"Der Vorschlag kommt zum richtigen Zeitpunkt - angesichts der auf 5,2 Millionen gestiegenen Arbeitslosenzahl und der daher gesunkenen Popularität der Sozialdemokratischen Partei", sagt Meena Shah, Investmentstrategin bei Henderson Global Investors in London.
"Dies dürfte das Umfeld für deutsche Unternehmen verbessern und dazu beitragen, dass sie nicht ins Ausland abwandern," meint Shah. Auf diese Weise würden die Unternehmen hier zu Lande Arbeitsplätze schaffen können, anstatt noch weitere abzubauen. Im vergangenen Jahr habe es vor allem im Unternehmenssektor Umstrukturierungen gegeben. "Es ist gut, dass die Regierung nun Schritte unternimmt, um zu diesem Restrukturierungsprozess beizutragen - doch dies muss noch sehr viel weiter gehen", fordert die Investmentstrategin. Insgesamt sei die vorgeschlagene Steuersenkung daher eher symbolisch zu werten. Als potenzielle Nutznießer sieht sie Unternehmen, die den Hauptanteil ihres Ergebnisses in Deutschland erwirtschaften, sowie hochprofitable Gesellschaften.
"Der Druck, die Körperschaftsteuer zu senken, ist auf die vergleichsweise niedrigen Steuersätze in den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurückzuführen", urteilt Shah. Der durchschnittliche Steuersatz im neuen Europa sei 16 Prozent im Vergleich zu 30 Prozent in der Eurozone. Die Steuerbelastung für deutsche Unternehmen sei die höchste in Europa. Zudem hätten viele der neuen Mitgliedstaaten ihre Steuersätze deutlich reduziert, beispielsweise habe Estland seinen Satz in den letzten zwei Jahren von 26 Prozent auf 15 Prozent gesenkt.
Wie die Investmentstrategin vorrechnet, wird ein Rückgang des Körperschaftsteuersatzes von 25 Prozent auf 19 Prozent die gesamte Steuerbelastung für die deutschen Unternehmen von 38,70 Prozent auf 32,70 Prozent senken. "Bei einem Unternehmen, das sich ausschließlich auf den deutschen Markt konzentriert, wird der Gewinn je Aktie um etwa 7,5 bis 8 Prozent steigen", sagt Shah. Allerdings könnten die von der Regierung geplanten Refinanzierungsmaßnahmen die potenziellen Gewinne begrenzen. Dabei spielt die Investmentstrategin unter anderem auf die angedachte Einschränkung des Verlustvortrags an.
Sie betont allerdings, dass die großen börsennotierten Unternehmen hier zu Lande ohnehin über ausländische Tochtergesellschaften verfügten und die Spielräume zur Senkung der Steuerlast nutzten, die sich über die Gestaltung von Transferpreisen ergeben. "Daher wird die Senkung der Körperschaftsteuer für die großen deutschen Unternehmen ohnehin keine große Bedeutung haben", meint Shah. Um dies zu verdeutlichen, verweist sie auf Daten der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD), wonach der die Summe der Körperschaftsteuerbeträge in Deutschland im Jahr 2002 lediglich ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte; der europäische Durchschnitt liegt bei 3,4 Prozent.
Auch mit Blick auf den Wettbewerb der Volkswirtschaften hält Shah die Auswirkungen einer Senkung des Körperschaftsteuersatzes für gering: Zwar würde die Bundesrepublik dann gegenüber Frankreich, Italien, den Niederlanden und Spanien wettbewerbsfähiger. Doch der deutsche Körperschaftsteuersatz wäre dann immer noch deutlich höher als in den neuen EU-Mitgliedsländern. Dies könnte den Abzug ausländischer Direktinvestitionen aus Deutschland etwas einschränken. "Doch diese Abflüsse sind ohnehin größtenteils auf die niedrigeren Lohnkosten in den neuen EU-Mitgliedstaaten zurückzuführen", erklärt Shah.
Über die Person: Meena Shah ist seit 2004 Investment Strategist bei Henderson Global Investors in London. Sie war zuvor seit 2001 als Consultant der Global Strategy Unit bei Dresdner Kleinwort Wasserstein tätig. Shah verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Investmentbereich. Sie hat bei renommierten internationalen Adressen wie Merrill Lynch, WorldInvest, Friends Ivory & Sime, Abu Dhabi Investment Authority und H.M. Treasury gearbeitet.