In jüngerer Vergangenheit kommen verstärkt positive Nachrichten aus der Euro-Zone. Die Wirtschaft wächst überraschend gut – und das nicht nur in den strukturell starken Mitgliedsländern, sondern auch in den ehemaligen Krisenstaaten. Zudem haben sich viele der Risiken, die auf politischer Ebene in der ersten Hälfte dieses Jahres lauerten, quasi in Luft aufgelöst – Stichwort Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich mit der gebannten Gefahr des Einflusses antieuropäischer Kräfte.
“Im Gegenteil ist durch die Wahl Emmanuel Macrons sogar etwas wie politische Aufbruchsstimmung in Bezug auf die Weiterentwicklung der Europäischen Union entstanden. In Italien, wo zu befürchten war, dass eine Bankenkrise den Zusammenhalt der Währungsgemeinschaft erneut gefährden könnte, kommt die Sanierung des Finanzsektors Schritt für Schritt voran. Zudem ist ein zunehmender Optimismus im Markt zu erkennen bezüglich des Wachstumsausblicks in der Euro-Zone“, so Jörn Spillmann, Leiter Aktien- und Europastrategie, Swisscanto Invest.
Der Konjunkturmotor läuft rund
Ein Blick auf die einzelnen Nachfragekomponenten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Währungsgemeinschaft zeigt, dass das Wachstum derzeit nicht nur durch die Mitgliedsländer breit abgestützt ist, sondern auch über seine Zusammensetzung. Sowohl Investitionen als auch Konsum, Staatsverbrauch und Exporte steigen seit mehreren Quartalen. Die mit einem Anteil von rund 55 Prozent größte Komponente des BIP wächst langsam aber sicher, getrieben von der Erholung am Arbeitsmarkt. Auch wenn die neu geschaffenen Stellen eher im unteren Einkommensbereich angesiedelt sind, so steigt damit doch die volkswirtschaftliche Lohnsumme insgesamt. Insbesondere in den ehemaligen Krisenstaaten besteht nach einer langen Zeit der Zurückhaltung Nachholbedarf, vor allem bei der Anschaffung langlebiger Konsumgüter.
“Auffällig ist vor allem bei den Investitionen, aber auch beim Konsum, der Zeitpunkt, an dem die Wende zum Besseren einsetzte. Dieser war Ende 2012. Daher spricht vieles dafür, dass die Ankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi, alles zu tun um den Euro zu retten, einen wesentlichen Beitrag dazu leistete. Der Satz war dafür verantwortlich, dass die Sorgen der Finanzinvestoren und Unternehmen, der Euro-Raum könnte auseinanderfallen, verflogen. Damit war die Gefahr weiterer Staatspleiten gebannt und es kehrte langsam Vertrauen in das Bankensystem zurück, so dass die Wirtschaftssubjekte ihre abwartende Haltung in Bezug auf Konsum und Investitionen langsam aufgaben. Dies gilt auch für die Regierungen der Mitgliedsländer“, sagt Spillmann.
Gute Stimmung dürfte noch eine Weile anhalten
Eine wichtige Frage ist, ob die Wirtschaft der Euro-Zone robust genug für eine Reduzierung des geldpolitischen Stimulus ist. Ihre Beantwortung hängt letztlich davon ab, ob man die Euro-Schuldenkrise als überstanden ansieht oder nicht. “Kurz‑ bis mittelfristig dürfte die Konjunktur in der Euro-Zone wohl keinen Schaden nehmen. Die EZB wird die konjunkturelle Entwicklung sehr genau beobachten und ihren geldpolitischen Stimulus nur dann und nur sehr langsam zurückführen, wenn es die Wirtschaftsdaten zulassen“, so Spillmann.
Die Situation in der Euro-Zone lässt sich derzeit sehr gut mit Aussagen wie “man muss die Feste feiern, wie sie fallen“ oder “solange die Musik spielt, muss man tanzen“ umschreiben. Die Wirtschaft erholt sich und politische Risiken sind vorerst verflogen. Die Summe der guten Nachrichten und die Zuversicht der Investoren lassen sich unter anderem an einer seit Jahresbeginn andauernden Aufwertung des Euro gegenüber fast allen wichtigen Währungen ablesen.
“Die großen strukturellen Herausforderungen der Währungsgemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten sind weiterhin ungelöst, aber in den Hintergrund gerückt. Dort dürften sie kurz‑ bis mittelfristig auch bleiben. Denn zurzeit gibt es wenige Anzeichen dafür, dass eine konjunkturelle Wende oder ein kräftiger Anstieg der Inflationsrate bevorstehen, die Investoren beunruhigen könnten. In diesem Umfeld dürften auch die politischen Risiken, etwa die italienischen Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr, beherrschbar bleiben und die Euro-Zone eine interessante Anlageregion darstellen – insbesondere im Bereich der Aktien“, meint Spillmann abschließend.