BLOG - Die jüngste Kritik an ETFs ist nicht gerechtfertigt

Blasen Analysten und Medien weltweit zum Angriff auf börsennotierte Indexfonds (ETFs)? Wer in den vergangenen Wochen die internationale Berichterstattung zu ETFs verfolgt hat, könnte das glauben. Meiner Meinung nach messen die Autoren dieser Beiträge ETFs und andere Fonds jedoch häufig mit zweierlei Maß: Funds | 20.10.2010 18:34 Uhr
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Sie kritisieren bei ETFs Dinge, über die bei aktiv gemanagten Fonds niemand spricht.

Tatsächliche und selbst ernannte Experten in den USA diskutierten vor kurzem über einen möglichen Zusammenbruch von ETFs, falls es zu viele Short-Wetten auf diese Produkte gebe. Grundlage dafür war der Aufsatz "Can an ETF collapse" des Analysehauses Bogan Associates vom 15. September 2010. Die Autoren schrieben: Übersteige das Volumen der Short-Wetten das der vom Anbieter ausgegebenen Fondsanteile, und die Short-Seller müssten sich irgendwann mit Fondsanteilen eindecken, seien möglicherweise nicht genug Anteile dafür da. Oder noch extremer: Wenn plötzlich alle Anleger ihr Geld aus diesem ETF abzögen, seien plötzlich gar keine Stücke mehr für die Short-Investoren da, um sich einzudecken.

Dieses Szenario beruht auf einer völlig falschen Annahme: dass ETF-Anteile - wie Aktien - nur in begrenztem Maße verfügbar sind. Tatsächlich können bestimmte Market Maker aber täglich Anteile schaffen und wieder auflösen. Zudem regelt der Verkaufsprospekt des erwähnten ETFs, dass ein Anleger, der seine ETF-Anteile an einen anderen Marktteilnehmer ausgeliehen hat, diese nicht an den Anbieter zurückgeben kann. Zudem können ETF-Anbieter die Rücknahme von Anteilen bei Liquiditätsengpässen jederzeit aussetzen. Trotzdem nahm der britische Fernsehsender CNBC die Diskussion dankbar auf und verstärkte sie, ebenso einige ETF-Internetseiten.

Währenddessen beklagte sich das deutsche "manager magazin" in einem Beitrag vom 1. Oktober 2010 darüber, dass ETFs die Stimmrechte ihrer Aktien nicht wahrnehmen würden. Und es bemängelte, dass das Fehlen aktiver Investoren die Bildung fairer Preise an den Wertpapiermärkten erschwere.

Der Autor hat insofern recht, als dass ETF-Anbieter ihre Stimmrechte in der Regel nicht wahrnehmen. Aber leider vergisst er zu erwähnen, dass das auch für viele aktive Fondsmanager gilt. Aus meiner Erfahrung nutzen nur die wenigsten aktiven Manager ihre Stimmrechte auf den Hauptversammlungen. Somit betrifft das Problem alle Vermögensverwalter, was der Bericht außer Acht lässt. Das erinnert mich an die unsägliche Diskussion um den Einsatz von Swaps in ETFs. Dabei wurden diese Derivate in börsengehandelten Indexfonds verteufelt. Dass Swaps in aktiven Fonds schon seit langem erfolgreich genutzt wurden, erwähnte dagegen kaum jemand.

Zudem weist das "manager magazin" darauf hin, dass die Zunahme des passiven Managements und der Verzicht auf Einzeltitelresearch Ineffizienzen an den Kapitalmärkten begünstigen könnten. Dieses Argument ist zwar interessant, aber nicht neu: Die US-Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz und Sanford Grossmann haben schon im Jahr 1980 einen vielbeachteten Aufsatz zu diesem Thema geschrieben. Außerdem sollte man bedenken, dass in ETFs momentan nur ein Bruchteil des Vermögens investiert ist, das in aktiv gemanagten Fonds steckt. In Europa sind es weniger als fünf Prozent. Angesichts dessen erscheint mir die Diskussion übertrieben.

Es ist normal, dass die kritische Berichterstattung zunimmt, je länger ein Produkt auf dem Markt ist. Häufig hat das damit zu tun, dass der Markt die Produkte mit der Zeit besser verstehen und beurteilen kann. Die genannten Beispiele zeigen jedoch, dass das nicht immer so ist. Niemand sollte Berichte und Studien einfach so hinnehmen, sondern mit gesundem Menschenverstand beurteilen. Zudem empfiehlt es sich, die Absichten der Autoren hinterfragen, um sich vor falschen Aussagen zu schützen.

(Aufsatz von Bogan Associates; Artikel aus dem "manager magazin")


Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Thomson Reuters.


Über den Autor Detlef Glow, MBA (UoW):

Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 war er dort Leiter der Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Herbst 2010 ist Herr Glow Head of Lipper EMEA Research und damit Head of Lipper EMEA Research. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.


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