DWS CIO Flash: "Nur ein Kratzer"

Theresa Mays Brexit-Deal ist einmal mehr gescheitert. Höchste Zeit für Investoren, das Undenkbare zu denken. DWS | 14.03.2019 06:37 Uhr
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Werden sie es jemals lernen? In den vergangenen 48 Stunden wurden wir mit Kommentaren unserer Finanzmarktkollegen zur britischen Politik überflutet. Der Tonfall war bekannt und deckt sich auch mit dem Kursverlauf des britischen Pfunds gegenüber dem Dollar. Erst herrschte Enttäuschung, da man Theresa Mays zweitem Versuch, ihren Deal durch das Parlament zu bringen, wenige Chancen beimaß. Dann wieder stieg die Hoffnung, nachdem Montagabend die Nachricht durchsickerte, Theresa May und Jean-Claude Juncker hätten sich auf einige zusätzliche Formulierungen hinsichtlich des gefürchteten nordirischen Backstops geeinigt, der es den Brexiteers einfacher machen würde, dem Vertrag zuzustimmen. Innerhalb weniger Stunden wurde jedoch schnell klar, dass an den neuesten Backstop-Optimierungen sogar noch weniger dran war als auf den ersten Blick erschien, wie auch Geoffrey Cox, der britische Generalstaatsanwalt, bestätigte. (https://www.ft.com) Und am Dienstagabend reagierten die Märkte dann kaum noch auf eine weitere schwere Niederlage der Regierung. Irgendwie scheint die Mehrheit immer noch zu denken, dass am Ende doch alles gut ausgehen wird und großer Schaden abgewandt werden kann. 

Brexit-Realitäten und Mythen

Für uns sah all das lange Zeit gefährlich selbstgefällig aus. Wie wir bereits im Januar bemerkten, "tickt die Uhr. Und mit jedem Tag, der vergeht, nähert sich Großbritannien einem chaotischen, unkontrollierten Brexit." (DWS - Kein Schritt weiter) Seitdem scheinen sowohl Theresa May als auch Jeremy Corbyn die Kontrolle über ihre jeweiligen Parteien in unterschiedlichem Ausmaß verloren zu haben. Die Aussicht auf einen nicht verhandelten Brexit bleibt damit sehr real. 

Wir möchten hinzufügen, dass ein solch chaotischer No-Deal-Brexit nicht unbedingt durch aktives Zutun oder mit Willen der Parlamentarier eintreten muss. Wie wir im November 2018 schrieben, "war immer nur eine zugegebenermaßen große Minderheit dafür, die Beziehungen zur Europäischen Union (EU) zügig zu trennen, mittels Austritts ohne Abkommen. Die Umfrageergebnisse vor und nach dem Referendum 2016 waren in dieser Hinsicht ziemlich eindeutig. Eine größere Gruppe von etwa der Hälfte der Wähler hatten sich weitgehend für den Status quo ausgesprochen, vielleicht mit leicht geänderten Regeln, insbesondere bei der Personenfreizügigkeit". Seitdem hat sich die öffentliche Meinung eher weiter in Richtung "Verbleiben" verschoben - mit einem Vorsprung von fünf bis sieben Prozent im Durchschnitt der Umfragen in den letzten Monaten. (Poll of Polls)

Sowohl ein No-Deal-Brexit als auch Theresa Mays Deal sind bei einem Großteil der Bevölkerung ziemlich unbeliebt. (Economist: British voters are unimpressed by Theresa May’s Brexit deal) Wie wir es diese Woche wieder gesehen haben, scheinen die Mitglieder des Parlaments (MPs) ähnlicher Ansicht zu sein. Es bleibt leider weit weniger klar, über welche der möglichen alternativen Ergebnisse sich das Unterhaus tatsächlich einigen könnte. Nicht in der Ablehnung, sondern in der Zustimmung liegt also das Dilemma. Dies beginnt mit einer Fehleinschätzung des Ergebnisses des Brexit-Referendums. Andere argumentieren, dass der "Brexit nicht der Wille des britischen Volkes ist – und es nie gewesen ist" (Brexit is not the will of the British people – it never has been). So weit würden wir nicht gehen. Wie bei jeder Wahl oder jedem Referendum gibt es immer mehrere Einflussfaktoren. Im Falle des Brexits haben wir bereits dargelegt, dass der Aufstieg Chinas und die durch die Globalisierung benachteiligten Regionen des Vereinigten Königreichs eine übergroße Rolle gespielt haben könnten. (DWS: Freihandel unter Beschuss)

