Geldpolitik – Am Ende angekommen?

In der neuesten Ausgabe von "Nordics – DNB Insights" nimmt Hagen-Holger Apel, Dipl. Volkswirt, DNB Asset Management, das Thema Geldpolitik unter die Lupe. DNB Asset Management | 24.10.2016 15:27 Uhr
Dipl. Volkswirt Hagen-Holger Apel, Senior Portfolio Manager, DNB Asset Management / ©  DNB Asset Management
Dipl. Volkswirt Hagen-Holger Apel, Senior Portfolio Manager, DNB Asset Management / © DNB Asset Management
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In der Reihe der DNB Insights wurde das Thema Geldpolitik schon mehrfach behandelt und diskutiert. Wir haben die Geldpolitik spieltheoretisch betrachtet und den weltweiten Abwertungswettlauf der Zentralbanken als ruinösen Wettbewerb bezeichnet. Insgesamt ist schon sehr viel über dieses Thema geschrieben worden, interessant dabei ist, dass wir nun das erreichen, was Volkswirte schon lange erwartet haben.

Nach weit über 200 Zinssenkungen weltweit und sehr unkonventionellen Maßnahmen befinden wir uns nun in einer scheinbar stabilen Situation mit Nullzinsen oder gar Negativzinsen. Viele Währungen haben gegeneinander abgewertet und wir befinden uns, relativ betrachtet, in einer ähnlichen Lage wie vor Beginn des internationalen Abwertungswettlaufes, nur eben auf einem niedrigeren Niveau.

Allerdings, und das wird im Folgenden erläutert, ist diese Situation, trotz scheinbarer Stabilität, nicht ungefährlich. Nach jahrelangem „Mehr vom Gleichen“ realisieren nun immer mehr Volkswirte, Marktteilnehmer sowie hochrangige Bankenvertreter, dass die expansive Geldpolitik der letzten Jahre wenig erfolgreich war. 

Betrachtet man den Zins als einen Preis des Geldes, so scheint ein Zins von null Prozent eine Wertlosigkeit des Geldes zu implizieren. Und genau mit dieser implizierten Wertlosigkeit beginnen die Probleme einer Volkswirtschaft. 

Es ist und war richtig, das Finanzsystem in kritischen Phasen mit Liquidität zu versorgen. Insbesondere in Phasen, in denen ein Bank Run bevorstand, war es richtig, die Finanzinstitute zu stützen und die Marktteilnehmer sowie die Bevölkerung zu beruhigen. Unkontrollierbare Ereignisse können sich in einem massiven Vertrauensverlust und damit in einem Bank Run entladen. Ein Bank Run wiederum erfordert sofortiges Eingreifen des Staates mit polizeilicher und eventuell militärischer Hilfe, da sehr schnell gefährliche Situationen innerhalb einer Volkswirtschaft entstehen können. 

Das Wesen des Geldes als Transfer – und Wertaufbewahrungsmittel unterliegt der kritischen Beobachtung der Bevölkerung. Sollten einzelne Individuen die Wertaufbewahrungsfunktion in Frage stellen, so werden diese recht zügig versuchen, ihr Geld in Sachwerte zu tauschen. Ein wesentlicher Nebeneffekt der massiven Zinssenkungen der letzten Jahre war und ist ein beispielloser Immobilienboom in Europa. Selbst außerhalb der Metropolen stiegen die Preise für Wohnungen und Häuser auf ein für viele unerschwingliches Niveau.

Man kann das ohne Weiteres als einen Kollateralschaden der Geldpolitik ansehen, denn letztlich können sich große Teile der Bevölkerung kein Eigentum mehr leisten. Niedrige Zinsen haben in erster Linie eines hervorgerufen, nämlich eine große Illusion. Und damit sind wir bei der Kernproblematik der ultra lockeren Geldpolitik der letzten Jahre. 

Ohne Zweifel haben die Zentralbanken die Zinslandschaft manipuliert. Und in einem manipulierten Markt gibt es logischerweise einige Gewinner und viele Verlierer. Gewinner waren und sind die Halter von Assets wie Aktien, Bonds und Immobilien. Verlierer sind die Sparer der Volkswirtschaften, denen eigentlich eine tragende und sehr wichtige Rolle zukommt. Wir haben das im DNB Insight März 2016 erläutert. In einer gesunden Volkswirtschaft gleicht die Summe der Ersparnisse der Summe der Investitionen. Durch einen nicht manipulierten Zins findet ein natürlicher Ausgleich zwischen Invesitionen und Sparen statt. Anleger entscheiden sich für einen Trade Off zwischen Konsum und Sparen für die Zukunft. Nach jahrelangen Zinssenkungen und einer weiterhin sehr zögerlichen FED befinden sich Anleger, Sparer und viele Banken in einer misslichen Lage. Abgesehen von den Schwierigkeiten der Anlage haben Individuen in erster Linie ein Problem. Sie unterschätzen die Gefahr der Inflation und sie überschätzen den nominalen Wert ihres Vermögens. Ein noch so geringer positiver Zins auf eine Sparanlage bewirkt die Aufrechterhaltung der Illusion, dass die Anlage positiv verzinst wird. 

