Glen Finegan zur steigenden Bedeutung der Nachhaltigkeitsanalyse

Das Janus Henderson Global Emerging Market Equities Team verfolgt bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit den gleichen Ansatz wie bei der Prüfung anderer Aspekte eines Unternehmens. Dabei wird jeder Stein umgedreht, statt einfach nur Listen abzuhaken. In diesem Beitrag erläutert das Team, warum das Erzielen langfristiger Anlageerträge naturgemäß auch immer bedeutet, in Nachhaltigkeit zu investieren. Janus Henderson Investors | 23.11.2018 11:23 Uhr
Glen Finegan, Leiter Global Emerging Equities Team, Janus Henderson / © Janus Henderson Investors
Glen Finegan, Leiter Global Emerging Equities Team, Janus Henderson / © Janus Henderson Investors
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Als langfristig orientierte Anleger sind wir Treuhänder des Vermögens, das unsere Kunden uns anvertraut haben. Die damit verbundene Verantwortung verstehen wir in einem ganzheitlichen Sinn. Anlagerenditen und Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen, kurz ESG für Environmental, Social and Governance, sind nicht voneinander zu trennen – sie sind eng miteinander verflochten. Ein Unternehmen, das seine Kunden übervorteilt, giftige Abfälle in Flüssen entsorgt oder eine fragwürdige Unternehmensführung hat, signalisiert damit, dass es sich nicht um seine Zukunft schert. Für seine Bewertung und sein langfristiges Renditepotenzial dürfte das nicht ohne Folgen bleiben. Haben Unternehmen nur die kurzfristige Steigerung ihrer Rendite im Blick, dürfen sie sich nicht wundern, wenn Kunden oder der Staat ihnen die rote Karte zeigen.  Aus diesem Grund tun wir uns schwer, wie in der Branche inzwischen üblich, unsere Strategien mit dem Etikett ESG zu schmücken. Denn Nachhaltigkeit ist ein untrennbarer Bestandteil unserer Anlagephilosophie und unseres Anlageprozesses.

Wie sieht es aus mit der Nachhaltigkeit?

Schon seit Jahrzehnten versuchen Anleger, mit ihrer Vermögensanlage auch einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Das Akronym „ESG“ tauchte jedoch erstmals 2005 in einer viel beachteten Studie mit dem Titel „Who Cares Wins“ auf. In Auftrag gegeben hatte sie der frühere UN-Generalsekretär Kofi Anan im Rahmen des UN Global Compact gemeinsam mit der International Finance Partnership und der Schweizer Regierung. Seitdem hat sich die Einstellung mit Blick auf die Bereitstellung ESG-bezogener Informationen durch Unternehmen grundlegend verändert.

Heute orientieren sich 80 Prozent der weltgrößten Unternehmen an den Standards der Global Reporting Initiative, kurz GRI-Standards, wie Forbes berichtet. Unternehmen aus Schwellenländern galten in dieser Hinsicht lange als rückständig, aber inzwischen hat sich auch bei ihnen einiges getan. Weil die Entwicklungsländer auf Kapital aus dem Ausland angewiesen sind, geben ihre Börsen bei Unternehmensführung und Berichterstattung die Richtung vor. Das belegt auch ein im Mai in der Financial Times erschienener Beitrag, demzufolge „von den 38 Börsen, die Leitlinien für das ESG-Reporting börsennotierter Unternehmen entwickelt haben, 22 aus Schwellenländern stammen. Als „Best Practice“-Beispiel wird zudem häufig der südafrikanische „King IV“-Kodex angeführt.“

Die natürliche Reaktion auf die Datenflut, ausgelöst durch die Verbreitung des ESG-Konzepts, besteht darin, zu quantifizieren, zu vereinfachen und zu vergleichen. Folglich gibt es heute zahlreiche Anbieter standardisierter ESG-Kennzahlen, die mithilfe von „Big Data“ versuchen, der Zahlenflut Herr zu werden. Solche Kennzahlen mögen durchaus nützlich sein. Wir ziehen es jedoch vor, uns bei der Nachhaltigkeitsanalyse weniger auf das „Was“ als vielmehr auf das „Warum“ zu konzentrieren.  Allein die Offenlegung einer ESG-Politik oder quantitativer Maßzahlen mindert noch kein Risiko. Dazu braucht es auch die passende Führungsstruktur und Unternehmenskultur. Über eine ESG-Politik lässt sich leicht reden, aber ihre Umsetzung ist um einiges schwieriger.

