Im Gespräch mit Michael Hasenstab: Marktveränderungen und Herausforderungen

Michael Hasenstab, CIO von Templeton Global Macro, nimmt Sie im Podcast „Talking Markets“ mit auf Weltreise. Er erläutert, wie sich die derzeitigen Herausforderungen an den Märkten bewältigen lassen. Themen sind dabei die jüngsten Kursschwankungen, die Inflationsgefahren in den Vereinigten Staaten, die bevorstehenden Wahlen in Südamerika, potenzielle Spannungsfelder in Europa und das Kreditrisiko in China. Franklin Templeton | 01.03.2018 10:10 Uhr
Dr. Michael Hasenstab, Chief Investment Officer, Templeton Global Macro / ©  Franklin Templeton
Dr. Michael Hasenstab, Chief Investment Officer, Templeton Global Macro / © Franklin Templeton
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Hier der Podcast zum Nachlesen:

Kommen wir gleich zur Sache: In den USA ist derzeit einiges in Bewegung. Und von ihrem Team weiß ich, dass Sie nach wie vor die ungebrochen solide Dynamik in der US-Wirtschaft betonen. Wie ist Ihr Ausblick?

Michael Hasenstab: Ich denke, in den letzten Monaten gab es einige bedeutende Veränderungen in der US-Politik, die das ohnehin schon kräftige Wachstum weiter beschleunigen dürften. Die wichtigste ist wohl die Deregulierung, die von der aktuellen US-Regierung und dem Kongress vehement vorangetrieben wird. Wahrscheinlich hat die bisherige Regulierung die Investitionstätigkeit massiv gebremst und dazu beigetragen, dass seit der globalen Finanzkrise umfangreiche Investitionen ausgeblieben sind. Viele Sektoren, von Finanzen bis hin zum Gesundheitswesen und vielen mehr, leiden unter einer erdrückenden Regulierungslast. Aus meiner Sicht wird daher von der Deregulierung ein deutlicher Wachstumsimpuls ausgehen. Zudem kam sie zeitgleich mit den Steuersenkungen in den USA und der Rückführung von Kapital aus dem Ausland. All das ist wohl hinreichend bekannt und eindeutig zu begrüßen. Berücksichtigt man neben Deregulierung und Steuerreform auch noch die brummende Wirtschaft, ergibt sich meines Erachtens eindeutig ein recht optimistischer Wachstumsausblick für 2018.

Können Sie uns etwas Näheres über die Steuerreform sagen? Wie sehr hat sie Ihre Einschätzung zur US-Wirtschaft verändert?

Michael Hasenstab:  Ich denke, sie hat unter anderem das Defizit in die Höhe getrieben. Denn zur Finanzierung der Steuersenkungen müssen wir pro Jahr zusätzlich 200 Mrd. USD aufnehmen. Theoretisch ist die Reform in 10 Jahren einkommensneutral, aber wir alle wissen, dass das eine Art Rechentrick ist und das Defizit auf kurze Sicht eindeutig steigen wird. Gleichzeitig ist die US-Notenbank Fed fest entschlossen, das Defizit nicht durch das quantitative Lockerungsprogramm zu finanzieren und hat sich entsprechend geäußert. In Zukunft will sie die Erträge fällig werdender Anleihen nicht mehr in vollem Umfang in neue Papiere anlegen. Obwohl der Ausstieg schrittweise erfolgen wird, ist er fest beschlossen. Das Defizit steigt also und die Fed, die bislang 25 % unseres Defizits finanziert, wird sich aus dem Markt zurückziehen. Das wird vermutlich deutliche Spuren am Markt für Staatsanleihen hinterlassen. Zudem gibt es Anzeichen für eine langsame Beschleunigung der Inflation. Die Lage am Arbeitsmarkt ist extrem angespannt und wird durch die einwanderungsfeindliche Politik der Regierung weiter verschärft. All diese Aspekte kommen zusammen, wenn sich das Wachstum beschleunigt. Die Inflation wird dadurch zulegen und die Renditen von Staatsanleihen werden zwangsläufig steigen.

Ich würde gerne verschiedene Themen beleuchten. Bevor wir aber ins Detail gehen, will ich festhalten, dass die Marktschwankungen für einige Nervosität gesorgt haben. Gibt es irgendwelche neuen Erkenntnisse, die Sie dazu veranlassen würden, Ihre Einschätzung zur Wirtschaft zu überdenken?

Michael Hasenstab: Nein. Zum einen bewegt sich das Ausmaß der Volatilität und des Ausverkaufs am Aktienmarkt wohl wirklich nicht auf einem Niveau, das Auswirkungen auf die reale Wirtschaft hätte. Davon sind wir meiner Meinung nach weit entfernt. Abgesehen von den wichtigsten Aktienmärkten waren auch keine Effekte auf sämtliche riskante Anlagen zu erkennen. Bislang treten diese Faktoren nur vereinzelt auf und sind recht überschaubar. Die jüngsten Entwicklungen sind daher meines Erachtens kein Grund zur Panik. Allerdings deuten sie meiner Ansicht nach darauf hin, dass sich bei börsengehandelten Fonds gerade eine hohe Verschuldung aufbaut, deren Ausmaß noch völlig im Dunkeln liegt. Wir können zwar Schätzungen durchführen. Problematisch wird es aber, wenn die Volatilität einsetzt oder die Renditen steigen. Denn das sind Bedingungen, die wir bislang nicht hatten. Die Annahmen von niedrigen Renditen und geringer Volatilität sind daher Ausgangspunkt für viel Selbstgefälligkeit und diverse Finanztechniken. Und wenn diese sich in Wohlgefallen auflösen, wissen wir nicht, was das auslösen wird. Und genau in dieser Unsicherheit liegt eine der Gefahren, die die Fed mit ihrer expansiven Geldpolitik aus meiner Sicht heraufbeschworen hat. Wir wissen zwar nicht genau, wie die Dominosteine letztendlich fallen werden, aber wir wissen, dass der Auslöser wahrscheinlich höhere Zinsen sein werden.

