Brexit-Unsicherheit oder säkulare Stagnation?

Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management, wirft einen Blick auf das aktuelle Makroumfeld und das bevorstehende Brexit-Referendum: "Die Volatilität von Optionen (At-The-Money) mit einer einmonatigen Laufzeit des Wechselkurses vom Britischen Pfund zum Euro liegt bei 24%. Dieser Wert wurde zuletzt im Krisenjahr 2008 erreicht." Erste Asset Management | 20.06.2016 09:44 Uhr
Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management / ©  Erste Asset Management
Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management / © Erste Asset Management
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Risikoaverse Märkte 

Die klassischen Zustandsgrößen am Kapitalmarkt weisen auf ein ansteigendes Risiko hinsichtlich Wirtschaft und risikobehaftete Wertpapiere hin. Die Renditeaufschläge für das Kreditrisiko sind angestiegen, der Renditeunterschied zwischen den lang laufenden und kurz laufenden Staatsanleihen ist gesunken und die Volatilitäten sind angestiegen. Zudem sind die einpreisten Inflationsraten gefallen, haben sich der Japanische Yen und der Schweizer Franken gefestigt und ist der Goldpreis angestiegen. Insbesondere die gesunkenen Renditen von kreditsicheren Staatsanleihen erregen Aufmerksamkeit. Immerhin befindet sich die Rendite der deutschen Referenz-Staatsanleihe mit einer zehnjährigen Laufzeit aktuell bei minus drei Basispunkten.

Brexit-Unsicherheit

Vor allem ein Indikator befindet sich auf einem krisenhaften Niveau. Die Volatilität (At-The-Money) von Optionen mit einer einmonatigen Laufzeit des Wechselkurses vom Britischen Pfund zum Euro liegt bei 24%. Dieser Wert wurde zuletzt im Krisenjahr 2008 erreicht. Tatsächlich sind in den vergangene Tagen einige Umfragen zum Referendum im Vereinigten Königreich am 23. Juni veröffentlich worden, die die Befürworter für einen Austritt aus der Europäischen Union leicht in Führung sehen. Im Einklang damit sind die Renditeunterschiede zwischen den höher rentierenden Staatsanleihen im UK und jenen in Deutschland und in Japan gesunken, jener zwischen den Staatsanleihen in den USA und im UK hat sich ausgeweitet. Das deutet darauf hin, dass die Staatsanleihen im Vereinigten Königreich der Treiber für die Renditerückgänge sind.

Vorsichtiges Verhalten der Fed

Nicht nur die Kapitalmärkte werden vom bevorstehenden Brexit-Referendum beeinflusst. Die Vorsitzende des US-amerikanischen Zentralbankensystems Janet Yellen hat im Rahmen der Sitzung des Offenmarktausschusses das Brexit-Referendum als eines der Themen in der Entscheidungsfindung angegeben. Die Bandbreite für den Leitzinssatz wurde wenig überraschend unverändert bei 0,25% – 0,50% belassen.

Gefallene Leitzinsprojektionen

Es gibt jedoch auch andere wichtige Entwicklungen abseits von der Brexit-Unsicherheit. Beim Ausblick für den Leitzinssatz hat eine größere Revision stattgefunden. Die Projektion für den Leitzinssatz für Ende 2016 blieb unverändert bei 0,9%, jene für die Jahre 2017 und 2018 wurden von 1,9% auf 1,6% beziehungsweise von 3,0% auf 2,4% nach unten genommen. Auch die Schätzung für den durchschnittlichen Leitzinssatz wurde reduziert (von 3,3% auf 3,0%). Die Fed zeigt damit weiterhin die Bereitschaft an, den Leitzinssatz anzuheben, wenn es das Umfeld erlaubt. Immerhin wurden die Schätzungen für das Wirtschaftswachstum etwas reduziert und für die Inflation etwas angehoben. Die Daten implizieren, dass Vollbeschäftigung erreicht ist und sich die Produktivität nicht so kräftig verbessern wird wie zuletzt angenommen.

Gefallene Inflationserwartungen

Die Hürden für Leitzinsanhebungen haben allerdings abermals zugenommen. Der wichtigste Satz in der Presseaussendung der Fed war, dass nur noch die meisten Umfragen für die langfristigen Inflationserwartungen unverändert waren. Dahinter steckt wahrscheinlich der letzte Woche veröffentliche Bericht der University of Michigan, wonach im Juni die langfristigen Inflationserwartungen der Konsumenten auf ein Allzeittief von 2,3% gefallen sind. Fest verankerte Inflationserwartungen sind eine wichtige Voraussetzung für die Vermeidung eines Japan-Szenarios.

Schlussfolgerung 

Die Märkte „fürchten“ einen negativen Shock für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte im Fall einer Mehrheit für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Die Unsicherheitsprämie drückt die Renditen von kreditrisikolosen Staatsanleihen nach unten und dämpft die risikobehafteten Wertpapierklassen. Im Fall eines Verbleibs (Bremain) wird diese Prämie etwas sinken und die risikobehafteten Wertpapierklassen zulasten der kreditsicheren Staatsanleihen unterstützen.

Abseits der Brexit-Thematik gibt es Entwicklungen, die für anhaltend niedrige Zins- und Renditeniveaus sprechen. Die Marktkurse stehen immer mehr im Einklang sowohl mit der sogenannten Liquiditätsfalle, in der es auf einem niedrigen Zinsniveau keinen Unterschied zwischen dem Geld- und dem (kreditsicheren) Kapitalmarkt gibt sowie dem Szenario „säkulare Stagnation“, das negative reale Zinsen voraussetzt, damit die Wirtschaft wächst.

Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management

Hinweis: Dieser Beitrag ist auch im Blog der Erste Asset Management verfügbar.

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.