In zwölf Jahren könnte das Gastgeberland der aktuellen Fußball-WM, Südafrika, Österreich beim Abhängigkeitsquotienten (Relation zwischen erwerbsfähigen und wirtschaftlich abhängigen Personen) überholen.
Afrikas Bevölkerungsprognosen bieten Aussicht auf wirtschaftlichen Aufschwung. „Aus demographischer Perspektive haben die afrikanischen Staaten in den kommenden Jahrzehnten die historische Chance, die Armut zu besiegen – sofern die richtigen Maßnahmen ergriffen werden“, fasst Martin Bruckner, Vorstandsmitglied der Allianz Gruppe in Österreich, die Ergebnisse des aktuellen „Allianz Demographic Pulse“ zusammen.
Abhängigkeitsquotient: in Industrieländern steigend, in Afrika sinkend
Dabei rückt vor allem ein Indikator ins Blickfeld: der Abhängigkeitsquotient. Dieser bezeichnet das Verhältnis der wirtschaftlich abhängigen Altersgruppen (Personen unter 15 bzw. über 65 Jahren) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Je niedriger die Quote, desto besser sind die Aussichten für das Wirtschaftswachstum. Während die Industriestaaten seit dem neuen Jahrtausend steigende Werte aufweisen, zeigt der Trend bei den afrikanischen Ländern in die entgegengesetzte Richtung. Diese Entwicklung lässt sich auch im Vergleich zwischen Österreich und Südafrika zeigen: Aktuell liegt der Abhängigkeitsquotient in Österreich bei 47,7 Prozent, in Südafrika bei 53,6 Prozent. Im Jahr 2023 wird Südafrika Österreich erstmals überholen – bis 2050 wird sich dieser Trend beschleunigen, wobei der Indikator für Österreich bei 76,7 Prozent und jener für Südafrika bei 47,9 Prozent liegen wird. „Die Zahlen machen eines deutlich: Während in den Industriestaaten vor allem die staatlichen Pensionssysteme unter Druck kommen werden, sind in einer Reihe afrikanischer Länder die demographischen Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Aufholprozess vorhanden, sogar eine Entwicklung im Stile der einstigen ‚asiatischen Tigerstaaten’ Taiwan oder Südkorea erscheint möglich“, erklärt Bruckner.
„Bildungs- statt Pillenknick“ in Afrika
Basis für diese demographischen Entwicklungen seien insbesondere Investitionen in Bildungsprogramme für Frauen, so die Allianz Studie. Denn je höher das Ausbildungsniveau der Frauen, desto niedriger ist die Geburtenrate. In Südafrika, wo rund 90 Prozent der Frauen lesen und schreiben können, liegt die Geburtenrate bei 2,5 Kindern, während sie im Tschad, wo immer noch rund 80 Prozent der Frauen Analphabeten sind, bei 6,3 Kindern liegt. Sinken die Geburtenraten einer zuvor sehr kinderreichen Gesellschaft, so wächst in den folgenden Jahrzehnten der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung. Der „produktive Teil“ der Gesellschaft muss so deutlich weniger wirtschaftlich Abhängige versorgen.
Multiplikator für nachhaltigen Wohlstand
Bildungsprogramme für Frauen wirken sich nicht nur auf Geburtenraten, sondern auch auf das Wirtschaftswachstum positiv aus: Vergleicht man die Wirtschaftskraft der einzelnen afrikanischen Länder mit den jeweiligen Geburtenraten, ergibt sich folgender Zusammenhang: Je höher das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, desto niedriger die durchschnittliche Geburtenrate. Während die meisten der zentralafrikanischen Länder, in denen das Bruttoinlandsprodukt weniger als 1.000 US Dollar pro Kopf beträgt, Geburtenraten von mehr als fünf Kindern pro Frau verzeichnen, liegen sie in den nord- und südafrikanischen Ländern wie Ägypten, Algerien, Marokko, Botswana und Südafrika unter drei Kindern. Dieser Zusammenhang zwischen Geburtenrate und Wirtschaftskraft besteht jedoch nicht nur in Entwicklungsländern: Reiche Länder wie die Schweiz, Deutschland oder Japan haben eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit – Österreich liegt mit einer Geburtenrate von 1,38 weltweit auf Rang 18, beim BIP pro Kopf von 45.090 US-Dollar auf Rang 11. Laut Allianz Demographic Pulse bestehe zwischen den beiden Größen ein eindeutiger kausaler Zusammenhang, das Sinken der Geburtenrate folge der positiven Wirtschaftsentwicklung häufig mit zeitlicher Verzögerung.
Vor dem Hintergrund dieser positiven Entwicklungen geht unter anderem auch die UN davon aus, dass der rückläufige Trend bei den Geburtenraten in Afrika anhält. Darüber hinaus sind dafür aber auch natürlich mehr politische Stabilität und eine Fortsetzung des wirtschaftspolitischen Reformkurses notwendig. „Die westlichen Länder haben allen Grund, die Anstrengungen in Afrika nach Kräften zu unterstützen. Denn ein prosperierendes Afrika kann entscheidend dazu beitragen, die Effekte einer alternden Gesellschaft im globalen Maßstab zu dämpfen. Afrika verdient in unserem eigenen Interesse unsere volle Aufmerksamkeit, nicht nur, wenn dort Fußball gespielt wird“, so Bruckner abschließend.