Mehr Rendite mit weniger Risiko

Die moderne Portfoliotheorie hat einen großen Haken: Sie funktioniert in der Praxis oftmals nicht. Bei der Beurteilung von Risiko/Rendite wird nämlich die gegenwärtige Bewertung der Papiere häufig außer acht gelassen. Wer lieber auf Nummer Sicher gehen will, sollte auf die Aktien von Qualitätsunternehmen setzen. Funds | 12.02.2007 06:19 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Wer nichts wagt, der nichts gewinnt, heisst es. Nicht nur der Volksmund hat diese "Weisheit" längst verinnerlicht, auch die Finanzmarkttheorie beruht auf demselben Grundgedanken. Demnach wird das Eingehen systematischer Risiken an den Finanzmärkten mit einer Risikoprämie, das heisst mit höheren Renditen, abgegolten. Obwohl die darauf aufgebaute moderne Portfoliotheorie sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hat sie einen gewaltigen Nachteil: Sie funktioniert in der Praxis nicht - zumindest nicht in den vergangenen 40 Jahren. Als Mass für das Marktrisiko steht das Beta und damit die Volatilität. Je höher die Volatilität ist, desto grösser ist das Risiko. Dies gilt zumindest in der Theorie. Doch die Frage der Bewertung wird dabei völlig ausser acht gelassen. So konnte man im Jahr 1982 amerikanische Aktien bei sehr schlechten Gewinnaussichten zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 8 kaufen, im Jahr 2000 hingegen, während der grossen Euphorie, zum KGV von 35. Die Volatilität des Marktes war zu beiden Zeitpunkten etwa gleich, wie steht es aber mit dem wahren Risiko?

17 Jahre ohne Ertrag

Gerne wird argumentiert, am Aktienmarkt müsse nur der Anlagehorizont genügend lang sein, dann werde die höhere Volatilität von Aktien automatisch durch eine höhere Rendite kompensiert. Das stimmt zwar in der Tendenz, denn das Risiko wird über längere Perioden eher höher eingeschätzt, als es tatsächlich ist. Aber wer beim Höchststand der beiden grössten Bullenmärkte im vergangenen Jahrhundert, im August 1929 und Dezember 1965, Aktien kaufte, musste 17 Jahre warten, um seinen Einsatz zurückzuerhalten. Das ist eine sehr lange Zeit für null Ertrag.

Wider den gesunden Menschenverstand?

Gleichzeitig sind die kurzfristigen Risiken um ein Mehrfaches höher, als uns die Beta weismachen. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert die Periode von März 2000 bis September 2002 - dort fand der drittgrösste Crash in den vergangenen 100 Jahren statt, bei dem der S&P-500-Index 47% seines Wertes verlor. Wie verhielten sich andere Anlagekategorien im selben Zeitraum, gemessen am Beta zum S&P 500? Zum Beispiel hätte der Nasdaq-Index mit einem Beta von 1,25 gegenüber dem S&P 500 um das 1,25-fache zurückgehen müssen. Statt dem erwarteten Rückgang von 59% sackte der Nasdaq-Index aber um 73% ab, also um 34% mehr als erwartet. In der gleichen Periode ging der Russell-1000-Value-Index mit einem Beta von 0,85 statt der erwarteten 40% aber nur 27% zurück. Offenbar bestand ein Zusammenhang zwischen der Überbewertung von "sexy" Nasdaq-Aktien bzw. der Unterbewertung von "langweiligen" Value-Aktien und den nachfolgenden Reaktionen während der Baisse.

Schaut man sich die Abhängigkeit verschiedener Anlageklassen zum amerikanischen S&P- 500-Index an, erklären sich nur rund 40% der Kursveränderung aus dem Beta der Anlageklasse. Die anderen 60% erklären sich aus der Bewertung der Titel zum Ausgangszeitpunkt. Das ist ein denkbar schlechter Beweis für das Capital Asset Pricing Model (CAPM), das davon ausgeht, dass sich im Durchschnitt bei doppeltem Risiko auch die Erträge verdoppeln.

