"Derzeit gibt es eine Reihe von Risiken an den Finanzmärkten. Erstens führten die Wahlen in Italien zu einer populistischen Regierung bestehend aus Linken und Rechten, die eine gemeinsame Anti-EU-Einstellung eint. Viele Italiener haben das Gefühl, in den zehn Jahren seit der globalen Finanzkrise im Stich gelassen worden zu sein. Daher ist es naheliegend, dass sie mit dem Stimmzettel Widerstand leisteten gegen das Establishment in Italien und Europa. Angesichts der hohen Staatsverschuldung Italiens hat die neue Regierung die Märkte mit ihrer Ankündigung einer expansiven Finanzpolitik jedoch verunsichert.
Zweitens haben wir in den ersten Monaten des Jahres 2018 ein schwächer als erwartetes globales und vor allem europäisches Wachstum erlebt. Ich vermute zwar, dass diese Flaute vorübergehen wird, sollte dies aber nicht der Fall sein, könnten Sorgen um Unternehmensgewinne die Märkte belasten.
Drittens befürchten Investoren, dass sich die Inflation in mehreren Ländern beschleunigen könnte, da dies zu einer aggressiveren Reaktion der Zentralbanken führen würde.
Schließlich können wir die Liste der Risiken noch um den Protektionismus erweitern. Die USA haben nun Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte gegen ihre NAFTA-Partner und Europa eingeführt. Eine Vergeltung ist wahrscheinlich; ob dies zu noch größeren Handelskonflikten eskaliert, wird für die Aktienmärkte ausschlaggebend sein.
Der US-Dollar hat sich seit seiner Schwächephase letztes Jahr wieder deutlich erholt. Ein wesentlicher Grund dafür war die schwächere Entwicklung der europäischen Wirtschaften sowie der Schwellenländer im Vergleich zu den USA. Diese Wachstumsdifferenz hat den Dollar in die Höhe getrieben. Meine Einschätzung ist jedoch, dass sich die Erholung des Dollars nicht fortsetzen wird, unter anderem weil die Schwäche des europäischen Wachstums zu Beginn dieses Jahres wahrscheinlich eher auf Wetter-, Grippe- und Urlaubseffekte im ersten Quartal zurückzuführen war als auf etwas Fundamentales.
Wenn sich das Wachstum in Europa wieder beschleunigt, dürfte der Dollar an den Devisenmärkten seinen Höhepunkt erreichen. Sollte der Dollar jedoch darüber hinaus weiter steigen, zusätzlich angetrieben durch den wachsenden Populismus in Westeuropa, dürften die Auswirkungen für Multi-Asset-Portfolios tiefgreifend sein. Anleihen in Schwellenländern wären dabei am meisten von der Dollar-Stärke betroffen.
Ebenso wie die meisten Marktteilnehmer gehen wir davon aus, dass die US-Notenbank (Fed) nach ihrer heutigen Sitzung den Leitzins um weitere 25 Basispunkte anhebt. Der Markt nimmt auch eine ähnliche Zinserhöhung im September vorweg und sieht eine gewisse Möglichkeit einer dritten Zinserhöhung bei der Sitzung im Dezember. All dies erscheint uns plausibel. Das Wirtschaftswachstum in den USA ist nach wie vor stark, das Beschäftigungswachstum liegt über dem Trend, allmählich ist eine moderate Beschleunigung der Löhne zu erkennen und die Inflation liegt bereits im Zielbereich der Fed. Obwohl die Fed erklärt hat, eine leicht über dem Zielbereich liegende Inflation zu dulden, hat sie ebenfalls kommuniziert, die Notwendigkeit für drei weitere, also insgesamt vier Zinserhöhungen in diesem Jahr zu sehen, denen eine weitere Einschränkung der expansiven Geldpolitik im nächsten Jahr folgen wird.
Sofern die Inflation nicht weit über das Zwei-Prozent-Ziel der Fed steigt, kann der Markt diese Zinserhöhungen verkraften. Sie sind weitgehend eingepreist und wären keine größere Überraschung. Aus unserer Sicht ist die Fed somit eine wichtige Variable, die man im Auge behalten sollte. Wichtiger ist jedoch der Verlauf der Inflation, die alles völlig auf den Kopf stellen könnte. Deshalb gilt der Inflation unsere ganz besondere Aufmerksamkeit."