Die armen Entscheidungsträger der US-Notenbank (Fed). In der Sitzung des Federal Open Market Committee (FOMC) am 18. und 19. Dezember werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach eine erneute Zinserhöhung durchwinken. Dies kann durchaus zu wütenden Reaktionen über Twitter führen, nicht nur aus dem Weißen Haus. Auch an der Wall Street sind in den letzten Wochen die Befürchtungen gestiegen, dass die Fed im aktuellen Straffungszyklus zu restriktiv sein könnte.
Solche Bedenken sind angesichts der jüngsten Finanzmarktturbulenzen natürlich nicht ganz unberechtigt. Aber sie stehen im direkten Widerspruch zu den verfügbaren Daten über die fundamentale Gesundheit der US-Wirtschaft. Wie unser Chart der Woche zeigt, ist die Arbeitslosigkeit mittlerweile auf ein Niveau gesunken, das seit fast 50 Jahren nicht mehr erreicht wurde. Vor diesem Hintergrund war der Lohnanstieg während des gesamten aktuellen Konjunkturzyklus überraschend moderat. In den jüngeren Daten zeigen sich jedoch leichte Anstiege. "Die Lohnkosten steigen, wenn auch noch moderat", betont Josh Feinman, US-Chefökonom der DWS. Allerdings scheinen die Lohnanstiege nach wie vor weitgehend mit dem Inflationsziel der Fed vereinbar zu sein.
Sind die Finanzmärkte also ohne triftigen Grund beunruhigt? Nicht ganz. Durch die Dämpfung des Nachfragewachstums, straffere Finanzbedingungen, den Handelsstreit, die Dollarstärke und schwächeres Wachstum im Rest der Welt werden weitere Zinserhöhungen letztendlich etwas weniger zwingend. Das Problem ist jedoch, dass sich diese potenziellen negativen Einflüsse auf das US-Wachstum tendenziell von Tag zu Tag verändern. Im Gegensatz dazu funktioniert die Geldpolitik auch in den besten Zeiten nur mit langen Verzögerungen. Geldpolitische Fehler sind durchaus möglich. Glücklicherweise glauben wir nicht, dass die US-Wirtschaft jetzt bereits so auf der Kippe steht, dass kleinere geldpolitische Schritte sie aus dem Tritt bringen könnten.
Inmitten der Marktverwerfungen von Anfang 2016 bemerkte ein erfahrener Kollege, dass die Märkte in der Regel zu schnell in der Vorwegnahme einer Rezession sind, während die Ökonomen sie zu spät erkennen. Anders ausgedrückt: Die Wahrheit kann durchaus in der Mitte liegen. Gemäß diesem Muster könnten wir es mit einer stärkeren Verlangsamung, aber nicht mit einer Rezession zu tun haben.
Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass bisherige Muster diesmal nicht greifen und uns etwas ganz anderes blüht. Angesichts voll ausgelasteter Kapazitäten in den USA wäre jetzt eigentlich der Zeitpunkt für Lohnsteigerungen gekommen. Dies würde die gut laufende Konjunktur nicht abwürgen, aber auf den Gewinnmargen der Unternehmen lasten. Sollte dieser Fall eintreten, hätten sowohl die Märkte als auch die Ökonomen Recht behalten.