In letzter Zeit tun sich seltsame Dinge an den Anleihemärkten. Seit Anfang des Jahres ist die US Federal Reserve von weiteren Zinserhöhungen abgerückt. Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat sich verschärft. Und der Ölpreis ist stark gestiegen. All das sollte normalerweise die Inflationserwartungen erhöhen. Teures Öl und höhere Zölle auf chinesische Importe führen letztlich zu höheren Preisen für US-Verbraucher. Stattdessen sind die Inflationserwartungen der Anleger gesunken. Unser Chart der Woche zeigt die fünfjährigen Forward-Breakeven-Raten für die folgenden fünf Jahre. Diese liefern ein nützliches Maß für die durchschnittlichen, mittelfristigen Inflationserwartungen. Normalerweise tendieren sie dazu, sich parallel zum Ölpreis zu bewegen. In letzter Zeit hat sich jedoch eine Lücke aufgetan.
Die Gründe sind vorerst unklar. Vielleicht werden die Ölpreise korrigieren. Oder vielleicht sehen die Anleger die Wachstumsaussichten der USA skeptischer. In jedem Fall werden die Auswirkungen des Handelskonflikts weit über die anfänglichen Verbraucherpreissteigerungen hinausgehen. Protektionistische Maßnahmen machen die Welt als Ganzes weniger effizient. Allerdings würde man erste Anzeichen dafür weniger bei den Inflationserwartungen vermuten, als bei den Realzinsen, die eng an die längerfristigen realen Wachstumsraten einer Volkswirtschaft geknüpft sind.
Wir haben eine alternative Erklärung. Vielleicht ist das eigentliche Geheimnis hinter unserem Chart nicht das Ende, sondern das bisherige Bestehen der engen Beziehung zwischen den Inflationserwartungen und dem Ölpreis. Denn es gibt keinen wirtschaftlichen Grund, warum der heutige Ölpreis für die Inflation in fünf Jahren sonderlich bedeutsam sein sollte, geschweige denn für die langfristigen Inflationserwartungen. Bloß fehlt es auch an anderen zuverlässigen Indikatoren für die so ferne Zukunft. Uns erinnern die aktuellen Diskussionen ein wenig an die Suche nach einem Zusammenhang zwischen Sonnenfleckenaktivität und Maispreisen im 19. Jahrhundert. Ein statistisch zuverlässiger Zusammenhang zwischen Sonne und Konjunktur wurde bisher nicht gefunden, auch wenn sonniges Wetter die Stimmung an den Märkten zu verbessern scheint. Nach neuerer ökonomischer Theorie können solche Zusammenhänge durchaus Bestand haben, wenn sie ein Element von sich selbst erfüllender Prophezeiung beinhalten.