Werfen wir doch einen kurzen Blick auf die Politik der US-Notenbank Fed. Wie Sie bereits erwähnt haben rechnen Sie damit, dass auf diese lockere Geldpolitik Zinserhöhungen folgen werden, die zum Teil auf den Inflationsanstieg zurückzuführen sind. Können Sie ihre Prognose zur Politik der Fed etwas weiter ausführen?

Michael Hasenstab: Ich glaube nicht, dass sich unter dem neuen Notenbankchef viel ändern wird. Die größten Veränderungen dürfte es im Bereich der Regulierung geben. Denn die Fed ist für die Bankenregulierung zuständig, und die wird vermutlich gelockert werden. Die schrittweisen Zinserhöhungen werden kaum nennenswerte Veränderungen bewirken. Einige stimmberechtigte Mitglieder sind zwar nach dem Rotationsprinzip ausgeschieden, sodass die US-Notenbank wahrscheinlich etwas aggressivere Töne anschlagen wird als bisher. Dennoch sind die Mitglieder des Fed-Vorstands bis auf Weiteres eindeutig Verfechter einer expansiven Politik.

Sie haben erwähnt, dass verschiedene Faktoren die Inflation anheizen werden.

Michael Hasenstab: Vor allem wird das meines Erachtens der Arbeitsmarkt sein. Wir haben Vollbeschäftigung und die Arbeitsmarktdaten werden immer besser, was sich langsam in einem Lohnanstieg niederschlägt. Die Unternehmen in den USA wollen mehr Mitarbeiter einstellen als sie finden können. Daher werden sie letztlich Fachkräfte abwerben und höhere Löhne zahlen müssen. Gleichzeitig sorgen die USA selbst für eine Verknappung des Arbeitskräfteangebots. Mit ihrer extrem einwanderungsfeindlichen Politik lenkt die US-Regierung die Angebotskurve in die falsche Richtung. In den USA herrscht ohnehin Vollbeschäftigung und der Lohndruck ist langsam deutlich spürbar. Und zusätzlich wird auch noch ein großes Stück des Arbeitskräfteangebots einfach aussortiert. Dabei ist die Rechnung ganz einfach. Die Inflation wird weiter steigen.

Ihr Team hat das Bilanzmanagement genauer unter die Lupe genommen. Gibt es neue Erkenntnisse, wie sich das in der derzeitigen Situation auswirken wird?

Michael Hasenstab: Dazu möchte ich einfach den recht wichtigen Fakt betonen, dass die Fed unsere Defizite nicht mehr länger finanzieren wird. Geschieht das in einer Phase mit robustem Wachstum und ohne Überraschungen bei der Inflation, könnten die Zinsen allmählich nach oben angepasst werden. Aber wir wissen nicht genau, wie sich die Lage entwickeln wird. Es ist jedoch eine wichtige Veränderung, die aber von den Märkten meiner Meinung nach nicht ausreichend berücksichtigt wird. Abgesehen davon, dass die Fed als Käufer entfällt, bedeuten die Rückführungen von Kapital wohl oft, dass umfangreiche Barmittel in Anleihen investiert waren, die nun veräußert werden, um das Kapital zurückzuholen. Anschließend wird es entweder in die Einstellung von Mitarbeitern, in Dividendenausschüttungen oder in Aktienrückkäufe fließen. Dass dies nebenbei ebenfalls positive Auswirkungen auf den Anleihemarkt haben wird, ist wohl unwahrscheinlich. Und damit haben wir einen weiteren technischen Faktor, der sich verändert hat.

Wie könnte der Markt für US-Schatzanleihen wohl nächstes bzw. in den kommenden Jahren aussehen, vor allem mit Blick auf die US-Renditekurve?

Michael Hasenstab: Ich denke, dass der Treasury-Markt zwangsläufig weiter steigen wird. Sehen Sie sich an, wo zum Beispiel die Rendite zehnjähriger Treasuries bei 3 % Wachstum, 2 % Inflation und bei einer Normalisierung der Käuferbasis liegt. Das heißt, ohne jene Käufer, für die der Preis keine Rolle spielt, wie etwa die chinesische Zentralbank oder die Ölexporteure, die ihre Petro-Dollars wiederanlegen müssen, oder die US-Notenbank Fed mit ihrer quantitativen Lockerung. Wenn sie alle wegfallen und stattdessen durch preisbewusste Käufer wie Banken, Versicherungen und Investoren wie uns ersetzt werden, erzielen zehnjährige Treasuries bei 3 % Wachstum und 2 % Inflation in der Regel eine Rendite von 5 %. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber vor drei Monaten, als wir von einer Annäherung an eine Renditemarke von 3 % sprachen, herrschte große Skepsis am Markt. Und sehen Sie, wie schnell wir dieses Niveau erreicht haben. Entsprechend wird es nicht lange dauern, bis die Rendite dreißigjähriger Treasuries sich auf 4 % zubewegt.

