´Genießen, wie die Kurse steigen!´

Dr. Jürgen Meyer, Leiter Aktien Deutschland & Euroland bei der SEB Asset Management und Manager des SEB Aktienfonds, spricht exklusiv mit e-fundresearch über seine Leistungen und Ergebnisse sowie seine Sicht der aktuellen Marktlage und wie sich diese weiter entwickeln wird. Funds | 29.12.2010 04:30 Uhr
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e-fundresearch: Herr Dr. Jürgen Meyer, Sie sind Leiter Aktien Deutschland & Euroland bei der SEB Asset Management, und managen u.a. den SEB Aktienfonds (ISIN: DE0008473471). Seit wann sind Sie für das Management dieses Fonds verantwortlich? Meyer: Seit Juli 2006.

e-fundresearch: Orientieren Sie sich an einer Benchmark? Wenn ja, an welcher?

Meyer: Ich orientiere mich an keiner Benchmark. Da der SEB Aktienfonds in deutsche Aktien investiert vergleichen wir uns natürlich mit dem DAX, dem hierzulande gebräuchlichsten Index.
Als Investor freue ich mich übrigens über Leute, die blind die Aktien in einem Index kaufen so wie ein Skatspieler sich freut, Mitspieler zu haben die glauben, es würde keinen Sinn ergeben in die Karten zu schauen.
Speziell zum DAX – und nur für diesen einen Index - will ich aber auch sagen: da sind ungewöhnlich viele überdurchschnittlich gute Unternehmen drin – was diesen Index zu einem der bestperformendsten Aktienindex weltweit gemacht hat. Und damit zu einem respektablen Maßstab.

e-fundresearch: Managen Sie aktuell auch noch andere Fonds oder Mandate?

Meyer: Ja. Ich manage noch einen Spezialfonds der in Aktien des Euroraumes investiert. Und ich leite das Euroland Aktien Team in Frankfurt: Dominik Jahnke managt den SEB EuroCompanies Fonds und Mark Wähner den SEB ÖkoLux Fonds.

e-fundresearch: Wie hoch ist das Gesamtvolumen, das Sie derzeit verwalten?

Meyer: Ziemlich genau eine Milliarde Euro.

e-fundresearch: Zur Performance: welche Ergebnisse konnten Sie seit Beginn des Jahres und in den letzten fünf Kalenderjahren, d.h. 2005, 2006 und 2007, 2008, 2009 erzielen? Sowohl absolut als auch relativ gegenüber der relevanten Benchmark.

Meyer: Zunächst: bis Mitte 2006 hatte ich den Julius Bär German Value Stock Fund und den Santander Deutsche Aktien gemanagt. Die Performance-Zahlen bis Mitte 2006 stammen vom Santander Fonds:

e-fundresearch: Wie sind Sie selbst mit Ihrer Leistung in den Vorjahren und in diesem Jahr zufrieden?

