China: Sollten wir uns Sorgen machen?

„Sollten wir uns Sorgen machen?", fragt Nicholas Yeo, Director und Head of Equities – Hongkong bei Aberdeen Asset Management, anlässlich des turbulenten Jahresstarts an Chinas Börsen in seinem jüngsten Marktkommentar: abrdn | 19.01.2016 18:27 Uhr
Nicholas Yeo, Director und Head of Equities – Hongkong, Aberdeen Asset Management / ©  Aberdeen AM
Nicholas Yeo, Director und Head of Equities – Hongkong, Aberdeen Asset Management / © Aberdeen AM
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

"Nur wenige Jahre fingen ähnlich traumatisch an wie 2016. Massive Kursverluste an Chinas Börsen lösten in der ersten Handelswoche gleich zweimal den neuen Schutzmechanismus aus. Panik breitete sich aus und die Märkte wurden weltweit mit in den Abwärtssog hineingezogen.

China spielt in der heutigen Welt eine größere Rolle als je zuvor und auch Chinas Finanzmärkte üben trotz ihrer Isolation inzwischen großen Einfluss aus. Dem Markteinbruch liegt eine Kombination verschiedener Faktoren zugrunde – einige davon sind neu, andere schon länger bekannt.

Seit dem Platzen von Chinas Aktienmarktblase im letzten Jahr haben die Behörden mit vielerlei Regeln, Appellen und Assetkäufen experimentiert, um den Markt in die gewünschte Richtung zu lenken. Einfacher ausgedrückt, um die Aktienkurse nach oben zu treiben und dort zu halten.

Der neu installierte Schutzmechanismus sollte eigentlich dazu beitragen, den am Ende von Verkaufssperren eintretenden Effekt abzumildern, bewirkte aber das Gegenteil und löste Panik aus. Am 7. Januar fielen die Aktien in Shanghai schon in der ersten halben Stunde um 7 Prozent – das ist der Schwellenwert, der zur Schließung des Handels für den Rest des Tages führt.

Solche Mechanismen gibt es nicht nur in China. In den USA wurden sie im Jahrzehnt nach dem Börsencrash von 1987 von den Aufsichtsbehörden eingeführt. In China machte man jedoch den Fehler, die eine Intervention auslösenden Schwellenwerte zu niedrig anzusetzen. Während Kurseinbrüche von 5 und 7 Prozent an den etablierten Börsen relativ selten vorkommen, ist das auf Chinas volatilen Märkten keine echte Seltenheit.

Eingeführt wurde der Mechanismus um Tagesverluste zu begrenzen, aber jedes Mal, wenn der Handel nach einem Kursrückgang von 5 Prozent kurzfristig unterbrochen wurde, kam es zu einem hektischen Abverkauf, so dass der nächste Schwellenwert von 7 Prozent schnell erreicht und damit die Aussetzung des Handels für den Rest des Tages fast unvermeidlich war. Die Aufsichtsbehörden haben den Schutzmechanismus daher wieder aufgehoben, um ihre Strategie zu überdenken – das hat die Märkte beruhigt.

Besorgnis erregte auch der Eindruck, China schwäche seine Währung, um den Folgen der Wachstumsverlangsamung entgegenzuwirken. Seit Anfang letzten Jahres hat der Onshore Renminbi (CNY) gegenüber dem Dollar 5,7 Prozent verloren, beim Offshore-Kurs waren die Verluste noch höher.

Die Währungsschwäche wurde als Beweis dafür angesehen, dass mit der Wirtschaft etwas faul sein müsse. Das ausgewiesene Wachstum von rund 7 Prozent ist von den zweistelligen Wachstumsraten der vergangenen Jahre weit entfernt. Und viele Analysten glauben, dass die Rate in Wirklichkeit noch niedriger liegt.

Das Wachstum lässt nach, keine Frage, aber China ist auch dabei sich neu auszurichten und eine neue Balance zu finden. Der Dienstleistungssektor trägt einen größeren Teil zum Wachstum bei als die herstellende Industrie. Das bedeutet, dass eine Abwertung zwecks Verbilligung der Exporte nur eine begrenzte Wirkung haben wird, insbesondere wenn Wettbewerber nachziehen und ihre Währungen ebenfalls abwerten. Unseres Erachtens müsste der Renminbi zwischen 20 und 30 Prozent nachgeben, bevor sich hier wirklich ein Unterschied bemerkbar macht.