Die Entwicklung des Dollar scheint unberechenbar und die US-Währung hat an Wert verloren. Warum?

Michael Hasenstab: Das ist sehr ungewöhnlich. Jedes beliebige Wirtschaftsmodell würde bei einer Beschleunigung des Wachstums in den USA, einem Inflationsanstieg und Zinserhöhungen auf eine Aufwertung des Dollar hinweisen, vor allem gegenüber den anderen G10-Ländern. Aber das ist aktuell nicht der Fall. In den letzten 10 Jahren haben wir vielmehr einen gewissen Gummiband-Effekt: Makroökonomische Entwicklungen sollten einen bestimmten Preis bewirken. Aber der Markt ist verzerrt und verhält sich kurzfristig nicht rational. Das Resultat ist diese Abweichung. Die Stimmung beim Euro war äußerst optimistisch und widersprach nicht den Entwicklungen beim Wachstum in der Eurozone, wo sich einige Wachstumszahlen verbesserten. 2018 dürfte die wahre Wachstumsüberraschung jedoch aus den USA kommen, wo es zahlreiche Veränderungen bei Steuern und Regulierung gibt. Ich gehe davon aus, dass die USA deutlich stärker als Japan und deutlich stärker als Europa wachsen werden. Die Zinsunterschiede vergrößern sich bereits, und das dürfte der US-Währung nach oben verhelfen.

Die Wachstums- und Zinsunterschiede werden also dem Dollar zu einer Aufwertung gegenüber den Währungen anderer Industrieländer verhelfen. Beeinflussen daneben derzeit auch noch andere Faktoren die wichtigsten Währungen?

Michael Hasenstab: Für mich war in diesem Zusammenhang der Optimismus, der spekulative Optimismus in Bezug auf den Euro, wohl der wichtigste Treiber. Auch Japan hat sich meines Erachtens nicht so entwickelt wie angesichts eines günstigen globalen Wachstumsumfelds zu erwarten gewesen wäre. Es besteht kein Bedarf an einer sicheren Anlage wie dem Yen, sodass dieser sich definitiv sehr atypisch entwickelt hat. Schwellenländer haben sich etwas besser entwickelt und dürften gut auf eine stärkere US-Wirtschaft, eine robustere Weltwirtschaft und die Belebung des Handels reagieren. Ich denke, es ist kaum überraschend, dass einige Schwellenländerwährungen zumindest in gewisser Weise unterstützt werden.

Lassen Sie mich etwas näher auf Europa eingehen. Ihr Team hat vor Kurzem seine Sorgen über das politische Risiko in Europa unterstrichen. Der Euro tendiert offensichtlich etwas fester. Wie ist Ihr Ausblick und was bereitet Ihnen Sorgen?

Michael Hasenstab: Meines Erachtens verschlechtert sich die politische Dynamik weiter. Der Markt trägt ihnen bislang jedoch nicht wirklich Rechnung. Aber vor allem in Mitteleuropa, beispielsweise in Polen, Ungarn und Tschechien, gibt es neue, stark populistische Trends. In einem Umfeld soliden Wachstums ohne externe Schocks wirken sich die Spannungsfelder vielleicht nicht dramatisch auf die Politik aus. Wir befürchten jedoch, dass Nationalismus und Populismus zunehmen werden. Wenn Europa sich dann einigen müsste, um Ungleichgewichte oder italienische Schuldenfragen zu regeln, wäre dies nicht mehr möglich. Solange das Wachstum intakt und bei riskanten Anlagen alles im Lot ist, werden diese Spannungsfelder vermutlich keine übermäßig kritische Größe werden. Sobald jedoch ein Schock von außen oder innen eintritt, werden die Spannungsfelder deutlich zutage treten und eine koordinierte Politik nahezu unmöglich machen.

Die (Europäische Zentralbank) EZB scheint jedoch, möglicherweise vor allem im Wirtschaftsbereich, eine gewisse Normalisierung zu signalisieren.

Michael Hasenstab: Die Wirtschaft in der Eurozone entwickelt sich meiner Ansicht nach weitgehend solide. Aber noch einmal: Entscheidend für das Verhältnis zwischen Euro und Dollar sind das relative Wachstum und die relativen Zinsen zwischen beiden Regionen. Bei den Zinsen wird die EZB möglicherweise nachziehen, am Markt sind die europäischen Währungshüter jedoch nach wie vor präsent, während die Fed bald komplett außen vor sein wird. Das dürfte die Renditen in Europa in gewisser Weise nach oben begrenzen und die Zinsunterschiede vergrößern, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Währung.

Und nun zum Yen. Wie Sie bereits erläutert haben, braucht Japan dringend einen schwachen Yen, um weiter ein gewisses Wachstum und eine gewisse Inflation zu erzielen. Daher tanzt die japanische Währung in letzter Zeit etwas aus der Reihe…

Michael Hasenstab: Ja. Aber wir dürfen wohl auch nicht vergessen, dass die Zinsunterschiede zwischen Japan und den USA wahrscheinlich der Haupttreiber für den Wechselkurs sind. Außerdem dürfte für Kontinuität gesorgt sein, da entweder Haruhiko Kuroda selbst die japanische Notenbank BOJ weiterführen wird oder ein ähnlicher Nachfolger. Die Zentralbank verfolgt eine sehr expansive Politik, und Premierminister Shinzo Abe braucht diese lockere Haltung. Wenn sie das quantitative Lockerungsprogramm etwas verändert oder ihr Renditeziel für zehnjährige Anleihen leicht verschiebt, wird sich das kaum auswirken. Im Großen und Ganzen werden die Renditen nahe null liegen, während die US-Renditen steigen werden. Darauf dürfte es letztlich hinauslaufen. Unsere Einschätzung zum Yen würden wir ändern, wenn wir beobachten würden, dass dieser Wachstumszyklus endet und eine globale Krise oder eine große Rezession droht. Dann wäre die Gleichung eine andere. Der Yen entwickelt sich in Phasen von Risikoscheu häufig relativ gut. 2018 ist ein Ende dieses Zyklus aber wohl noch nicht in Sicht.