Meyer: Rückblickend gesehen: Die Finanzkrise haben wir in unseren Fonds erfolgreich „abgewettert“. Wer Mitte 2006 in den Aktienfonds investiert hat – also dem Zeitpunkt, seitdem ich die Performance verantworte – kann sich heute (Mitte Dezember 2010) über 24 Prozent Gewinn freuen. Dass die richtigen Aktien „langfristig“ fast alle anderen Anlageformen schlagen ist bekannt. Und dass gerade mal viereinhalb Jahre – inklusive der „schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit“ wohlgemerkt – reichen, um „Langfristigkeit“ herzustellen ist doch eine beruhigende Erkenntnis. 
Die „Finanzkrise“ hatte ich zu Beginn in ihrem Ausmaß übrigens komplett unterschätzt. Obwohl ich den Bankensektor schon damals deutlich untergewichtet hatte – und in HRE nicht investiert war – hatte ich die kurzfristig heftigen Nebenwirkungen der Liquiditätsverknappung auf ansonsten gänzlich unbeteiligte Branchen – und auch die Aktienmärkte - in dieser Größenordnung nicht erwartet.
Ein für Aktionäre sicherlich traumatisches Jahr war 2008. In Deutschland erlebten wir hier einen Sonderfall: 29 Aktien im Index halbierten sich – während eine Aktie – VW Stämme – sich in der Spitze verfünffachte.
Wären anstatt VW Stammaktien die VW Vorzüge im Index gewesen hätte der DAX glatt -52% statt „nur“ -44% verloren. Ein solches gewaltiges Schneeballsystem verirrt sich circa alle zehn Jahre in den Index. Im Jahr 99 war es die Telekom Aktie…
Zu Beginn des Jahres 2009 gab es noch einen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der vermutlich durch das Auffliegen von Bernie Maddoffs Schneeballsystem ausgelöst wurde. Die siebzig Milliarden Dollar waren zwar schon lange verschwunden – aber im Januar 2009 wurde es seinen Kunden auch bewusst.
Auch der Höhenflug der VW Aktie endete in 2009 – leider mit kleinem Gewicht im Index. Seit März 2009 erholen sich Aktienkurse und Wirtschaft.
Um auf die Frage zurückzukommen: mit der Underperformance des Aktienfonds in 2007 bin ich im Nachhinein unzufrieden. Dass mich Schneeballsysteme im Index wie im Jahr 2008 rechts überholen ist zwar einerseits ärgerlich – andererseits unvermeidbar und selten. Ohne VW-Effekt im DAX in 2008 hätte der Aktienfonds 4% besser als sein Index abgeschnitten.
Im Übrigen wäre der Aktienfonds in 2009 „nur“ 3,7% besser als der Index gewesen, denn die nun implodierende VW-Aktie schwächte den Index um 4% - leider nicht um die ursprünglichen 8%, denn das Gewicht der Aktie wurde gekappt.
2010 macht in jeder Hinsicht richtig Spaß. Die Krise ist verflogen (wie alle Krisen zuvor). Firmen wie Software AG, BASF, Henkel und BMW werden bereits in 2010 die höchsten Gewinne ihrer Geschichte erwirtschaften – und waren schon zu Anfang 2010 hoch im Fonds gewichtet.

e-fundresearch: Welche Ergebnisse würden Sie in diesem Zusammenhang als sehr gut, mittelmäßig und enttäuschend bezeichnen?

Meyer: Um die relative Wertentwicklung des Aktienfonds zu bewerten:
2006: normal
2007: schwach
2008: relativ gut, leider durch VW-Blase überdeckt, absolut natürlich unbefriedigend
2009: relativ und absolut gut, DAX durch VW gehandicapt
2010: sehr gut, viele Investments, die durch die Finanzkrise in ihrer Entfaltung verzögert wurden, entwickeln sich lukrativ.

e-fundresearch: Wie können Sie durch Ihre Leistung Mehrwert für Ihre Anleger schaffen?

Meyer: Eins vorweg: selbst die Kurse hervorragend gemanagter Unternehmen, deren operatives Geschäft von der „Finanzkrise“ gänzlich unberührt war, hatten sich vorübergehend halbiert. Auch gut gemanagte Aktienfonds hatten sich vorübergehend halbiert. Wer mit solchen Schwankungen – die sich durch Anwarten von alleine auflösen – nicht leben kann oder will, sollte keinerlei Aktien besitzen, egal in welcher Verpackung.
Allen anderen bietet der SEB Aktienfonds einen Mehrwert zu seinem Index:
Die Aktien im Fonds sind niedriger bewertet als die im Index und/oder bieten eine höhere Qualität und damit Profitabilität ihres Geschäftsmodells, was sich in einem höheren Wertzuwachs des SEB Aktienfonds zeigen sollte.
Übrigens ist auch die Volatilität – also die Schwankungsanfälligkeit - eines Value-Fonds typischerweise niedriger, als die des Gesamtaktienmarktes.

e-fundresearch: Wie lange sind Sie schon Fondsmanager?