Eine solche Lesart deutet auf politische Dilemmata hin, die weit über die Frage nach einem "Deal" oder "No Deal" hinausgehen. Es ist auch wichtig zu bedenken, dass die benachteiligten Regionen nicht ausgereicht hätten, um eine Mehrheit für den Austritt zu gewinnen. Dazu beigetragen haben auch asymmetrische Wahlbeteiligungen. Einfach gesagt, hatten die Brexit-Anhänger seit Jahrzehnten dafür gekämpft, dass man endlich ihre Einwände und Sorgen hört. Im Gegensatz dazu haben viele EU-Befürworter wohl einfach nicht glauben können, dass das Vereinigte Königreich die EU wirklich verlassen würde – und haben beim Referendum deshalb erst gar nicht mit abgestimmt. Zwar lieferten die Umfragedaten für diese optimistische Sicht keine Grundlage, wurden aber in weiten Teilen der Medien, unter Finanzmarktteilnehmern und Wettmärkten weitgehend geteilt. Hinzu kommen demographische Veränderungen (immer mehr jüngere EU-Befürworter erreichen das Wahlalter). Daher ist es kein Wunder, dass die Brexit-Anhänger so entschieden gegen ein zweites Referendum jeglicher Art sind. 

Basierend auf den Entwicklungen der letzten Woche dürfte es mehr als genug Abgeordnete geben, die bereit sind, ein zweites Referendum, den Deal von Theresa May oder einen No-Deal-Brexit zu blockieren. Der Unterschied zwischen den beiden erstgenannten und der letzten Option besteht darin, dass ein chaotischer Brexit die Standardoption ist, wenn das Vereinigte Königreich und seine europäischen Partner nicht handeln. Eine Verlängerung des Artikel 50 könnte dies vermeiden - aber es ist in den letzten Wochen immer fragwürdiger geworden, unter welchen Bedingungen die Europäische Union einem solchen Antrag zustimmen könnte. Zudem muss jede Fristverlängerung von allen 27 verbleibenden Mitgliedstaaten abgesegnet werden. 

Genau vor solch einer Sackgasse hatten wir im November gewarnt, als wir schrieben: "Angesichts legalistischer, unnachgiebiger und zunehmend ungeduldiger europäischer Partner riskiert der britische Verhandlungspoker im Verbund mit politischem Chaos, ein Ergebnis zu liefern, das nur relativ wenige Wähler jemals wollten." (DWS: Westminster im Aufruhr) Lässt sich das noch vermeiden? Höchstwahrscheinlich! Es ist seit langem klar, dass es in allen großen Parteien eine Mehrheit für einen wesentlich weicheren Brexit-Deal geben würde, idealerweise einen, der den Zugang zum Binnenmarkt für Dienstleistungen und Waren beinhaltet. Doch den Prozess noch in diese Richtung zu lenken wäre selbst mit einem lösungsorientierten Parlament eine schwierige Aufgabe. 

Damit kommen wir auf die jüngste historische Niederlage der Austrittsvereinbarung von Theresa May zurück. Mit 391 Gegenstimmen gegenüber 242 Ja-Stimmen sieht sie in jeder Hinsicht ziemlich schlecht aus – abgesehen von der noch größeren Niederlage im Januar. Fürs Erste scheint May jedoch entschlossen zu sein, diesen Pfad weiter zu gehen. Alles in allem scheinen die Ereignisse in Westminster Vergleichen recht zu geben, die erstmals im  Sommer 2017 angestellt wurden, nachdem Theresa May ihre vorgezogene Parlamentswahl verloren hatte. Seitdem haben Kommentatoren sie häufig mit dem Schwarzen Ritter aus Monty Pythons Film "Ritter der Kokosnuss" verglichen. (Mirror: 'Theresa May and the Holy Grail': Prime Minister ruthlessly mocked in Monty Python general election parody) "Es ist nur ein Kratzer", sagt der Schwarze Ritter, als er seinen schwertschwingenden Arm verliert. Und "Es ist nur eine Fleischwunde", als er seinen zweiten Arm verliert. Nach Verlust sämtlicher Gliedmaßen bietet er schließlich an: "Ok, einigen wir uns auf ein Unentschieden."   

Es bleibt fraglich, wer der Schwarze Ritter im Westminster-Drama sein wird. Es könnten durchaus noch die Brexiteers werden, die sich unbesiegbar fühlen und ihre Hand vielleicht überreizen. Während ein Kurswechsel zu einem weicheren Brexit in der verbleibenden Zeit keine praktikable Option mehr ist, bleibt eine weitere Alternative, die immer wahrscheinlicher wird. Wenn keine anderen Optionen möglich sind, könnte das Unterhaus noch über die Aufhebung von Artikel 50 entscheiden - ein Szenario, über das wir bereits im Dezember (DWS: Mit "Siegen" wie diesen) geschrieben haben. Dies zu tun, ohne öffentliche Unzufriedenheit auszulösen, würde viel mehr politisches Geschick erfordern als Frau May oder einer ihrer zahlreichen Gegner in den letzten Monaten gezeigt haben. In der Zwischenzeit braucht es viel Mut - oder vielleicht auch absichtliche Blindheit angesichts der vertrackten parlamentarischen Arithmetik -, um die Risiken eines No-Deal-Brexits zu ignorieren. Sind wir in der Minderheit, wenn wir so denken? Anscheinend schon. Doch der Konsens lag beim Thema Brexit regelmäßig daneben.   

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