Nur weil etwas messbar ist, liefert es nicht zwangsläufig auch aussagekräftige Signale

 Welche Probleme auftreten, wenn man bei der Nachhaltigkeitsanalyse einen rein datenbasierten Ansatz verfolgt, zeigt ein Beispiel aus Russland. Derzeit haben wir keine russischen Unternehmen auf unserer Beobachtungsliste, da wir gegenwärtig schlicht und ergreifend keine von ausreichender Qualität finden. Das Geschäftsumfeld in einer Kleptokratie, wie wir sie heute in Russland vorfinden, stellt auch Minderheitsaktionäre vor große Herausforderungen. Und Bill Browders Buch „Red Notice“ stützt die Einschätzung, dass Minderheitsaktionäre wohl kaum auf nennenswerten Schutz durch das russische Justizsystem vertrauen können.

Vor diesem Hintergrund sollte man den jüngsten Verkauf einer 29-Prozent-Beteiligung an Magnit durch dessen Gründer Sergej Galizkij an die zweitgrößte Staatsbank Russlands, die VTB, sehen. Dabei sind die 29 Prozent nicht willkürlich, bleibt die VTB damit doch unter der Übernahmeschwelle von 30 Prozent, ab der sie allen Minderheitsaktionären wie gesetzlich vorgeschrieben ein Angebot hätte unterbreiten müssen. Nicht einmal drei Monate später gab VTB den Verkauf von 12 Prozent ihrer Magnit-Anteile an die Marathon Group bekannt. Pikant daran: Diese gehört Sergej Sacharow und Alexander Winokurow, dem Schwiegersohn des russischen Außenministers. Der nicht direkt zwischen den beiden privaten Parteien erfolgte Verkauf legt nahe, dass der russische Staat bei der Umverteilung einer umfangreichen Beteiligung an einem führenden Einzelhandelsunternehmen ein williger Helfer war. Transaktionen dieser Art lassen unseres Erachtens erheblich an den Corporate-Governance-Standards und dem Schutz von Minderheitsaktionären in Russland zweifeln.

Umso erstaunlicher, dass Russland 2018 im „Doing Business Ranking“ der Weltbank auf Platz 35 direkt hinter den Niederlanden, der Schweiz und Japan rangiert. Dafür gibt es einen einfachen Grund, denn das jährliche Ranking zur Geschäftsfreundlichkeit und Unternehmensregulierung von Ländern basiert nicht etwa auf einer qualitativen Bewertung anhand von Umfragen unter Unternehmen. Analysiert werden vielmehr Vorschriften und Gesetzesänderungen, wobei Pluspunkte für unternehmensfreundliche und Minuspunkte für unternehmensfeindliche Maßnahmen vergeben werden. Zum Bericht 2015 merkte die Financial Times in einem Kommentar dann auch zutreffend an, dass dieser „in vielerlei Hinsicht Länder mit demokratisch gewählter Regierung gegenüber autoritären Regimen benachteiligt, die Gesetze im Eilverfahren durch Parlamente drücken, deren Abgeordnete nur noch zum Abnicken da sind. Und offensichtlich ist bei diesen Gesetzen auch wichtiger, was in ihnen steht, als wie sie durchgesetzt werden.” Dieses Beispiel verdeutlicht, welche Risiken mit Analysen verbunden sind, die sich nahezu ausschließlich auf ein Punktesystem stützen.