Genau das Gegenteil ist der Fall, wie eine Untersuchung von GMO über den Zeitraum von Mai 1969 bis Dezember 2005 zeigt. Die relativen Erträge der 600 grössten amerikanischen Blue Chips im Vergleich mit dem Durchschnittsertrag wurden dazu in zehn Dezile (je 10% der Unternehmen) gemäss der Höhe der Beta aufgeteilt (siehe Grafik). Die Dezile kalkulierte man jeweils zu Jahresbeginn neu, und die Aktien hielt man ein Jahr. Jene 10% der Aktien mit dem höchsten Beta, also mit dem höchsten Risiko, hätten gemäss Theorie die höchste Rendite erreichen sollen. Sie lagen aber pro Jahr um 2,7% unter dem Durchschnitt. Hingegen schlugen die 10% der Unternehmen mit den tiefsten Beta den Durchschnitt um 1,5% jährlich. Dies ist das pure Gegenteil der CAPM-Theorie und widerspricht auch dem gesunden Menschenverstand - jedenfalls auf den ersten Blick.

Auch Profis handeln irrational

Wieso aber überzahlt der Markt das Eingehen von Risiko systematisch? Weil Anleger nicht rational, sondern emotional handeln, getrieben vom schnellen Kick, vom Herdentrieb und vom "Sexappeal" der Aktien. Wachstum und Volatilität sind die Schlüsselbegriffe, welche die Phantasie beflügeln. Das Wachstum ist der langfristige Antrieb, weil sich steigende Umsätze und Gewinne auf die Aktienkurse auswirken. Und die Volatilität ist der kurzfristige Turbo, weil Anleger nach dem Motto "lasst uns das schnelle Geld machen" darauf hoffen, ihren Einsatz in drei Wochen zu verdoppeln. Kritiker können einwenden, dass diese Marktpsychologie allenfalls bei Hausfrauen-Haussen zutreffe, nicht aber für professionelle Anleger gelte. Dies wäre aber leider ein Irrtum. Es gibt gute Gründe, um Wachstum und Volatilität zu "überzahlen". Beispielsweise senkt das Anlegen in Wachstumstitel - natürlich je nach Marktphase - für professionelle Manager das Karriere-Risiko. Niemand wird gefeuert, wenn er auf Aktien mit Momentum setzt, die auch viele andere Investoren kaufen, die für die Mitglieder des Investment Committees gut aussehen und die tolle Gewinnprognosen aufweisen. Wenn die Anlage dann dennoch schiefgeht, hat sich das Risiko eben nicht ausgezahlt. Hingegen ist jeder "Contrarian" (das sind Manager, die es sich trauen, gegen den Strom zu schwimmen) immer der Guillotine nahe. Schafft ein Unternehmen, das sich gerade in einer angeschlagenen Verfassung befindet, den Turnaround nämlich nicht sofort, ist der Portfoliomanager ein Trottel, denn jeder hatte das ja kommen sehen. Offenbar ist es auch für Profis einfacher, Geld mit einem riskanten Highflyer zu verlieren als mit einem langweiligen Standardwert.

Fazit

Wer also langfristig Geld verdienen möchte, sollte sich von traditionellen Vorstellungen von Risiko und Rendite verabschieden und die Anleger-Psychologie einbeziehen. Er hält sich am Besten an die konservativen Qualitätsaktien. Gut geführte Unternehmen mit niedriger Verschuldung, hohen Gewinnmargen und stabilen Gewinnen sind auf die Dauer nicht nur weniger riskant, sondern auch noch ertragreicher.


Über den Autor:
Alex ist Managing Director von GMO in Europa (www.gmo.com). Bevor er 2002 zu GMO gestossen ist, war Alex als Senior Principal für State Street Global Advisors tätig, zuletzt als Managing Director der State Street Global Advisors AG in der Schweiz. Zusätzlich war er auch Marketing und Sales Director für State Street Bank & Trust Co. Alex Orus hält einen B.A. in Economics von der University of Connecticut.


Gastkommentare werden von anerkannten Finanzmarktexperten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.