 Die Wechselkurse waren Gegenstand zahlreicher Äußerungen aus der Politik. Mitunter wurden auch Sorgen über das erneute Aufflammen von Währungskriegen geäußert, die die Marktbedingungen gefährden könnten. Was halten Sie von diesen aktuellen Äußerungen?

Michael Hasenstab: Die Tage in Davos waren für die verantwortlichen Politiker sicher nicht leicht. Es gab zahlreiche Währungsdiskussionen und es ist eine Art unausgesprochenes Gesetz, dass ein Finanzminister sich nicht in dieser Weise daran beteiligen würde. Dies war immer wieder Thema. Ich gehe davon aus, dass Handelsspannungen und deren implizite Auswirkungen auf Währungen eine Zeit lang im Mittelpunkt stehen werden. Es gibt bereits erste Strafzölle auf einige chinesische Exporte, die teilweise sicherlich gedumpt sind. Unter anderem bei Solarpaneelen, wo das Dumping ein ungeheuerliches Ausmaß erreicht hat. Daher haben wir es meines Erachtens nicht einfach mit einer generell handelsfeindlichen Politik zu tun, sondern zum Teil mit echten Verstößen. Die Trump-Administration hebt sie jedoch hervor, weil sie der Ansicht ist, dass die Freihandelsabkommen für die Vereinigten Staaten nicht gut sind und sie diese daher teilweise aufkündigen werden. Der Handel wird dadurch kaum zum Erliegen kommen, aber sicher wird es sich auf die Preise von Waren niederschlagen. Alle Verbraucher profitieren von billigen Waren. Statt der Verbraucher wird aber nun vielleicht ein enger Kreis von Herstellern profitieren, die in den USA produzieren. Und dadurch steigen die Preise. Das ist eine weitere Inflationsentwicklung, die wir ebenfalls deutlich hervorheben.

 Lassen Sie uns das Thema Handel näher beleuchten. Die Sorgen über einen vollständigen Ausstieg der USA aus dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA, das durch ein deutlich weniger günstiges Handelsabkommen in Nordamerika abgelöst werden soll, sind wieder aufgeflammt. Ich weiß, dass sich Ihr Team dazu recht deutlich geäußert hat. Wie lautet Ihre Meinung dazu?

Michael Hasenstab: Wenn das NAFTA-Abkommen beendet wird, ist die Welthandelsorganisation WTO am Zug. Der Handel wird nicht zum Erliegen kommen. Einige Sektoren werden dies zwar etwas schmerzhaft zu spüren bekommen, aber es wird nicht das Ende des Handels zwischen den USA, Mexiko und Kanada bedeuten. Schlimmstenfalls werden sie das Abkommen über Bord werfen, sich an die WTO wenden und weiter handeln. Ein großer Teil des Handels findet außerhalb des NAFTA-Systems statt. Deshalb halte ich die Sorgen für etwas übertrieben. Sicher ist ein Ausstieg für einen Handelsplatz wie Mexiko von Nachteil. Am Markt ist das aber wohl bereits eingepreist. Angesichts der kräftigen Wechselkursbewegungen liegen wir irgendwo in der Mitte zwischen 18 und 19 Peso pro Dollar, also weit entfernt vom beizulegenden Zeitwert. Das zeigt nach meiner Meinung, dass der Faktor bereits eingepreist ist. Höchstwahrscheinlich wird man überrascht feststellen, dass sich gar nicht so viel verändert und sogar eine Aufwertung möglich ist.

Bei den Währungen insgesamt sehen Sie also keine große Gefahr von Handelskriegen oder einer größeren Eskalation im Rahmen einer gewissen handelsfeindlichen Rhetorik, die der Weltwirtschaft ernsthafte Probleme bereiten könnte?

Michael Hasenstab: Mit China könnte es echte Probleme geben. Es ist eine Sache, wenn die USA versucht, seine Nachbarn Kanada und Mexiko vorzuführen. David gegen Goliath. Beide Nachbarländer können da nur wenig ausrichten. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn die USA eine derart aggressive Haltung gegenüber China an den Tag legen. Das ist wohl eines der Risiken, die wir überwachen müssen. Sollte es einen auf Vergeltung ausgerichteten Handelskrieg mit China geben, könnte das die Weltwirtschaft gefährden. Ich glaube nicht, dass dies unmittelbar bevorsteht, aber wir sollten die Sache nicht aus dem Blick lassen.

Sie behalten dieses Risikoszenario also im Auge. Interessant. Schwellenländerwährungen tendieren angesichts der potenziellen Zinserhöhungen in den USA deutlich nach oben. Wie ist die allgemeine Dynamik in den Schwellenländern?

