Biotechnologie: Langfristiger Outperformer oder gefährliche Blase?

Ein einziger Tweet von Hilary Clinton brachte Biotechnologie-Werte im Spätsommer gehörig ins Wanken: Was dahinter steckte und wie es um den langfristigen Investment-Case des Sektors bestellt ist, das diskutierte e-fundresearch.com im Interview mit Mario Linimeier, Healthcare-Analyst, Medical Strategy. Managers | 21.12.2015 10:00 Uhr
Mario Linimeier, Healthcare-Analyst, Medical Strategy / ©  Medical Strategy
Mario Linimeier, Healthcare-Analyst, Medical Strategy / © Medical Strategy
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e-fundresearch.com: Ein einziger Tweet von Hilary Clinton brachte den Biotechnologie-Sektor im Spätsommer gehörig ins Wanken: Welche persönlichen Schlüsse ziehen Sie aus den durchaus brisanten Marktentwicklungen 2015?  
"Für Arzneimittelhersteller, die lediglich undifferenzierte Altprodukte anbieten, wird es in Zukunft vermutlich schwerer werden, die Medikamentenpreise stark zu erhöhen."
Mario Linimeier: Auslöser der gegenwärtigen Diskussion zur Regulierung von Medikamentenpreisen in den USA ist eine Preiserhöhung eines 62 Jahre alten Nischenproduktes gewesen. Die Firma Turing Pharmaceuticals hatte das Medikament zur Behandlung der Infektionskrankheit Toxoplasmose von 13,50 auf 750 US-Dollar verteuert. Das Unternehmen hatte zuvor die Rechte am Wirkstoff Daraprim erworben und unmittelbar danach den Preis massiv angehoben. Dementsprechend gerieten insbesondere Arzneimittelhersteller wie Turing Pharmaceuticals stark in die Kritik. Die Diskussion um eine staatliche Preisverhandlung bei Medicare wird ein populäres Wahlkampfthema bis zur US-Präsidentenwahl im November 2016 bleiben. Für Arzneimittelhersteller, die lediglich undifferenzierte Altprodukte anbieten, wird es in Zukunft vermutlich schwerer werden, die Medikamentenpreise stark zu erhöhen. Dagegen sind strukturelle Änderungen, die die Preissetzungsmacht von Biotech-Innovationsführern begrenzen, nicht zu erwarten. Da sind die Sorgen zu groß, dass ein staatliches Eingreifen in die Preisgestaltung die Entwicklung von dringend benötigten neuartigen Therapien behindern könnte. Innovation bietet den besten Schutz gegen Preisdruck. e-fundresearch.com: Sind Sie heute optimistischer oder pessimistischer als am Jahresende 2014 und warum? 
"Die Fundamentaldaten und die Wachstumsperspektiven sind weiterhin intakt."
Mario Linimeier: Wir erleben heute eine historisch einmalige Breite von therapeutischen Durchbrüchen. Vermutlich werden Unternehmen mit Biotech-Fokus den Gesamtmarkt auch im Jahr 2016 outperformen. Die Fundamentaldaten und die Wachstumsperspektiven sind weiterhin intakt. Allerdings könnten Preisdiskussionen und etwaige Zinserhöhungen die Aktienkurse im nächsten Jahr belasten.

e-fundresearch.com: Wie steht es um den langfristigen Investment-Case und das Bewertungsniveau des Biotech-Sektors? 

"Laut Marktschätzungen sollen die weltweiten Arzneimittelausgaben von rund 990 Mrd. im Jahr 2013 bis 2018 auf 1.300 Mrd. US-Dollar steigen." 

Mario Linimeier: 

Angesichts eines erwarteten Gewinnwachstums von mehr als 20 Prozent für das Jahr 2016 ist der NASDAQ-Biotech-Index mit einem KGV von 19 günstig bewertet. Kaum eine Branche bietet Langfrist-Investoren bessere Wachstumschancen als der Biotech-Sektor. Laut Marktschätzungen sollen die weltweiten Arzneimittelausgaben von rund 990 Mrd. im Jahr 2013 bis 2018 auf 1.300 Mrd. US-Dollar steigen. Getrieben wird dieses Wachstum nicht nur vom demographischen Wandel, sondern auch von bahnbrechenden Fortschritten in der Grundlagenforschung.