Dass durch die natürliche und erzeugte Inflation der Realzins eventuell negativ ist wird von vielen Sparern nicht bedacht. Das führt dazu, dass, solange es einen positiven Zins auf Anlagen gibt, die meisten Sparer ihr Geld auf den Konten der heimischen Banken lassen. Der Wendepunkt wird meines Erachtens eintreten, sobald mehr und mehr Banken einen negativen Zins auf Einlagen berechnen. Im Moment versuchen Banken die Gebühren zu erhöhen, mehr oder weniger erfolgreich, denn Gebühren werden anders wahrgenommen als negative Zinsen.


Interessanterweise hat die Senkung des Zinsniveaus in den meisten westlichen Volkswirtschaften zu einer Steigerung der Sparquoten geführt. Wenn die Zentralbanken ursprünglich die Intention hatten das Gleichgewicht zwischen Sparen und Konsumieren auf die Ausgabenseite zu verschieben, so kann man diese Mission größtenteils als gescheitert betrachten. Individuen antizipieren den entgangenen zukünftigen Zins als Verlust und versuchen diesen durch eine Erhöhung der Sparrate zu kompensieren. Dies wiederum führt zu einer volkswirtschaftlich betrachtet höheren Ersparnis der keine Investitionen entgegentreten. Hier versuchen nun die Staaten durch massive Infrastrukturprogramme einzuspringen. Dies ist in einigen Volkswirtschaften nach Jahren der Zurückhaltung auch dringend nötig, allerdings sollten viele fehlgeleitete Investitionen in den südeuropäischen Volkswirtschaften mahnende Beispiele sein, wie man es nicht machen sollte. 

Wie kann das Problem der weiterhin erhöhten Sparquoten und sinkender Konsumneigung gelöst werden? Unter vielen Marktteilnehmern wird die aktuelle Zinssituation weiter in die Zukunft projiziert, es scheint für viele inzwischen keine andere Möglichkeit zu geben, als einen lange andauernden Zeitraum niedriger oder gar negativer Zinsen. Ökonomisch betrachtet ist das jedoch ein Szenario, welches unbedingt vermieden werden sollte. Zinsen auf diesem Niveau untergraben mittel- bis langfristig das Vertrauen in die Währung sowie in die Stabilität und Funktionalität einer Volkswirtschaft. Ebenso werden sich die Marktteilnehmer und die Bevölkerung eines Tages die Frage stellen, ob sich die Wirtschaft wirklich auf einem gesunden und stabilen Pfad bewegt, wenn die langfristigen Zinsen nahe Null sind? Denn normalerweise spiegelt das langfristige Zinsniveau die wirtschaftlichen Erwartungen sowie die Inflationserwartungen wider. Ein Zins nahe Null bedeutet im Umkehrschluss, dass die Inflations- sowie die Wachstumserwartungen der Marktteilnehmer im Prinzip nicht vorhanden sind. Ein fatales Signal, wenn man so möchte, denn die Märkte ebenso wie die Individuen leiten ihr Verhalten aus ihren Erwartungen ab. So ist es wiederum kein Wunder, dass die Sparquoten steigen, die Konsumneigung sinkt und bei anhaltend niedriger Inflation zur durchaus gefährlichen Stagnation oder Deflation führen kann.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Politik der Zentralbanken die Situation nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 stabilisiert hat, sie langfristig, also bis heute, nicht wirklich verbessert hat. Es bedarf nicht noch weiterer unkonventioneller Maßnahmen, die das Vertrauen in das Geldsystem erneut erschüttern können. Wir brauchen vertrauensbildende Maßnahmen und eine Rückkehr der Konsumenten und Investoren. Game Over für eine Geldpolitik, die ihre Wirkung bereits seit einiger Zeit verloren hat. 

Hagen-Holger Apel, CIIA
Dipl. Volkswirt
DNB Asset Management

Über den Autor: Hagen-Holger Apel ist seit Juli 2015 bei DNB Asset Management S.A. als Senior Portfolio Manager beschäftigt. Herr Apel ist Diplom-Volkswirt (LMU München) und Certified International Investment Analyst der DVFA Frankfurt. Er ist nahezu 10 Jahre am luxemburgischen Finanzplatz tätig und spricht Deutsch, Englisch und Schwedisch.

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