Erste AM Fondsmanager kommentieren Situation in Brasilien

Am vergangenen Donnerstag ist belastendes Video- und Audiomaterial aufgetaucht, das unter anderem den amtierenden Präsidenten Michel Temer in Verbindung mit Schmiergeldzahlungen bringt. Die Vorwürfe stürzen Brasilien in eine schwere politische Krise, die Kapitalmärkte haben massiv an Wert verloren. Erste Asset Management | 22.05.2017 16:14 Uhr
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Temer folgte im August des Vorjahres interimistisch der abgesetzten Präsidentin Dilma Roussef und galt als Hoffnungsträger für einen Kurswechsel. Temer stellte sich der Presse und wies die Anschuldigungen vehement von sich und stellte klar, dass er nicht zurücktreten werde. Investoren hatten dem neuen Regierungsteam viel Vertrauen geschenkt, das durch diese Vorwürfe massiv erschüttert wird.

Die Antwort der Kapitalmärkte auf die Schmiergeldvorwürfe war massiv. Die Risikoprämien von brasilianischen Staatsanleihen verteuerten sich um bis zu 80 Basispunkte, der brasilianische Real büßte gegenüber dem US$ um 7,2% ein, die Aktien verloren um beinahe 9%. Unklar ist wie es mit Temer selbst weitergehen wird. Drei Varianten sind möglich: Rücktritt, Amtsenthebung oder die dritte Variante – bis zum Mandatsende 2018 – Durchmogeln.

Felix Dornaus: Senior Fondsmanager Schwellenländer Staatsanleihen

„Die nächsten Tage werden weiterhin sehr volatil sein. Ein Rücktritt Temers wäre aus jetziger Sicht die Option mit den geringsten Reibungsverlusten, eine Amtsenthebung die langwierigste und daher schlechteste für die Märkte. Die parlamentarische Arbeit an den für die wirtschaftliche Erholung wichtigsten Reformen (Pensions- und Gesundheitsreform), deren vorläufige Abstimmungen eigentlich in den letzten Wochen in den verschiedensten Gremien relativ erfolgreich waren, ist kurzfristig eingefroren oder zumindest schwer behindert. Der Markt befürchtet, dass ein Nicht-Zustandekommen oder verzögertes Zustandekommen dieser Reformen die dringend notwendige budgetäre Konsolidierung gefährdet und eventuell sogar wieder zu Rating-Downgrades führen könnte.“

Brasilianischer Real zum US-Dollar (- 5 Jahre; Stichtag 19.5.2017)

„Bisher war dieses Ereignis relativ isoliert, mit geringer bis keiner Ansteckung anderer Schwellenländerbörsen. Aus meiner Sicht wird sich daran nichts ändern, es ist ein rein brasilianisches Thema. Bei einer nachhaltigen wirtschaftlichen Verschlechterung Brasiliens würde als erstes Argentinien als Haupthandelspartner leiden. Meine Positionierung bleibt vorerst neutral.“

Peter Varga: Senior Fondsmanager Schwellenländer Unternehmensanleihen 

„Die Nachrichten über die Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Temer haben wie eine Bombe in die Märkte eingeschlagen, da Brasilien aufgrund von den geplanten, und jetzt eventuell verzögernden Reformen als „Liebling“ der Marktteilnehmern galt.

Brasilianische Unternehmensanleihen litten gleich, bzw. nicht ganz so stark wie die Staatsanleihen Brasiliens. Besonders auffällig war, dass staatliche oder staatsnahe Firmen wie Petrobras, BNDES (Förderbank) oder Banco do Brasil mehr verloren als privatwirtschaftliche Unternehmen, die von einer schwachen Währung sogar profitieren. Die Risikoaufschläge waren je nach Laufzeit und Emittent in etwa 15 bis 60 Basispunkte höher als am Vortag.

