Seit Oktober hat sich die Liste der Sorgen für globale Anleger um eine Position verlängert: der Verfall des Ölpreises. Über die vergangenen sechs Wochen haben die Preise pro Fass um 20 Dollar nachgegeben. Das ist nicht nur der höchste absolute Rückgang seit Anfang 2015, sondern überschreitet mit über 25 Prozent Rückgang auch locker den Schwellenwert, der einen Bärenmarkt definiert. Dafür gibt es eine Reihe von Begründungen. Darwei Kung, Leiter Rohstoffe bei der DWS, bemerkt, dass die OPEC große Fortschritte in der Produktionssteuerung gemacht hat, was zu einem Rückgang der weltweiten Lagerbestände auf den Durchschnitt der letzten fünf Jahre geführt hat. Die OPEC hat sich so eine beträchtliche Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Fähigkeit der Mitglieder, die angegebene Quote einzuhalten, erarbeitet. Diese Quotenregelung wird jedoch in diesem Jahr auslaufen. Faktoren wie die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Iran-Sanktionen, der Anstieg der Produktion in Russland und Saudi-Arabien und eine Überwindung der Produktionsstörungen in Ländern wie Libyen und Nigeria stellt diese Glaubwürdigkeit auf die Probe. Darüber hinaus nährt eine Schwächephase in mehreren großen Volkswirtschaften die Sorge um eine stärkere wirtschaftliche Abkühlung, die natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Ölnachfrage haben würde. Zusammengefasst deutet daher die Differenz zwischen Nachfrage und Angebot auf weiteren Druck auf den Ölpreis hin, wie unser "Chart der Woche" zeigt.
Die Interpretation der Ölpreisbewegungen führt noch ein weiteres Phänomen vor Augen: vor nicht allzu langer Zeit wurde der Anstieg des Ölpreises als Bedrohung für die Märkte angesehen, da dies die Inflation befeuert und die Zentralbanken zu einer schärferen Gangart veranlassen würde. Aktuell ist es nun ein schwacher Ölpreis, der Sorgen verursacht. Es scheint, als könnte es der Ölmarkt im Moment keinem recht machen.