Meyer: Ich fasse die Frage etwas weiter: der Wirtschaftsteil der Zeitung interessiert mich seit 25 Jahren. Meine ersten Aktien hatte ich im Januar 91 gekauft – zeitgleich mit dem Ausbruch des ersten Golfkriegs. Krisen waren schon immer hervorragende Kaufgelegenheiten.
Die Wirtschaftsmeldungen habe ich schon damals aus Neugierde verfolgt – und mit Erfolg beim Investieren genutzt.
Im September 99 hatte ich die Chance genutzt, das Hobby zum Beruf zu machen und bin seitdem auch „Portfoliomanager“. Kurz: seit zwanzig Jahren „Investor“ und seit 10 Jahren „Fondsmanager“.

e-fundresearch: Was waren bisher Ihre größten Erfolge und Misserfolge in Ihrer Fondsmanager Karriere?

Meyer: Ein erfolgreicher Investor macht zwei Karrieren: die, die sich auf der Visitenkarte abspielt, und die, die sich an der Wertentwicklung des Depots ablesen lässt.
Ich konzentriere mich im Nachfolgenden auf die wichtigere:
Größter Erfolg: VW Stammaktien bei 36 Euro gekauft und für 150 Euro verkauft.
Größter Misserfolg: zuschauen, wie VW Stammaktien auf 1000 Euro weitersteigen…

e-fundresearch: In welchem Kapitalmarktumfeld bewegen wir uns Ihrer Ansicht nach derzeit?

Meyer: Wir bewegen uns in einem für Aktionäre geradezu unglaublich positivem Umfeld: Die halbe Menschheit redet immer noch von Krise – dabei ist diese schneller verflogen, als sie gekommen war.
Alle nur erdenklichen Spekulationsblasen haben sich abseits der Aktienmärkte breit gemacht: allen voran Rohstoffe, deren Preise sich meilenweit von ihren Produktionskosten entfernt haben. Gefolgt von Staatsanleihen mit zeitweise 2% Verzinsung. Sorry, das sind die Dividendenrenditen von Wachstumsunternehmen.
Um präzise zu sein: Dies sind keine Argumente für Aktien sondern gegen Staatsanleihen und Rohstoffe.
Und: die oft gehörten Inflationsszenarien – unabhängig ob man sie nun teilt oder nicht - sprechen im Übrigen nicht gegen sondern FÜR Aktien von Unternehmen mit Pricing Power: wenn mehr Geld im Umlauf ist, darf auch der neue Porsche etwas teurer sein…

e-fundresearch: Wie agieren Sie in diesem Umfeld?

Meyer: Genießen, wie die Kurse steigen. Und ganz wichtig – wie in jedem anderen Umfeld auch – die Augen offen halten ob sich nicht noch Besseres findet, als das, was bereits im Portfolio enthalten ist.

e-fundresearch: Was sind die speziellen Herausforderungen in der aktuellen Situation?

Meyer: Die aktuelle Situation vergleiche ich mit Schönwettersegeln: es gibt keine speziellen Herausforderungen – zumindest nicht im Vergleich zu Ende 2008/Anfang 2009. Da konnten sie übrigens sehr genau beobachten, was erfolgreiche Investoren auszeichnet: a) sie haben systematische Prinzipen b) sie blieben selbst unter scheinbar widrigsten Bedingungen ihren Prinzipien treu.
Zurück zum Schönwettersegeln. Früher oder später wird das scheinbar leichte Geld an der Börse wieder Spielernaturen anlocken, die auf Schneeballsysteme (wie aktuell den Goldpreis) hereinfallen und diese mit ihren Käufen zusätzlich anheizen.
Die nennenswerten Schneeballsysteme haben sich momentan abseits des Aktienmarktes aufgebaut – aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch hier neue Spekulationsblasen entstehen. Ein solches Schneeballsystem wird vorübergehend Scheinrenditen vorgaukeln (siehe „erneuerbare Energien“ vor fünf Jahren), neben denen jeder seriöse Investor blass aussieht – bis das Schneeballsystem implodiert.

