„Trotz allem halten wir an unserer Einschätzung fest, dass sowohl die Fundamentaldaten als auch die Bewertungen EM-Aktien in den nächsten sechs bis neun Monaten unterstützen werden. Kurs- und Bewertungsrückgänge bieten zusammen einige attraktive Gelegenheiten für den Wiedereinstieg“, sagt Love.
Konsolidierungstreiber US-Dollar und US-Konjunktur
Als maßgebliche Konsolidierungstreiber gelten für Love der starke US-Dollar sowie die positive US-Konjunktur. So führte die außerordentliche Dollarstärke in Kombination mit massiven Leerverkäufen und einer selbsterfüllenden Furcht vor Risiken zu kurzfristigen Sicherheitskäufen von US-Dollar. Die Wachstumsdifferenzen innerhalb der Industrieländer weiteten sich im ersten Quartal weiter aus als in den Emerging Markets. Die moderaten Liquiditätsströme zurück in die Industrieländer ließen sich demnach zum Teil rechtfertigen. „Dies trifft vor allem auf die Anleihen von Industrieländern zu, da die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen die 3-Prozent-Marke knackten. Dadurch wurden US-amerikanische Anleihen für renditehungrige Anleger wieder attraktiver als US-Aktien“, erklärt Love.
Das Wachstum in den USA blieb dank der Infrastruktur- und Steueranreize positiv, welche die Basis für das stärkere Wirtschaftswachstum sowie für die Leitzinsanhebungen der US-Notenbank Fed in diesem Zyklus bilden. „Der neue Konsens-Zielzinssatz für zehnjährige Treasuries ist von 3,5 auf 4 Prozent gestiegen. Infolgedessen ging das Interesse an allen weniger gewichtigen Assetklassen zurück“, so Love.
Die oben genannten Faktoren führten zu einer unvermeidlichen Konsolidierung von zyklischen EM-Titeln im weiteren Sinne, mit Ausnahme einiger Rohstoffwerte wie zum Beispiel im Ölsektor – hier stieg der Rohölpreis aufgrund der Streitigkeiten um das Ölangebot aus dem Irak und Venezuela auf über 80 US Dollar. Zugleich gaben die anfälligsten Carry-Trade-Währungen, wie beispielsweise die türkische Lira, der argentinische Peso und der südafrikanische Rand, deutlich nach. Risikoaverse Bewegungen erstreckten sich auch auf höherwertige positive Carry-Trades wie zum Beispiel den Brasilianischen Real, den Mexikanischen Peso und den Russischen Rubel. „Das lag weniger auf der Hand, denn die beiden letztgenannten Länder profitieren von höheren Ölpreisen“, so Love.
Abflauender Gegenwind für Emerging Markets
Der Experte geht dennoch davon aus, dass sowohl Fundamentaldaten als auch die Bewertungen den Markt für EM-Aktien mittelfristig stützen werden. In Kürze werden Erwartungen von mehr als 3,25 Prozent Rendite bei den zehnjährigen US-Treasuries eingepreist sein und den durch die Dollarstärke entstandenen Gegenwind abflauen lassen. „Gerade wird die Robustheit von EM-Anleihen getestet. Ein derart heftiges ‚Taper Tantrum‘ hätte in den Jahren 1994, 1998 oder 2004 zu einem Rückgang der EM-Aktien um 50 Prozent geführt“, so der Experte. Daher handele es sich derzeit um eine vergleichsweise schwache Konsolidierung. „Sie ist eine Folge der Tatsache, dass acht der führenden zehn EM-Volkswirtschaften nun die Investment-Grade-Stufe erreicht haben. 1998 und 2004 waren es nur zwei beziehungsweise vier Länder“, erläutert Love.
Das Investment-Grade-Argument sei auch auf die Zusammensetzung des MSCI Emerging Markets Index übertragbar: China, Korea, Taiwan sowie die wichtigsten Golfstaaten – alle mit Investment-Grade-Rating, soliden Devisenreserven, ausländischen Direktinvestitionen und guten Außenbilanzen – machen zusammen 60 Prozent des Index aus. „Auf Branchenebene liegt die Indexgewichtung von Metallen, Bergbau und Energie unter 15 Prozent und ist damit weniger dollarsensitiv als früher“, so Love weiter. Natürlich gäbe es auch Länder, die sich für eine Umkehr der Mittelflüsse bei EM-Anleihen anfälliger zeigten und bei denen dieses Kreditrisiko nach der globalen Finanzkrise zu schnell angeschwollen sei. Love zufolge trennte jedoch genau diese Anfälligkeit während der aktuellen Verkaufswelle die positiven von den weniger positiven Carry-Trades. „Die Tatsache, dass einige türkische Banken bei einem äußerst moderaten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von nur 2,5 eine Rendite von 5 Prozent bieten, zeigt, dass alles seinen Preis hat“, so Love. Dies seien Bewertungen für Krisenzeiten – selbst wenn man berücksichtige, dass es sich um türkische Wertpapiere handelt und die Lira mit einem zusätzlichen Währungsrisiko verbunden ist.
„Taper Tantrums“ im Sommer nutzen
„Wir erwarten in den kommenden sechs bis neun Monaten insgesamt eine positive Entwicklung von EM-Aktien und wollen die ‚Taper Tantrums‘ im Sommer nutzen, um günstige, höherwertige zyklische Währungen und Aktien aufzustocken“, erläutert Love. Er ist davon überzeugt, dass im zweiten Halbjahr 2018 noch einiges möglich ist für EM-Aktien. So dürften die Gewinne je Aktie um mehr als 18 Prozent zulegen und das KGV im Vergleich zu den bisherigen niedrigen Bewertungen wird wohlmöglich heraufgestuft. Positive freie Cashflows (FCF), steigende Dividendenrenditen und – vor allem gegenüber US-Aktien – attraktive Bewertungen des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV) werden voraussichtlich zusätzliche Unterstützung bieten. „Diese Kennzahlen sprechen nicht für einen Verkauf. Wir plädieren daher für selektive Käufe in einem von Panik geprägten Umfeld“, schließt Love.