Marktüberblick
Den Spruch, wonach der April macht, was er will, kann der erwähnte Monat wahrscheinlich selber auch nicht mehr hören. Da kann er von Glück reden, dass jetzt der Mai, in dem Investoren zum Verkaufen geraten wird ("sell in May and go away"), in den Fokus altkluger Sprücheklopfer rückt. In leicht abgewandelter Form jedoch wurde der April seinem Ruf gerecht: Jeder konnte mit dem April machen, was er wollte; besser gesagt mit den Daten aus den Unternehmen und den Volkswirtschaften.
Sie waren einerseits gemischt genug und trafen andererseits auf eine so niedrige Erwartungshaltung, dass sich jeder rauspicken und interpretieren konnte, was und wie er wollte. Die Aktienmärkte konzentrierten sich auf die positiven Signale und legten deshalb in der Breite nicht nur eine gute Monatsentwicklung hin, sondern erklommen teilweise sogar neue Rekordhöhen (S&P 500, Nasdaq, oder der Schweizer SMI). Prozentual legten die halbtotgesagten europäischen Märkte am stärksten zu (Dax: 7,1 Prozent), während ausgerechnet die asiatischen Schwellenländern, die die makroökonomisch hoffnungsvollsten Signale sendeten, mit im Schnitt rund zwei Prozent hinterherhinkten. Geholfen hat den Aktienmärkten nicht nur das weitgehende Ausbleiben größerer politischer Störfeuer und die wieder sehr niedrige Volatilität, sondern auch der Rückenwind durch die Zentralbanken. Diese hatten ihrerseits ja bereits im ersten Quartal deutlich sanftere Töne angeschlagen, also Zinserhöhungen bis auf weiteres erst einmal ausgeschlossen.
Doch die Märkte drehten diese Geschichte noch ein bisschen weiter und fingen etwa im Falle der US Federal Reserve (Fed) sogar an, die ersten Zinssenkungen noch für dieses Jahr einzupreisen. Diesen Gefallen wird ihnen die amerikanische Zentralbank wohl nicht machen, wie man ihrer Sitzung vom 1. Mai entnehmen konnte, doch insgesamt wähnen sich die Aktienmärkte in diesem Umfeld wieder in dem sogenannten Goldilock-Szenario: anständiges Wirtschaftswachstum ohne die Gefahr eines Inflations- und damit Zinsaufwärtsdrucks. Die Kehrseite dieser Idealwelt ist, dass die Zinsen nicht nur wegen fehlender Inflationssorgen, sondern auch wegen Konjunktursorgen so niedrig bleiben könnten. Dafür spricht die beinahe Halbierung der Renditen der 10-jährigen inflationsgeschützten US-Staatsanleihen seit Jahresanfang. Und auch wenn die folgenden zwei Zinsreihen sich etwas von ihren Rekordniedrigständen entfernt haben, bleiben sie in beunruhigend niedrigem Territorium: 10-jährige Bundesanleihen rentierten Ende April bei 0,014 Prozent und der Abstand der 2- zu den 10-jährigen US-Staatsanleiherenditen lag bei 20 Basispunkten, also nicht weit von einer Inversion der Zinskurve entfernt.
In den kommenden Monaten werden die volkswirtschaftlichen Zahlen zeigen müssen, ob sie eher die Sicht der Anleihe- oder Aktienmärkte unterstützen. Oder ob sie einfach das nachliefern, was die Aktienmärkte in ihrem stärksten Jahresauftakt seit knapp über eine Dekade bereits vorweggenommen haben. Bevor man mit Sicherheit sagen können wird, ob sich Asien, Europa oder die USA nur in einer temporären, fast schon beendeten Schwächephase befinden, wird man in den Worten der Fed weiter geduldig bleiben müssen. Angesichts der wieder stattlich hohen Kurs-Gewinn-Verhältnisse (vor allem an den US-Märkten) und der niedrigen Volatilität könnten sich Enttäuschungen jedoch schnell einstellen und zu nervösen Marktreaktionen führen.