„Grünfärberei“

An welche Grenzen ein Ansatz stößt, bei dem Nachhaltigkeitsanalysen ausschließlich auf einem Daten- und Scoring-System basieren, und welche Risiken er birgt, lässt sich an der ESG-Ratingindustrie ablesen. Mehr Daten können zu mehr Transparenz und einer besseren Bewertung dieser Risiken beitragen. Schlechten Managementteams können sie aber auch als Wall dienen, hinter dem sie sich verschanzen können. Auf dieses Problem weist der American Council for Capital Formation in einem Bericht mit dem bezeichnenden Titel „Ratings that don’t rate“ [Ratings, die keine sind] hin. „Generell werden bei ESG-Ratingsystemen Unternehmen belohnt, die viele Informationen offenlegen. Firmen mit seit Jahren schwachen ESG-Praktiken, aber umfassender Offenlegung, können bei diesen Ratings genauso gut oder besser abschneiden als ihre Wettbewerber, obwohl sie insgesamt mehr ESG-Risiken aufweisen.“ Hinter manch einer hohen Bewertung steckt nur ein gutes Marketing- und Offenlegungsprogramm statt echtes Bemühen um die Einhaltung von ESG- und Nachhaltigkeitskriterien. Grünfärberei, abgeleitet vom englischen „Greenwashing“, bezeichnet PR-, Marketing- oder Offenlegungsmethoden eines Unternehmens oder einer Organisation, mit denen man sich einen „grünen Anstrich“ gibt, ohne tatsächlich darauf hinzuarbeiten, negative ESG-Einflüsse zu minimieren. Greenwashing ist die Verkörperung des Goodhartschen Gesetzes, das besagt: „Wenn eine Maßnahme zum Selbstzweck wird, ist sie keine gute Maßnahme mehr.“

Der Wert des Dialogs

Managementteams zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Risiken für ihr Unternehmen – ob nun ausgehend von Wettbewerb, Branche, Gesellschaft oder Umwelt – kontinuierlich im Blick haben. Unser Dialog hat eine andere Art der Interaktion mit dem Management zur Folge  und hilft uns, dauerhafte, vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Denn die Firmenentscheider verstehen, dass unsere Interessen über den reinen Wertpapierhandel hinausgehen.

Wir streben einen direkten Austausch mit dem Führungsteam über alle Themen an, die unmittelbar unsere Beteiligung betreffen. Dies kann so ziemlich alles umfassen, angefangen von der Unternehmensstrategie, dem Kapitalmanagement und der Zusammensetzung des Aufsichtsrats bis hin zu Vergütung, Umweltauswirkungen und Reputationsrisiken. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass uns ein solcher Dialog hilft, unsere Anlagethesen zu untermauern. Er gibt uns darüber hinaus Einblick in die verschiedenen Sichtweisen eines Managementteams und in sein Verständnis von Risiko im weitesten Sinne. Neben einer soliden Unternehmensführung achten wir bei unseren Analysen besonders darauf, wie die Beziehungen eines Unternehmens zu den Gemeinden sind, in denen es aktiv ist, und wie es mit ökologischen Herausforderungen umgeht. Tendenziell unterschätzt der Markt, wie häufig aus solchen nicht finanziellen Risiken reale finanzielle Verluste werden – zumal in Schwellenländern mit unausgereiften rechtlichen und politischen Systemen.