Michael Hasenstab: Ich denke, in diesen Ländern gab es vor allem im Aktiensegment extrem kräftige Mittelzuflüsse, von denen die Währungen dieser Länder profitiert haben. Das Interesse an Schwellenländeraktien ist immens, was angesichts der soliden Wachstumsdynamik und der vergleichsweise günstigen Bewertungen verständlich ist. Das ist ein bedeutender Faktor. Außerdem verfügen viele dieser Länder über einen relativen Renditevorteil, der kaum zu erreichen ist. Die Renditen in Indien und Indonesien liegen beispielsweise bei fast 7 %, in Argentinien über 20 % und sogar in Mexiko über 7 %. Der Renditevorsprung ist also ebenfalls recht groß. Es fließt also nicht nur Kapital in Aktien, sondern auch in Anleihen. Gleichzeitig haben viele dieser Länder ihre Leistungsbilanzdefizite reduziert und verzeichnen entweder Überschüsse oder nur begrenzte Defizite. Die Haushaltsbilanzen sind wesentlich solider, sodass ein Großteil der für die Devisenbewertung maßgeblichen Dynamik in vielen Schwellenländern, aber nicht in allen, recht positiv scheint.

Ich denke, dass die Spekulationen über wesentlich schnellere Zinserhöhungen durch die Fed und die Fortsetzung des Ausverkaufs bei US-Staatsanleihen bei vielen Anlegern die Furcht wecken, dass dies den Schwellenländern ernsthafte Gegenwinde bereiten könnte. Gibt es bestimmte Sektoren, die anfälliger sind? Oder wie wirkt sich das aus?

Michael Hasenstab: Ich denke, es wird zwei Kategorien geben: Zum einen Schwellenländerwährungen mit niedrigen Renditen, die extrem empfindlich reagieren könnten. Und Währungen von Schwellenländern mit großen strukturellen Ungleichgewichten oder Schwächen, wie etwa die Türkei, die ebenfalls sehr anfällig sein könnten. Auf der anderen Seite haben wir Länder mit einem Leistungsbilanzüberschuss oder sehr hohen Renditen. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Anstieg der Rendite zehnjähriger Treasuries wirklich viel an den zugrunde liegenden Fundamentaldaten ändern wird, da der Renditevorsprung ohnehin so massiv ist. Selbst wenn die Fed die Zinsen um 100 oder 200 Basispunkte erhöht, wird es in der Handvoll Märkte, die wir identifiziert haben, einen recht positiven Carryeffekt geben. Dieser wird bei einigen Ländern wie Südkorea jedoch verlorengehen, die dadurch anfälliger werden.

Ich weiß auch, dass Sie ganz konkrete Vorstellung davon haben, welche EM-Hochzinsmärkte für Sie attraktiv sind. Es geht also nicht allein um den Carry. Wie differenzieren Sie also sonst?

Michael Hasenstab: Wir halten Ausschau nach Reformkandidaten. Es ist wenig überraschend, aber wenn Sie sich vergegenwärtigen, in welchen Ländern wir unser Engagement ausgeweitet haben, werden Sie feststellen, dass wir bei vielen Ländern mit positiven Veränderungen in der Führung und positiven Entwicklungen der gesellschaftlichen Dynamik oder bei Umweltthemen rechnen. Im Gegenzug haben wir uns aus Ländern, bei denen wir die größten Einschnitte im Bereich ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) erwarten, stärker zurückgezogen. Ein Faktor, mit dem wir uns bereits befasst haben, und den wir jetzt bemessen und herausstellen wollen, ist die politische Führung und die gesellschaftliche Stabilität. Nehmen wir ein Land wie Argentinien, wo der Trend in Richtung eines konservativeren Führungsstils und geringerer Manipulation der Märkte geht und in dem es außerdem einen großen gesellschaftlichen Zusammenhalt und Zustimmung zu diesem Prozess gibt. Dieses Land wird es wahrscheinlich gut verkraften, wenn die Fed die Zinsen um 200 Basispunkte anhebt. Länder wie Polen, die ihre Zentralbanken zur Finanzierung staatlicher Defizite nutzen, die extrem populistisch geworden sind und bei denen der Staat die Kontrolle über die Gerichtsbarkeit übernommen hat, werden vermutlich empfindlicher auf destabilisierende Faktoren reagieren. Möglicherweise werden Zinserhöhungen Korrekturen am Finanzmarkt auslösen. Wir wissen nicht, was der Auslöser sein wird, aber wenn man auf wackligen Füßen steht, ist man anfälliger. Daher denke ich, dass es derzeit von entscheidender Bedeutung ist, den Governance-Aspekt der ESG-Kriterien im Auge zu behalten.

Bevor ich mich mit einigen speziellen Governance-Themen in einzelnen Ländern befasse, möchte ich noch kurz auf eine Ihrer vorigen Äußerungen eingehen. Sie haben erwähnt, wie gut sich die Schwellenländer entwickelt haben und dass es nicht zu einem Ausverkauf gekommen ist. Eine große Verkaufswelle bei riskanten Anlagen angesichts dieses Ausverkaufs an den US-Aktienmärkten ist ausgeblieben. Was ist der Grund dafür und befürchten Sie, dass es angesichts der Zinserhöhungen durch die Fed weltweit systemische Risiken geben könnte?

