Absolute Return Fondsmanager Casson: "Europa am Beginn des Umbruchs"

Schlechte Nachrichten für Growth-Aktien, gute Nachrichten für Value-Aktien: Vor dem Hintergrund abklingender politischer Risiken und zunehmender Anzeichen von Inflation sollten sich Anleger auf eine Phase der Outperformance europäischer Value-Aktien einstellen, meint Paul Casson, Manager des Artemis Pan-European Absolute Return Fonds. Markets | 19.05.2017 13:43 Uhr
Paul Casson, Fondsmanager, Artemis Pan-European Absolute Return Fonds / ©  Artemis
Paul Casson, Fondsmanager, Artemis Pan-European Absolute Return Fonds / © Artemis
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Eine ganze Generation von Anlegern steht für eine Denkrichtung, die man als „selbstzufriedenen Pessimismus“ bezeichnen könnte. Pessimistisch, weil es immer nur um die Steuerung von Risiken und nicht von Renditen geht. Selbstzufrieden sind diese Anleger, weil sie glauben, dass alles so weiterläuft wie bisher und es morgen genau so sein wird wie heute. Auch Spekulationsblasen funktionieren nach dieser Logik. Nun endlich stehen die Zeichen auf Veränderung. Deshalb ist diese Selbstzufriedenheit inzwischen überaus gefährlich.

Der Himmel ist nicht auf uns herabgestürzt. Die Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten Frankreichs setzt einen Schlussstrich unter zwölf lange Monate extremer politischer Unsicherheit und ist somit von großer Bedeutung. Die politischen Risiken, die europäischen Aktien eine dauerhafte Underperformance im weltweiten Vergleich beschert haben, sollten nun allmählich abklingen. Seit Ausbruch der globalen Finanzkrise haben politische Bedenken die europäische Investmentlandschaft auf unterschiedliche Weise geprägt. Wenn Irland und Spanien nicht gerade Grund zur Sorgen boten, so wurden die Anleger von den Problemen in Portugal und Italien umgetrieben. Das immer wieder aufkommende Griechenland-Problem steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt. Also flüchteten sich Anleger am Rentenmarkt in sichere deutsche Staatsanleihen, deren Renditen dann auch auf historische Tiefstände sanken. An den Aktienmärkten standen Titel mit niedriger Volatilität hoch im Kurs. Das Verständnis von Volatilität schien sich dabei so zu wandeln, dass man mit diesem Begriff nur noch Risiken verband. Die Folge war, dass Anleger immer stärker zu einem gewissen Gruppendenken neigten. Die einzige Möglichkeit, in dieser Konstellation Gewinne zu erzielen, bestand darin, in Aktien mit hohen Dividendenrenditen zu investieren oder immer höhere Aufschläge für – notfalls auch geringes – Wachstum zu zahlen. Auf Nummer sicher gehen konnte man nur, wenn man dem deutschen Staat zu lächerlich niedrigen Zinsen Geld lieh. So entstand der selbstzufriedene Pessimismus. 

Wandel in Sicht

Seit Mitte letzten Jahres jedoch verfestigten sich die Hinweise auf eine weltweite Erholung, wenngleich die Diskussion durch aktuelle globale politische Krisen bestimmt wurde. Umfragen unter Einkaufsmanagern und Verbrauchern sowie die Daten aus dem verarbeitenden Gewerbe und die Arbeitsmarktstatistiken deuteten allesamt auf eine Zunahme der wirtschaftlichen Aktivität hin. An die Stelle des Gespenstes der Deflation trat die Angst vor Inflation. Der Rentenmarkt befreite sich aus seiner Benommenheit, und die Renditekurve verschob sich nach oben. Die Zentralbanken nehmen Notiz von dieser Veränderung. Die US-Notenbank Fed hat bereits mit Zinserhöhungen begonnen, und die EZB wird zu gegebener Zeit nachziehen. Banken ändern ihre Kreditvergabepolitik und dies aus gutem Grund: Die Krise ist am Abklingen, und die Aussichten hellen sich auf. Ende 2016 kam dann der große Schock – Europa hatte ein höheres Wirtschaftswachstum erreicht als die USA.