Aktiv zuhören

Als aktive Anleger, für die langfristige Renditen im Fokus stehen, müssen wir verantwortungsvoll mit dem Kapital unserer Kunden umgehen. Es produktiv und verantwortlich anzulegen beinhaltet auch die Verpflichtung, bei Bedarf mit den Unternehmen in einen Dialog zu treten, Dinge kritisch zu hinterfragen und unseren Einfluss geltend zu machen. Aber wir müssen auch zuhören. Der Begriff „aktives Zuhören“ geht auf Carl Rogers und Richard Farson zurück, die ihn erstmals in einer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 1957, abgedruckt im Band „Communication in Business Today“, verwendeten. Darin schrieben sie: „Aktives Zuhören ist eine wichtige Methode, um Veränderungen bei Menschen herbeizuführen. Trotz der weit verbreiteten Vorstellung, dass Zuhören ein passiver Vorgang ist, zeigen klinische und wissenschaftliche Untersuchungen klar und deutlich, dass empathisches Zuhören eine der wirksamsten Methoden ist […] Veränderungen herbeizuführen.“

Wir halten es zudem für wichtig, dass wir bei der Kommunikation mit Managementteams und wenn wir die langfristigen Auswirkungen unserer Interaktionen bewerten, unseren Einfluss nicht überschätzen. Schließlich bekommen erstklassige Führungsteams angemessene Anreize, um ein Unternehmen langfristig in die richtige Richtung zu lenken.

Die Erfahrung mit Cairn Energy, einem unserer Portfoliounternehmen, liefert dafür ein gutes Beispiel. Cairn Energy hatte gemeinsam in einem Joint Venture mit Kosmos Energy an einem Explorationsblock vor der westafrikanischen Küste gearbeitet. Neben einheimischen Stämmen beanspruchte auch die marokkanische Regierung Rechte an dem Vorkommen. Wir waren daher skeptisch, ob die Öllagerstätte aufgrund der politischen Gegebenheiten jemals profitabel betrieben werden könnte. Angesichts der nicht unumstrittenen Einflussnahme Marokkos in der Region Westsahara standen wir im ständigen Dialog mit den Firmenentscheidern wegen des potenziellen Reputationsrisikos dieser Aktivitäten. Das Unternehmen hörte sich unsere Bedenken und die anderer an, die ihre Kritik lautstark zum Ausdruck brachten. Man versicherte uns, das Unternehmen werde die potenziellen Risiken und möglichen Chancen, die man in der Region sehe, sorgfältig abwägen. Im März gab Cairn Energy schließlich bekannt, dass es auf seine Rechte verzichte, da fraglich sei, ob der Wert des Vorkommens realisiert werden könne. Zudem verwies die Ölfirma auf mögliche Reputationsrisiken.

Bescheidenheit gefragt

Nun wäre es ein Leichtes zu behaupten, unser Engagement hätte zu diesem Ergebnis geführt - aber die Wahrheit ist wohl um einiges komplexer. Wir sind vermutlich nur eine von vielen Stimmen, die das Managementteam hört. Und wir sollten unseren Einfluss als Minderheitsaktionär nicht überschätzen. Deshalb ist es für unsere Investmentphilosophie und unseren Anlageansatz so wichtig, nach Unternehmen zu suchen, deren Interessenlage mit unserer übereinstimmt. Indem wir jedoch konsequent, reflektiert und fokussiert handeln, können wir Managementteams darin bestärken, nachhaltig und zum Wohle aller zu handeln. Unsere vierteljährliche Überprüfung des ESG-Engagements, die wir diesem Dokument beifügen, enthält in der letzten Spalte die Ergebnisse unserer Bemühungen. Diese eher schwarz-weiße Darstellung sollte im Sinne der obigen Ausführungen interpretiert werden.

Die Unterscheidung von ESG-Analysen und Anlagephilosophie bzw. -prozess halten wir für falsch. Denn letztlich sind all diese Faktoren unverzichtbarer Bestandteil einer qualitativen Beurteilung eines Unternehmens und dessen Nachhaltigkeit als Voraussetzung für künftigen Erfolg. Daher überrascht es wohl kaum, dass wir bei der Nachhaltigkeitsanalyse den gleichen Ansatz verfolgen wie bei der Prüfung anderer Aspekte eines Unternehmens. 

Glen Finegan, Leiter Global Emerging Equities Team, Janus Henderson


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