Michael Hasenstab: Es hat schon einen kleinen Ausverkauf gegeben, aber wie schon gesagt, haben sich die Märkte dennoch recht erfreulich entwickelt. Wir wissen vermutlich gar nicht, was diese Geldflut bei den Anleihepreisen angerichtet hat, oder welche Negativeffekte sie hat. Eine unausweichliche Folge bzw. Korrektur liegt auf der Hand: Ein großer Teil der riskanten Anleihemärkte und Spread-Sektoren, vor allem in gewissen Bereichen des Anleiheuniversums, ist überteuert. Es wäre nicht verwunderlich, wenn ein Renditeanstieg hier für eine gewisse Korrektur sorgen würde. Wenn dies in der aktuellen Phase des Aufschwungs passiert, dürften die Auswirkungen nicht wirklich katastrophal sein. Wenn die Anpassung durch die Fed zu lange auf sich warten lässt und erfolgt, wenn das Wachstum sich schon wieder abkühlt oder die Inflation hoch ist, haben wir ein größeres Problem. Die Wachstumsaussichten sind wirklich positiv und die Fed kann sie in den nächsten 6 bis 9 Monate nutzen, um jetzt die unausweichlichen Anpassungen vorzunehmen. Es wäre jedoch besser, wenn dies im aktuellen Klima geschehen würde, statt abzuwarten, bis sich das Wachstum möglicherweise wieder abkühlt, die Inflation steigt, man sich über die zögerliche Haltung der Währungshüter zu wundern beginnt und diese riskanten Anlagen noch höher bewertet werden. Denn dann könnte ein systemisches Risiko entstehen. Ich denke aber, dass noch ein Zeitfenster für diese Anpassung vorhanden ist.

Und das gilt für die US-Unternehmensanleihemärkte ebenso wie für die Schwellenmärkte.

Michael Hasenstab: Nun, das hängt davon ab. In den Schwellenländern müssen wir wohl die auf Dollar lautenden Hartwährungsanleihen ausklammern, die meines Erachtens extrem teuer sind. Die Lokalwährungsanleihen werden jedoch nach wie vor zu günstigen Bewertungen gehandelt. Wir haben es also mit zwei getrennten Anlageklassen zu tun.

Ich würde jetzt gerne auf einige spezielle Governance-Fragen in einzelnen Ländern eingehen. Sie haben, wie ich erfahren habe, wohl gerade zusammen mit Ihrem Team eine Research-Tour durch Lateinamerika absolviert. Fangen wir an mit Mexiko. Wir haben bereits über die Dynamiken im Handel gesprochen und darüber, dass sie möglicherweise vom Markt überbewertet werden. Macht sich Ihr Team Sorgen über die politischen Entwicklungen in Mexiko?

Michael Hasenstab: Wir haben lange versucht, AMLO (Andreas Manuel Lopez Obrador), seine Partei und seine Plattform zu verstehen.

Können Sie mir verraten, wer AMLO ist?

Michael Hasenstab: Für Prognosen ist es noch etwas früh, aber in den Umfragen liegt er vorn und wird voraussichtlich der nächste Präsident von Mexiko. Die Wahlen liegen noch in weiter Ferne und der Wahlkampf hat noch nicht richtig begonnen. Aber es ist ein recht wahrscheinliches Szenario. AMLO ist eindeutig ein populistischer Mitte-links-Kandidat. Aber als er in Mexiko Stadt regierte, waren die Finanzen unter sorgfältiger Kontrolle, und er führte die Regierungsgeschäfte sehr erfolgreich. Seine Partei ist im Vergleich zu früher mehr in die Mitte gerückt. Daher müssen wir die Entwicklungen wohl weiter aufmerksam beobachten und brauchen nähere Einzelheiten über das politische Programm, das er im Falle seiner Wahl zum Präsidenten verkünden würde, bevor wir uns definitiv festlegen. Ein weiterer Vorteil Mexikos liegt in der Stärke seiner Institutionen. Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist sehr solide. Daher gibt es vermutlich gegenseitige Kontrollen und Einrichtungen, die ein Präsident nicht einfach abbauen oder übernehmen kann. Genau wie in einigen anderen Ländern waren diese Institutionen früher etwas schwächer. In der Vergangenheit, so etwa vor der Amtsübernahme durch Mauricio Macri in Argentinien, nutzte der Präsident die Zentralbank hauptsächlich als Spardose. Das wäre in Mexiko unmöglich, da dieser Schutz in der Verfassung stärker verankert ist.

Ansonsten haben wir es in Lateinamerika nach wie vor mit anhaltenden politischen Herausforderungen in Brasilien zu tun. Wie ist Ihr Ausblick?

Michael Hasenstab: Die Wahrscheinlichkeit, dass Präsident Lula für das Präsidentenamt kandidieren wird, sinkt. Gegen ihn wurde ein Berufungsverfahren eröffnet, aber die Revision wurde noch nicht angenommen. Vor der Präsidentschaftswahl könnte daher noch viel passieren. Lula ist zwar noch nicht ganz aus dem Rennen, aber seine Situation wird immer schwieriger. Wenn er seine Kandidatur zurückzieht, müssen wir uns mit einer Reihe anderer Kandidaten befassen, die bislang kaum beachtet wurden. Aus welcher Ecke sie kommen werden, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Aber allgemein verfolgen diese Kandidaten der zweiten Reihe eher eine konservativ geprägte Politik. Mit Sicherheit wird keiner von ihnen einen politischen Kurs nach dem Vorbild etwa von Präsidentin Dilma Rousseff einschlagen. Lula kommt dem wahrscheinlich relativ nahe. Dennoch ist zu beachten, dass die Politik in seiner ersten Amtszeit angemessen konservativ war und sich erst später verschlechtert hat. Daher gibt es wohl durchaus ermutigende Schritte. Aber bis zur Wahl ist noch einiges zu tun.