China ist außerdem dabei, in der Wertschöpfungskette weiter aufzusteigen, und das Argument „billig zu sein“ wird beim Versuch, große internationale Anleger zu gewinnen, inzwischen kaum noch ins Feld geführt. Löhne (und die Währung) sind seit einigen Jahren gestiegen, was letztlich dazu geführt hat, dass viele technisch einfache Produktionsprozesse und -arbeitsplätze bereits ins Ausland abgewandert sind.

Daher glauben wir, dass es mehr Sinn macht, die Schwäche des Renminbi im Kontext der Liberalisierung der Währung zu sehen und nicht als Symptom ihrer Abwertung. Obwohl der Wechselkurs immer noch kontrolliert wird, spielen die Marktkräfte bei der Bewertung der Währung heute eine viel größere Rolle, so dass der Internationale Währungsfonds (IWF) letztes Jahr schließlich beschloss, den Renminbi in den mit Sonderziehungsrechten ausgestatteten Reservewährungskorb aufzunehmen – in dem bis dato der US-Dollar, der Euro, das britische Pfund und der japanische Yen enthalten waren.

In der Kommunikation hat China allerdings komplett versagt. Der Mangel an klaren Worten hat Spekulationen hinsichtlich zweier Entwicklungen befeuert: der Nutzung von Devisenreserven zur Verteidigung der Währung sowie der vorsichtigen Liberalisierung des Währungsregimes, das den Renminbi an einen Währungskorb und nicht mehr nur an den Dollar bindet.

An den Börsen und in den Köpfen nervöser Anleger, die die wirtschaftliche Lage bereits für bedenklich hielten, haben sich daher zwei eigentlich getrennte Dinge vermischt: der gescheiterte Versuch, exzessive Aktienkursverluste zu verhindern, und die Besorgnis angesichts der jüngsten Währungsschwäche.

Die Wirtschaftsnachrichten sind jedoch weder neu noch sonderlich schlecht. Die Konjunktur hat sich verlangsamt (auf eine nachhaltigere Wachstumsrate), aber sie bricht nicht zusammen. Wir glauben noch immer, dass China – trotz des unvermeidlichen Anstiegs an Forderungsausfällen, seines aufgeblähten und ineffizienten Staatsapparates und fragilen Immobilienmarktes – eine sanfte Landung gelingen wird.

Der Aktienmarkt ist jedoch kein Spiegel der Wirtschaft. Wir sagen das schon seit geraumer Zeit, und das ist auch einer der Gründe, weshalb chinesische Aktien in unseren regionalen Fonds im Vergleich zu den Benchmarks untergewichtet sind. Offen gesagt geht es in Shanghai und in Shenzhen zu wie im Kasino. Im Handel dominieren die privaten Anleger, die bei Gerüchten kaufen und bei den ersten Anzeichen von Problemen die Flucht ergreifen. Und genau deshalb können sich die Aufsichtsbehörden einen Zusammenbruch des Marktes nicht leisten – die Ersparnisse von Millionen von Kleinanlegern sind in Aktien angelegt.

Was sich im Vergleich zu Anfang letzten Jahres am stärksten verändert hat, ist die Stimmung. Mehr Menschen zweifeln daran, dass die Entscheidungsträger in der Lage sein werden, die Konjunkturverlangsamung zu steuern. Die jüngsten Vorfälle haben uns vor Augen geführt, welche Dimensionen die Probleme Chinas annehmen können, inwieweit manche Dinge nicht mehr von den Verantwortlichen direkt kontrollierbar sind und das Ausmaß in dem es unerfahrene und mit unterschiedlichen Aufgaben betraute Entscheidungsträger möglicherweise versäumen, miteinander zu sprechen.

Eine Aktienmarktbereinigung ist jedoch eine gute Sache. Das mag zugegebenermaßen egoistisch sein – wir haben China schon sehr lange untergewichtet. Aber je früher die Aktienkurse die wirklichen Aussichten der Unternehmen widerspiegeln, desto schneller wird der Aktienmarkt für langfristige Anleger attraktiv.

Im Moment bleibt China für Anleger ein schwieriges Terrain, das gründliche Due Diligence erfordert."

Nicholas Yeo
Director und Head of Equities – Hongkong
Aberdeen Asset Management

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