Ein besseres Verständnis für die molekularen Entstehungsursachen von Krankheiten ermöglicht die Entwicklung von kausalen Behandlungsansätzen, die gezielt in das Krankheitsgeschehen eingreifen. Natürlich kann es zu temporären Kurskorrekturen kommen, der medizinische Fortschritt durch Innovation bleibt aber ungebrochen und ist nachhaltig.

e-fundresearch.com: In welchen Bereichen des Biotechnologie-Sektors identifizieren Sie derzeit das vielversprechendste Wertpotenzial? 

"Für das Jahr 2016 favorisieren wir innovationsstarke kleine und mittelgroße Biotech-Unternehmen mit M&A-Potenzial."

 

Mario Linimeier: Für das Jahr 2016 favorisieren wir innovationsstarke kleine und mittelgroße Biotech-Unternehmen mit M&A-Potenzial. Durch die Entwicklung von neuartigen Therapien mit klarem Patientennutzen – wie etwa Heilung oder verlängertes Überleben – haben Biotech-Innovationsführer eine hohe Preissetzungsmacht. Gleichzeitig begünstigt das derzeitige regulatorische Umfeld Produktzulassungen. Schließlich dürfte der Übernahmeappetit seitens großer Pharma- und Biotech-Unternehmen weiter anhalten, insbesondere in den Bereichen Onkologie und Seltene Erkrankungen.

e-fundresearch.com: Welche Innovationen bzw. Forschungsgebiete sind für Sie aktuell am spannendsten?

"Allein im Orphan-Segment beläuft sich das Marktpotenzial laut Expertenschätzungen auf einen Jahresumsatz von mehr als 50 Mrd. US-Dollar."

Mario Linimeier: Eine mögliche Revolution stellt die Krebsimmuntherapie dar, bei der man das menschliche Immunsystem zur Tumorbekämpfung nutzt. In zahlreichen klinischen Studien zeigte sich eine klare Überlegenheit immunonkologischer Therapeutika gegenüber aktuellen Behandlungsmethoden. Hervorzuheben ist dabei insbesondere ein langanhaltender Überlebensvorteil, der bei einigen Patienten erzielt werden konnte. Im Investorenfokus stehen derzeit anti-PD-1/PDL-1 Checkpoint-Inhibitoren, die bereits zur Therapie von Haut-, Lungen- und Nierenkrebs zugelassen wurden.

 

Einen weiteren medizinischen Durchbruch erleben wir auf dem Gebiet der Gentherapie, die nach einigen Entwicklungsrückschlägen in der Vergangenheit eine Renaissance erlebt. Eine erstmalige Technologie-Validierung erfolgte durch die Zulassung von uniQure’s Glybera im Jahr 2012 durch die europäische Arzneimittelbehörde zur Behandlung der Lipoproteinlipase-Defizienz. Derzeit befinden sich nach Angaben von Biocentury mehr als 160 Gentherapeutika in unterschiedlichen Indikationen in Entwicklung. Allein im Orphan-Segment beläuft sich das Marktpotenzial laut Expertenschätzungen auf einen Jahresumsatz von mehr als 50 Mrd. US-Dollar. 

e-fundresearch.com: Wo lauern in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen für Biotechnologie-Investoren und warum sollte Ihre Strategie auch in Zukunft Mehrwert gegenüber einem passiven Sektor-Investment bieten können?

"Aktiv gemanagte Healthcare-Investmentfonds können Anlegern sowohl eine hinreichende Risikostreuung als auch ein entsprechendes molekularbiologisches Fachwissen bieten."

Mario Linimeier: Der Biotechnologie-Markt ist durch hohe binäre Risiken bei der Wirkstoffentwicklung gekennzeichnet. Nur ein Bruchteil der Wirkstoffkandidaten erhält eine Marktzulassung. Um die Erfolgschancen einer Produktentwicklung abschätzen zu können bedarf es einer gründlichen Due Diligence und einer umfassenden wissenschaftlichen Expertise. Darüber hinaus müssen wertbestimmende Ereignisse – wie zum Beispiel Daten zu klinischen Studien oder Zulassungsentscheidungen – kontinuierlich beobachtet und im Investmentprozess berücksichtigt werden. Aktiv gemanagte Healthcare-Investmentfonds können Anlegern sowohl eine hinreichende Risikostreuung als auch ein entsprechendes molekularbiologisches Fachwissen bieten.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch!

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.
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