In Summe waren wir in unseren Fonds neutral gewichtet, bei unseren ESG-Fonds waren wir im Vergleich etwas weniger exponiert. Während der Korrektur haben wir leichte Umpositionierungen vorgenommen, bzw. Titel verkauft, die unseres Erachtens zu gering auf die Ereignisse reagiert haben.

Tendenziell werden wir bei günstigeren Bedingungen unsere Gewichtung in brasilianische Unternehmensanleihen weiter reduzieren. Die geplanten Reformen waren für einen möglichen Turnaround Brasiliens essentiell. Verzögern sich diese, dann könnte das Land erneut in eine nach unten gerichtete Spirale geraten. Eine geschwächte Konjunktur würde besonders Sektoren wie die Zement- und Stahlindustrie, Banken und Fleischindustrie stärker treffen. Weniger stark wären exportorientierte Unternehmen wie zum Beispiel aus der Papierindustrie betroffen.

Eine Ansteckungsgefahr anderer Schwellenländer schätze ich eher begrenzt ein, maximal über indirekte Effekte durch relative Bewertungen.“

Gabriela Tinti: Senior Fondsmanagerin Globale Schwellenländeraktien

„Aufgrund der jüngsten Ereignisse haben wir die Gewichtungen in brasilianischen Aktien reduziert. Vor dem Skandal zählte Brasilien zu den best-performenden Börsen weltweit. Derzeit halten wir in Brasilien in unserem globalen Schwellenländeraktienfonds nur mehr etwa 6,5%. Rein bewertungstechnisch steht die brasilianische Börse nicht schlecht da. So beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der erwarteten Unternehmensgewinne für 2017 lediglich 11,0. Zum Vergleich: die globalen Schwellenländerbörsen sind mit einem KGV von 15,0 – die Börsen der entwickelten Länder handeln derzeit sogar mit dem 21-fachen Gewinnfaktor.“

Brasilianische Aktienbörse (BOVESPA-Index – 5 Jahre; Stichtag 19.5.2017)

„Wir bevorzugen in unseren Fonds vorzugsweise Exportunternehmen mit einem hohen US-Dollar-Umsatz und substanzstarke Titel mit hohem Cash-Flow und hohen Dividendenrenditen.

Eine Ansteckungsgefahr anderer Schwellenländerbörsen schätze ich als gering ein: auch in Südkorea gab es aufgrund von Korruption ein Amtsenthebungsverfahren und dann Neuwahlen. Leider ist das Korruptionsthema besonders in den Schwellenländern ein wiederkehrendes Problem. In Summe könnte es aber dazu führen, dass die internationalen Investoren aufgrund der hohen Unsicherheiten gegenüber Brasilien vorsichtiger werden.“

Dominik Benedikt: Senior ESG-Analyst

„Gerade in Schwellenländern bringt die ESG- (oder Nachhaltigkeits-) Unternehmensanalyse einen Zusatzvorteil, da Governance-Risiken früher als bei traditionellen Analysemethoden erkannt werden, und im Idealfall sogar komplett vermieden werden können.

Brasilianische Unternehmen sind für diese Methode ein sehr gutes Beispiel, wo wir in den letzten Jahren mehrfach Erfolge vorweisen können. So wurde zum Beispiel die Firma JBS – der größte Fleischproduzent der Welt und Auslöser des neuesten Skandals um Präsident Temer – bereits seit Anfang 2016 aus unseren Nachhaltigkeitsfonds ausgeschlossen.

Ebenso hat unsere interne ESG-Analyse bereits 2014 die ausufernden Korruptionsrisken bei Petrobras und Odebrecht aufgezeigt. Beide Unternehmen waren zwei zentrale Akteuren in Brasiliens aktueller Krise. Dadurch dass wir hier nicht investiert waren konnten wir zum Beispiel im Fall der Anleihen der Firma Odebrecht Kursverluste von bis zu 69% vermeiden.“

Hinweis: Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für zukünftige Entwicklungen.

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