Um die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung abschätzen zu können, sollten Anleger bei der Umsetzung des Programms vor allem das delikate Gleichgewicht zwischen Schuldenabbau und der Lage am allesentscheidenden chinesischen Immobilienmarkt im Auge behalten.
Chinas Bedeutung in der Weltwirtschaft wird weiter wachsen. Im vergangenen Jahr etwa war das Land laut Bloomberg für ein Drittel des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich (2018: 18%).
Am chinesischen Immobilienmarkt sollten Anleger die Bedeutung der Wohnungsbaugesellschaften für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht unterschätzen. Diese Unternehmen kaufen den Lokalregierungen überall im Land Grundstücke ab und setzen große Bauprojekte um.
Die Lokalregierungen finanzieren mit den Einnahmen wiederum viele der großen Infrastruktur- und anderen Stadtentwicklungsprojekte, für die die chinesischen Provinzen so bekannt sind. Bisher haben die Entwickler ihre Akquisitionen durch die Emission von Schuldtiteln oder Cashflows aus ihrer Geschäftstätigkeit finanziert.
Über mehrere Jahre hat das Bauvolumen am chinesischen Immobilienmarkt deutlich zugelegt, die Preise sind gestiegen. Jetzt zieht die Regierung an mehreren Stellen die Schrauben an, um die Verschuldung im Land zu reduzieren und die Spekulation mit Immobilien einzudämmen. Gleichzeitig müssen Immobilienentwickler dringender als je zuvor expandieren. Durch Größe hoffen sie, in einem konsolidierenden Markt relevant zu bleiben.
Außerdem hat der chinesische Regulierer für die Emission von Unternehmensanleihen (NDRC) vor Kurzem eine unerwartet große Zahl an Quoten an die Entwickler vergeben – auch damit diese auslaufende Kredite im Inland bedienen können. Jetzt drängen immer mehr chinesische Unternehmen an die Offshore-Märkte, um über USD-Schuldverschreibungen ihr laufendes Geschäft zu finanzieren oder ihre Verbindlichkeiten im Inland zu refinanzieren.
Kommt die Korrektur?
Das Angebot an USD-Emissionen chinesischer Unternehmen steigt, gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach Schuldverschreibungen im Inland. Die meisten Anleihen chinesischer Immobilienentwickler finden Käufer in Asien. Wegen der starken chinesischen Währung, steigender Renditen auf Onshore-Anleihen und dem negativen Ausblick werden die jedoch vorsichtiger und schauen genauer hin. Die Preisspanne für Offshore-Transaktionen ist daher deutlich größer, als es die Zinskurve unter anderen Umständen erwarten ließe, außerdem sind die Laufzeiten kürzer.
Neben diesen technischen Faktoren (steigendes Angebot und sinkende Nachfrage nach chinesischen High Yield-Unternehmensanleihen) lassen scheinbar auch die Fundamentaldaten nach. Der eigentlich solide Immobilienmarkt kommt durch die restriktive Politik unter Druck, denn die Regierung deckelt Preise und schränkt die Hypothekenvergabe ebenso ein wie die Vergabe von Vorverkaufsrechten.
Aber genau wie in den USA ist der chinesische Immobilienmarkt von lokalen Entwicklungen abhängig, die rechtliche Lage und die Dynamik von Angebot und Nachfrage sind in jeder Stadt anders. Anleger sollten diese Umstände bei ihrer Analyse berücksichtigen.
Viele Entwickler gehen davon aus, dass die Regierung eine einschneidende Korrektur nicht zulassen wird, und treiben die Planung ihrer Projekte weiter voran. Für Anleger in China steigen so die Risiken.
Zusammengefasst: Schwache technische Daten lassen die Renditen auf chinesische Unternehmensanleihen steigen, gleichzeitig treiben chinesische Unternehmen ihre Schuldenquote in die Höhe, während ihre Fundamentaldaten nachlassen. Um einer Krise vorzubeugen, sollte die chinesische Regierung eine deutliche Korrektur im Immobiliensektor vermeiden und die Inlandsverschuldung reduzieren, ohne den Immobilienmarkt abzuwürgen – eine Gratwanderungen mit hohem Fehlerrisiko.