Es dauerte jedoch lange, bis die Anleger auf diese neue Situation reagierten. Den Großteil des Jahres waren sie damit beschäftigt, europäische Aktien abzustoßen. Nach fünf Jahren mit mickrigen Wachstumsraten hatten europäische Unternehmen die Geduld ihrer Anleger endgültig überstrapaziert. Letztere suchten das Weite und verkauften Aktien im Umfang von insgesamt 100 Milliarden US-Dollar. Der Zeitpunkt hätte kaum schlechter gewählt sein können.

In diesem Jahr ist bei europäischen Aktien mit einem Ertragswachstum von knapp 15 Prozent zu rechnen. Schenkt man den Zahlen der aktuellen Berichtssaison Glauben, könnte dieses Plus sogar noch höher ausfallen. Nachdem Analysten jahrelang zu optimistisch in Bezug auf europäische Aktien waren, ließen sie Anfang 2017 zu große Vorsicht walten. Von 2013 bis 2016 erwarteten sie regelmäßig zu Jahresbeginn, dass die Unternehmensgewinne steigen würden, mussten allerdings im weiteren Jahresverlauf diese optimistischen Prognosen zurücknehmen.

Nur 2017 ist es anders. Von Abwärtskorrekturen kann in diesem Jahr keine Rede sein, denn die Analystengemeinde hat die Lage zunächst zu pessimistisch eingeschätzt und korrigiert deshalb die Prognosen seit Jahresbeginn nach oben. Dies ist eine unübersehbare und zugleich positive Veränderung. Und es ist nicht die einzige. Erstmals seit vielen Jahren erfolgen die deutlichsten Aufwärtskorrekturen bei zyklischen Titeln, während die teuren Defensivwerte das Nachsehen haben. Warum also, fragen wir uns, werden diese Defensivwerte immer noch zu solch hohen Aufschlägen gehandelt, obwohl doch die günstigeren zyklischen Aktien die Nase vorn haben? 

Weshalb die Inflation nicht unwichtig ist

Eine Deflation ist zweifellos heimtückisch. Wenn Wachstum und Vertrauen gering sind, haben es Unternehmen schwer, ihre Preise zu erhöhen. Doch sobald die ersten Zeichen von Inflation zu erkennen sind, verfügen sie wieder über ihre Preissetzungsmacht. Unternehmen versuchen dann, ihre höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben und noch etwas draufzuschlagen, um ihre Margen zu steigern. Während jeder Konjunkturzyklus in der Aufschwungsphase demselben Muster folgt, hat sich die Ankunft des aktuellen Booms durch die quantitative Lockerung der Geldpolitik länger hinausgezögert als üblich. Natürlich weigern sich die Anhänger des selbstzufriedenen Pessimismus dies zu akzeptieren. Die beobachteten Inflationsanzeichen, so widersprechen sie, würden ausschließlich mit der Verdoppelung des Ölpreises zusammenhängen (merkwürdigerweise wollen sie aber offenbar nicht wahrhaben, dass der Ölpreisrückgang von 65 Prozent ebenfalls entsprechende Auswirkungen hatte). Sie glauben, dass die Inflation verschwinden und sich ihr Gruppendenken bestätigen wird. Doch die Erzeugerpreise ohne Energie kletterten im März um 2 Prozent nach oben, und in ganz Europa steigen die Löhne. Im Allgemeinen haben die Menschen mehr Vertrauen und konsumieren mehr, wenn sie mehr Geld bekommen. Wir gehen davon aus, dass dies in den größeren Volkswirtschaften wie Deutschland und den Niederlanden, wo die Arbeitslosigkeit niedrig ist, auch der Fall sein wird. Die Peripherieländer hingegen erholen sich noch immer von den schweren Rezessionen. Ausschlaggebend für Veränderung ist dort das Beschäftigungswachstum – und jede noch so geringe Lohnsteigerung hätte eine zusätzlich verstärkende Wirkung, die zu begrüßen wäre. Dank dieser positiven Dynamik nimmt das BIP-Wachstum zu, wenn die Nachfrage ansteigt. Die Kreditvergabe der Banken folgt dieser Entwicklung, wie in Europas bereits zu erkennen ist. 

