Doch ich frage mich, was das alles im Ernstfall wert ist.
Es ist schön und gut, wenn ein Investor weiß, womit die im ETF enthaltenen Derivate besichert sind. Aber was nutzt ihm diese Information, solange der Fonds die Besicherung bei einem Ausfalles seines Kontrahenten nicht direkt verwerten kann? Für die meisten ETFs gilt, dass die Kontrahenten ihre Sicherheiten als Pfänder an die ETFs abtreten. Nur in wenigen Fällen liegen die Sicherheiten auf Sperrkonten, die auf die Namen der ETF-Anbieter lauten. Aber nur bei solchen Sperrkonten haben die Fonds bei einem Ausfällen ihrer Kontrahenten direkten Zugriff auf die Sicherheiten. Andernfalls müssen sie auf die Freigabe warten, was sich hinziehen kann.
Was passiert, wenn die Abwicklung der Insolvenz eines Kontrahenten länger dauert als erwartet? Und wenn die Wertentwicklung des hinterlegten Pfandes in dieser Zeit ganz anders verläuft als die des Index, den der ETF abbildet? Das ist nicht unwahrscheinlich: Schließlich können Aktienfonds mit festverzinslichen Wertpapieren besichert sein und Rentenfonds mit Aktien. Die Mehrheit der ETF-Anbieter könnte nun argumentieren, dass die Leihgeschäfte und Derivate in ihren Produkten mit mehr Sicherheiten hinterlegt seien, als der Index wert ist. Doch bei einer gegenläufigen Wertentwicklung von Index und Sicherheiten wäre dieses Polster möglicherweise schnell aufgebraucht - während der ETF-Anbieter darauf wartet, dass er auf den Pfand zugreifen darf.
Gut ist in diesem Zusammenhang, dass immer mehr ETF Anbieter beginnen, die Sicherheiten für die Derivate in ihren Fonds allgemein zugänglich zu veröffentlichen. Dadurch können Investoren die angesprochenen Risiken in der Regel selbst einschätzen. Da es allerdings einen erheblichen Unterschied macht, wo und in welcher Form sich die Sicherheiten befinden, sollten die ETF-Anbieter dieses am Besten gleich mit ausweisen.
Bei der ganzen Diskussion um Transparenz- und Sicherheit bei ETFs sollte man nicht vergessen: Die entsprechenden Standards in der Branche sind schon sehr hoch. Ebenso gilt es zu bedenken, dass die Produktanbieter in jedem Fall im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben arbeiten. Daher sind meiner Ansicht nach die Aufsichtsbehörden gefordert, um durch neue Regeln die Komplexität innerhalb der Produkte zu reduzieren. Anhand solcher Regeln wäre es dann auch möglich, die Produktrisiken unterschiedlicher Fondskategorien, wie zum Beispiel von ETFs und aktiv gemanagten Fonds, miteinander zu vergleichen.
Um nicht immer nur über die Transparenz von ETFs zu sprechen, möchte ich auch mal ein klares Wort an den Rest der Fondsindustrie senden: Es ist nicht verwerflich, wenn ein aktiver Manager alle Instrumente und Möglichkeiten der Kapitalmärkte nutzt. Im Gegenteil: Genau das erwarten die Investoren von ihm. Daher sollten die Fondsmanager offen darüber sprechen, wenn sie zum Beispiel Wertpapiere verleihen. Die entsprechenden Transaktionen in kryptischen Zahlenkolonnen in den Rechenschaftsberichten zu verstecken, halte ich für falsch.
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Über den Autor Detlef Glow, MBA (UoW):
Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 war er dort Leiter der Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Herbst 2010 ist Herr Glow Head of Lipper EMEA Research und damit Head of Lipper EMEA Research. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.
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