Sie haben Argentinien bereits erwähnt und stufen die langfristigen Reformaussichten für das Land optimistisch ein. Gibt es Neues dazu?

Michael Hasenstab: Die kurzfristigen Aussicht beurteile ich optimistisch. Das Land hat eine extrem schwierige und unbeliebte Rentenreform verabschiedet, bei der viel politisches Kapital verspielt wurde. Präsident Macri war aber meines Erachtens extrem klug, dieses politische Kapital zwei Jahre vor der nächsten Wahl einzusetzen. Denn so bleibt ihm genug Zeit, um es wieder aufzubauen. In den nächsten Jahren dürfte es nicht um diese wichtige Rentenreform, sondern um unbedeutende Reformen gehen. Das Ziel wird sein, alle Vorschriften und administrativen Probleme abzubauen, die durch jahrzehntelange Misswirtschaft entstanden sind und sie einfach zu beseitigen, damit die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt. Ich denke, dass viel getan werden kann und der Präsident eine ausgezeichnete Mannschaft hat. Ich begrüße die gute Agenda, die auf einer Art politischem Realismus basiert. Daneben haben er und seine Partei bis zur letzten Zwischenwahl viele erforderliche Maßnahmen gut gemeistert, was dem Präsidenten und seiner Regierungsmannschaft eine breite Unterstützung eingebracht hat.

Das scheint ein gutes Beispiel für die These Ihres Teams zu sein, wonach Lateinamerika einen anderen Weg einschlägt und aus dem Populismus gelernt hat. Gibt es andere Länder oder Themen, die Sie auf Ihrer Reise beobachtet haben?

Michael Hasenstab: Wir waren auch in Kolumbien, wo Wahlen anstehen. Und abgesehen von einem sehr unbeliebten Kandidaten, sind alle anderen Kandidaten Mitte-links oder Mitte-rechts, sodass kaum mit einem gravierenden politischen Kurswechsel zu rechnen ist. Daher wird das Land vermutlich unter einer recht konservativen Führung bleiben. Bei dem Friedensabkommen mit der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) dürfte es auch weiter auf und ab gehen. Insgesamt befinden wir uns jedoch wohl in einer Phase, in der das Land im Laufe der Zeit langsam eine Friedensdividende beschert. Die Schwierigkeiten sind zwar noch nicht überwunden, aber die Entwicklungen gehen in die richtige Richtung. Viele Investitionen in die Infrastruktur verlaufen planmäßig, sind finanziert und dürften zu einer Öffnung des Landes führen, die meines Erachtens weitreichende Folgen haben wird. Ich halte das für eine weitere positive oder neutrale politische Entwicklung.

Ich weiß, dass Sie bei unserer Weltreise gewisse Bedenken über die Entwicklungen in Südafrika geäußert haben. Eine Frage zum möglichen Rücktritt von Präsident Jacob Zuma. Würde das den Weg für eine positivere Bewertung der Regierung ebnen?

Michael Hasenstab: Das bleibt abzuwarten. Eine unserer Sorgen galt dem Umstand, dass die amtierende Regierung andere Institutionen wirklich geschwächt hat, zum Beispiel das Finanzministerium oder die Zentralbank. Und es gibt meiner Ansicht nach massive Bestrebungen von Zuma oder anderen Mitgliedern seiner Partei, diese Institutionen zu übernehmen und zu politisieren. In jedem anderen Land, in dem Derartiges geschehen ist, hat dies in der Regel Defizite und Inflation in die Höhe getrieben und einfach nur Probleme verursacht. Daher muss meiner Meinung nach mehr geschehen als nur ein personeller Wechsel. Wir brauchen einen echten umfassenden Wechsel an der Spitze, um zu einer positiveren Bewertung zu gelangen. Daher hoffen wir und warten auf weitere notwendige Veränderungen.

Also keine automatische, plötzliche Kehrtwende nur wegen eines potenziellen Wechsels an der Spitze. Gut. Wenden wir uns nun Asien zu. Sie haben bereits erwähnt, dass ein potenzieller Handelskonflikt zwischen den USA und China droht. Ihr Team besitzt langjährige und fundierte Erfahrungen mit China und Ostasien. Wie schätzen Sie die Kreditentwicklungen in China ein? Außerdem interessiert mich Ihr Gesamtausblick.

Michael Hasenstab: Unsere Bedenken zu China sind ähnlich wie bei Europa. Solange das Wachstum intakt ist und externe Schocks ausbleiben, kann China weiter wachsen und es gibt kein Kreditproblem. Heikel wird es unseres Erachtens, wenn ein großer Schock von außen kommt. In China ist das Kreditvolumen so hoch, dass es derzeit unwahrscheinlich ist, dass die Kreditvergabe genügend ausgeweitet werden könnte, um das Wachstum anzukurbeln und eine Rezession zu vermeiden. Das liegt in der Natur der Sache. Schließlich geht das Land zu einer marktbasierten Wirtschaft über, und da gehören Rezessionsphasen dazu. Sie dürften niemanden überraschen, wenngleich es seit Langem keine Rezession gegeben hat. Das Risiko eines Schocks ist meines Erachtens noch nicht in Sicht. Da wir es mit einem geschlossenen System zu tun haben, wurden erstmal die Kapitalkonten gesperrt. Alle großen Banken befinden sich in staatlichem Besitz. Daher ist eine Kreditkrise, wie wir sie in Skandinavien oder in den USA erlebt haben, also eine typische Bankenkrise, kaum vorstellbar. Bei einem bloßen Blick auf die Kreditzahlen oder das BIP würde man denken, „jetzt ist die Krise da“. Der Unterschied ist aber, dass wir es mit einem in sich geschlossenen System zu tun haben. Wäre China eine kleine, offene Volkswirtschaft mit solchen Zahlen, wäre das Land extrem anfällig. Hier fällt es sich jedoch anders. Denn das Land ist insofern anfällig, als es im Falle eines Schocks nur begrenzt in der Lage ist, antizyklische Maßnahmen zu ergreifen.