Schlechte Nachrichten für Growth-Aktien, gute Nachrichten für Value-Aktien

Eine aktuelle Studie von Barclays Capital zeigt, dass internationale Anleger, die an den europäischen Markt zurückkehren, zyklische Titel, Finanzwerte und Wertpapiere aus Südeuropa kaufen wollen. Folglich schneiden Value-Aktien besser ab als Growth-Aktien, wenn sich Europa gut entwickelt.

Der Aufstieg neuer Outperformer geht allerdings zwangsläufig zu Lasten bestimmter anderer Titel. Bei diesen Underperformern dürfte es sich unseres Erachtens um die Gewinner der letzten neun Jahre handeln. Seien es nun Quality-Growth-Aktien, Bond Proxies oder die sogenannten Expensive Defensives – ihnen allen stehen härter Zeiten bevor.

Jetzt stehen die Zeichen auf Oupterformance für die Value-Segmente der europäischen Aktienmärkte. Zuletzt haben wir dies 2003 erlebt. Aktien mit niedriger Volatilität werden sich in diesem Umfeld nicht behaupten können. Ihre relativen Bewertungskennzahlen sind sehr hoch. Anleger sollten die Volatilität der Erträge des Unternehmens nicht mit der Volatilität des Aktienkurses verwechseln, vor allem nicht, wenn sie zu viel bezahlen, denn in den meisten Fällen ist dies nicht ein und dasselbe.

Anders als die Expensive Defensives, die im letzten Jahr die Gewinner waren, haben es zyklische Titel gelernt, mit wenig auszukommen und sich durch Kostensenkungen, Restrukturierungen und Effizienzsteigerungen anzupassen. Wenn die wirtschaftliche Aktivität zunimmt und die Umsätze wieder steigen, zahlt sich die verbesserte operative Kostenstruktur aus, denn von jedem zusätzlich verdienten Euro können sie einen relativ hohen Anteil als Gewinn verbuchen. Goldman Sachs hat für die einzelnen Wirtschaftsregionen entsprechende Berechnungen durchgeführt. Jedes Prozent mehr Umsatzwachstum, das europäische Unternehmen erzielen, beschert ihnen im Durchschnitt eine Steigerung des Reingewinns von 2,8 Prozent. Natürlich sagen diese Durchschnittswerte noch längst nicht alles. So sind die Margen von Versorgungsunternehmen, Pharmakonzernen, Lebensmittelherstellern und anderen defensiven Titeln deutlich weniger reagibel. Es sind vielmehr die zyklischen Titel, die hier den Ausschlag geben, besonders im Anfangsstadium des Aufschwungs. 

Was bedeutet dies für den Fonds?

Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht überraschen, dass sich unsere Long-Positionen auf Banken, Industrieunternehmen, Energietitel sowie Hersteller von Rohstoffen und zyklischen Konsumgütern konzentrieren. Wir denken, dass diese Branchen am meisten von den besseren Wachstumsaussichten profitieren können. Demgegenüber halten wir unsere Short-Positionen in Aktien von Getränkeherstellern und Versorgungsunternehmen sowie in anderen teuren Segmenten, bei denen eine Enttäuschung zu erwarten ist. Diese Ausrichtung des Portfolios ist nicht ganz ohne Bedenken unsererseits. Schließlich prognostizieren wir einen Umbruch in der Investmentlandschaft und den Abschied von einem Paradigma, das seit der globalen Finanzkrise Bestand hat. Aber die uns vorliegenden Hinweise sprechen für sich. Und was unsere Bedenken angeht, so glauben wir, dass sich die Pessimisten mehr Sorgen machen müssen, denn es ist nicht länger angemessen, sich in teure Aktien mit niedriger Volatilität zurückzuziehen. Die Anhänger des selbstzufriedenen Pessimismus müssen sich vorsehen.  Paul Casson, Manager des Artemis Pan-European Absolute Return Fonds

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