Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist eine beliebte, wenn auch nicht perfekte, Kennzahl zur Aktienbewertung. In einem früheren „Chart der Woche“ haben wir das KGV als Currywurst der Aktienbewertung bezeichnet: Auch wenn jeder weiß, dass es eleganter, moderner und ausgewogener geht, bleibt es der Publikumsliebling.
2018 war in Bezug auf die Bewertung von US-Aktien ein bemerkenswertes Jahr. Es begann sehr verheißungsvoll mit einem kräftigen Sprung des S&P 500. Dieser fußte aus einer Kombination eben jener zwei Faktoren, die den Index seit 2012 beflügelten: steigende Unternehmensgewinne und steigende Bewertungen in Form höherer KGVs. Zur Erinnerung: Der Aktienkurs ergibt sich aus der Multiplikation von Gewinn je Aktie mit dem KGV. Um die Stimmung an der Börse und die Bewertung der Zukunftsaussichten zu ermessen, ist ein Blick auf den absoluten Indexstand daher weniger aufschlussreich als ein Blick auf das KGV. Bei unverändertem Anlegerurteil hätte der S&P 500 zum Jahresende deutlich höher stehen müssen, wuchsen die Gewinne je rechnerischem Indexanteil 2018 doch von 123 auf 146 US-Dollar. Doch das KGV hat 2018 deutlich nachgegeben. Auf die Gewinne der vergangenen zwölf Monate gerechnet, ging es von der Spitze im Januar bei 23 auf zuletzt knapp über 17 zurück. Zwar spielte beim Spitzenwert im Januar das Steuerpaket eine Rolle (die Kurse stiegen bereits in Antizipation auf die höheren Nettogewinne, die sich jedoch erst ab Ende des ersten Quartals materialisierten), doch der Vertrauensverlust bleibt beträchtlich. Die Anleger bezahlen die Gewinne heute sogar mit einem deutlich geringeren Multiplikator als im September 2016, also vor der US-Präsidentschaftswahl. Das mag am fortgeschrittenen Zyklus und den Zweifeln an der Nachhaltigkeit der rekordhohen Gewinnmargen liegen. Wir sehen darin jedoch auch erhebliche Zweifel des Marktes an der Nachhaltigkeit der Wirtschafts- und Außenpolitik des Weißen Hauses.
Das KGV liegt nunmehr fast genau auf dem Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte, wie unser „Chart der Woche“ zeigt. Dies ist noch kein Grund zur Euphorie und will für den kurzfristigen Marktausblick nicht viel heißen. Thomas Bucher, Aktienstratege bei der DWS, betont, dass die Bewertung heute leider herzlich wenig über die Kursentwicklung von morgen aussagt. Erst wenn man den Prognosehorizont deutlich verlängert, gewinnt das Kurs-Gewinn-Verhältnis an Aussagekraft.