Und nun zu Ostasien. Wie ist Ihr Ausblick zum Won und zu südkoreanische Staatsanleihen?

Michael Hasenstab: Im Währungssegment haben wir uns bereits seit einiger Zeit aus Südkorea zurückgezogen. Ich fürchte, dass Korea etwas empfindlich auf Zinserhöhungen reagieren wird, da das Land voraussichtlich in eine negative Renditedifferenz zu den Vereinigten Staaten rutschen wird. Der relativ hohe Leistungsbilanzüberschuss stützt zwar die Währung, aber die Rendite könnte ins Minus drehen. Außerdem mache ich mir langfristig Sorgen über die Wettbewerbsfähigkeit von Korea gegenüber China. In vielen Bereichen, in denen Korea erfolgreich ist, holt China auf, vor allem bei Handys und Halbleitern. Daher droht wohl eine längerfristige Verschärfung des Wettbewerbs, die Korea vor Herausforderungen stellen wird und sich in einem Rückgang des Wechselkurses niederschlagen könnte, sofern das Land seine Wettbewerbsfähigkeit nicht aufrechterhalten kann. Mittelfristig steht Korea zwar keine unmittelbare Krise bevor, aber es gibt eben auch kein größeres Wertpotenzial.

Ich weiß, dass sie in Indien und Indonesien größeres Wertpotenzial sehen. Welche aktuellen Informationen haben Sie über diese beiden Länder?

Michael Hasenstab: In Indien sind die Renditen leicht gestiegen. Die von Regierungschef Modi durchgesetzten Reformen und die Unterstützung seiner Politik durch weite Teile der Bevölkerung in einer ausreichenden Zahl von Staaten haben den Weg für einen Anstieg des Wachstums über mehrere Jahre geebnet. Auf kurze Sicht bremsen das Insolvenzgesetz, der Schuldenabbau bei Banken, die Mehrwertsteuer und geänderte Steuervorschriften das Wachstum. Aber für all diese Maßnahmen gibt es gute Gründe. Wir blicken also über die kommenden 12 Monate mit dem möglicherweise gebremsten Wachstum hinaus und haben die längerfristigen Vorteile im Blick. Die Vereinheitlichung der Steuergesetze wird den Handel erleichtern und das Insolvenzgesetz war nötig, um insolvente Unternehmen loszuwerden. Außerdem bauen die staatlichen Banken ihre Schulden ab. All diese Maßnahmen waren erforderlich, werden das Wachstum aber kurzfristig unter Druck setzen.

Und was ist mit Indonesien?

Michael Hasenstab: Indonesien entwickelt sich meines Erachtens sehr konstant. Innerhalb des sehr kurzen Zeitraums hat sich kaum etwas verändert. Der politische Kurs ist unverändert und die Zentralbank sowie das Finanzministerium bleiben bei ihrer umsichtigen Politik. Das Land hält unbeirrt an seinem Defizitziel von 3 % fest und übertrifft es immer wieder. Trotz der weltweiten Volatilität verzeichnet das Land ein robustes Wachstum. Bislang blieb es sogar während der weltweiten Finanzkrise von einer Rezession verschont, weil es eine große Basis im Inland gibt.

Wie in jedem Land müssen wir beobachten, ob der Populismus auch hier überhand nimmt und sich auf die Politik auswirkt. Wird er in bestimmten Teilen der Bevölkerung zu einer Radikalisierung führen? Bislang scheint das noch nicht der Fall zu sein. Aber wir müssen es weiter beobachten.

Michael, ich entnehme Ihren Worten deutlichen Optimismus über die Wachstumsdynamik 2018, obwohl noch eine gewisse Volatilität vorhanden ist, da wir uns noch auf die Zinserhöhungen in den USA und möglicherweise leicht höhere Zinsen in anderen Industrieländern einstellen müssen. Einige Chancen in Schwellenländern beurteilen wir ebenfalls vorsichtig optimistisch. Außerdem haben Sie wie ich höre einige Spannungsfelder identifiziert, die sie eventuell mit Blick auf ihre langfristige Anlagethese überwachen. Welches Fazit ziehen Sie aus Ihrem Gesamtausblick für 2018?

Michael Hasenstab: Anfang 2018 profitieren wir sicher noch von einigen kräftigen Rückenwinden. Wie Sie sicher wissen, wird das Wachstumsklima für einige riskante Anlagen überaus günstig sein. Mit Blick auf die kommenden Jahre habe ich aber durchaus einige Bedenken. Wenn die Währungshüter Fehler machen und die Anpassungen nicht rechtzeitig vornehmen, sondern erst in einer späteren Phase des Zyklus, in der das Wachstum nicht mehr so stark ist, drohen reale Gefahren. China wäre dann möglicherweise nicht mehr so gut in der Lage, eine antizyklische Politik einzuschlagen und die Spannungsfelder in Europa könnten sich ausweiten. 

Vielen Dank für dieses Interview.

Michael Hasenstab: Vielen Dank!

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