Renditeaufschläge für Unternehmensanleihen in dieser Krise nicht das Ergebnis eines übertriebenen Vertrauens in die Fähigkeit und Bereitschaft der Zentralbanken ist, die Show aufrechtzuerhalten.

Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist & AXA IM Head of Research

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