Vermutlich liegt die Hauptherausforderung für viele Investoren darin, mental die Krise abzuhaken und ihre Aktien nicht zu früh zu verkaufen.

e-fundresearch: Welche Ziele haben Sie kurzfristig bis zum Ende des Jahres und mittelfristig für die kommenden 3-5 Jahre?

Meyer: Investmenterfolg an der Börse ist auf Sicht von einem Jahr zwei Drittel Zufall. Kurzfristige Prognosen verbieten sich von daher von selbst. Würfeln Sie selbst. Wenn Sie sich aber anschauen, wie viele Unternehmen bereits 2010 neue Rekordgewinne erwirtschaften – obwohl das erste Quartal noch von Kurzarbeit belastet war. Dann sehen, dass 2011 nicht mit Kurzarbeit beginnt. Und wenn Sie weiterhin berücksichtigen, dass es im Investitionsgüterbereich sehr viele spätzyklische Unternehmen gibt, die gerade erst beginnen zu alter Form aufzulaufen, fällt mir kein Grund ein, warum die europäischen und amerikanischen Aktienindizes in 5 Jahren nicht 50% höher als heute notieren sollten
Falls die Rohstoffblase zwischenzeitlich noch implodiert wäre dies übrigens auch nicht zum Nachteil des produzierenden Gewerbes.

e-fundresearch: Welche Ergebnisse würden Sie in drei Jahren als sehr gut, neutral und enttäuschend empfinden?

Meyer: Sehr gut: Aktienfonds > +40%
neutral: Aktienfonds +30% bis +40%
enttäuschend: Aktienfonds

e-fundresearch: Gibt es für Sie Vorbilder?

Meyer: Warren Buffet und Peter Lynch

Peter Lynchs Buch „One up on Wall Street“ zu lesen war sicherlich die lukrativste Investition, die ich je getätigt habe. Buffet ist als Investor noch weit selektiver: er hat wenige, sehr konzentrierte Bestände und kann auf das Management seiner Firmen direkt Einfluss nehmen. Das ist mit Aktienfondsmanagement nicht ganz vergleichbar. Seine Grundprinzipien bei der Investmentselektion sollten aber zeitlos gültig sein.

e-fundresearch: Was motiviert Sie als Fondsmanager in Ihrem Job?

Meyer: Es gibt zwei Motivationsquellen:
1.) Neugierde und der Spaß am unabhängigen Denken
2.) der Erfolg, der sich zwangsläufig einstellt, wenn die eigenen Ideen aufgehen.

e-fundresearch: Was wollen Sie noch erreichen bzw. was sind Ihre weiteren Ziele als Fondsmanager?

Meyer: Der Weg ist das Ziel: So wie jeder Förster sich freut, wenn sein Wald wächst freue ich mich, wenn mein betreutes Vermögen steigt.

e-fundresearch: Welchen Beruf würden Sie gerne ausüben, wenn Sie nicht Fondsmanager wären?

Meyer: Also zunächst mal: meine erste Aktie hatte ich vor zwanzig Jahren gekauft und es fällt mir seitdem so leicht, an der Börse Geld zu vermehren, dass es töricht wäre, irgend etwas anderes zu tun.
Physik hatte ich übrigens aus Interesse und Neugier studiert: Und dort gäbe es auch weiterhin viel zu entdecken. Unsere heutigen Naturgesetzte sind seit 100 Jahren bekannt, wir wissen, dass sie unzureichend und teilweise widersprüchlich sind, und trotzdem ist es in diesen hundert Jahren niemandem gelungen, die endgültige Weltformel zu entdecken. Was lernen wir daraus: Es ist viel leichter, mit Aktien erfolgreich zu sein, denn als Wissenschaftler.

e-fundresearch: Herzlichen Dank für das Interview!

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