Bei den Stichworten Demographie, steigenden Sozial- und Gesundheitskosten stösst man unweigerlich auf ein Land, das ich in meinen Blogposts schon mehrmals erwähnt habe: Japan. Die Regierung von Premier Abe hat sich diesem Thema erneut angenommen und es zu einer ähnlich wichtigen und langfristigen Aufgabe (ähnlich der Obamacare von Obama) gemacht, nachhaltige Lösungen auszuarbeiten. Japan leidet – wie viele andere europäische Länder übrigens auch – an einem demografischen Problem. Die Gründe dafür sind die niedrige Fertilitätsrate und andererseits die sehr hohe Lebenserwartung. Das führt natürlich zu einer Gesellschaft, die immer älter wird bei schrumpfender Zahl der Sozialversicherten, die die Kosten für Gesundheitsversorgung und Pflege letzten Endes tragen. Tatsache ist, dass die Menschen aus diversen Gründen immer älter werden und mit zunehmendem Alter immer mehr (Gesundheits-)Kosten verursachen.
Ältere Menschen sollen schneller sterben
Der japanische Finanzminister Taro Aso – nicht gerade bekannt für seine diplomatischen Äusserungen – hat vor einigen Monaten an einem Kongress seine Lösung dieses Problems skizziert:
Die Menschen in Japan sehen sich verpflichtet zu leben, wenn sie lieber sterben wollen. Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich morgens aufstehe und weiss, dass mir die Behandlung von der Regierung bezahlt wird. Deswegen sollten sich ältere Menschen beeilen zu sterben, um die Finanzprobleme der öffentlichen Kassen zu lindern."
Diese Aussage ist sicherlich unwürdig für ein Land, das eigentlich als fortschrittlich gilt. Auf der anderen Seite ist die demographische Realität – und damit einhergehend steigende Gesundheitskosten – undiskutabel. Japan ist das erste Land weltweit, wo die Überalterung und der Bevölkerungsschwund klar zu erkennen sind (siehe unten stehende Grafik) mit schweren Folgen für die Wirtschaft. Nach einer Prognose des Forschungsinstituts für Bevölkerung und soziale Sicherheit wird die Zahl der Japaner in den nächsten 47 Jahren von derzeit 127 Mio. auf 87 Mio. Menschen schrumpfen. Gleichzeitig wird sich der Anteil der Pensionäre (d.h. 65 Jahre und älter) auf 40 Prozent verdoppeln. Die erwerbstätige Bevölkerung (Alter 15 bis 64 Jahre) wird sich in der gleichen Periode auf 44 Mio. halbieren. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Japan alt, reich und kinderarm ist, über die nächsten Jahrzehnte einen Grossteil seiner Bevölkerung verlieren wird und die Gesundheitsausgaben im Verhältnis zum BIP signifikant steigen werden. Kein so rosiges Szenario, wie ich meine. Fairerweise muss ich hinzufügen, dass Japan gegenüber anderen Industrieländern noch viel Spielraum hat, da in Japan die Pro-Kopf Ausgaben deutlich tiefer sind. Als Investment-Idee wäre da beispielsweise Unicharm zu erwähnen, eine Firma, die Windeln speziell für Senioren herstellt. Und ob Sie’s glauben oder nicht, es gibt 400 unterschiedliche Windelmodelle für Senioren. Unicharm selbst verkauft inzwischen mehr Windeln für Erwachsene als für Babys.
Strukturreformen – das ist der dritte Pfeil von Premier Abe’s Plan zur Wiederbelebung der japanischen Wirtschaft – sind dringend nötig. Nur leider habe ich bis dato weder von einer Arbeitsmarktreform noch von einer Gesundheitsreform etwas gehört. Dafür gibt es doch so einfache Rezepte wie:
- Erhöhung des Erwerbsalters (sprich länger und mehr einzahlen, um damit weniger lang Beiträge zu beziehen)
- Öffnung des Landes für mehr Immigranten ⇒ wurde bereits abgelehnt
- Frauen zurück an die Arbeit (sprich Womenomics)
Bei Letzterem sehe ich das grösste Potential, da die japanischen Frauen gut ausgebildet (über 40 Prozent haben einen Universitätsabschluss), fleissig und günstig sind. Aus ökonomischer Sicht ist das ein unterbenutztes Asset, was man aktivieren kann. Nur leider hat das klassische Rollenbild der Frau Tradition und eine Kombination zwischen Beruf und Kinderwunsch wird seit Jahrzehnten nicht gefördert. Und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Rahmenbedingungen fehlen, denn es fehlt an Kindertagesstätten, Hilfe bei der Pflege von Kindern, Teamwork und Mutterschaftsurlaub. Flexible Arbeitszeitmodelle sind absolute Fehlanzeige.
Die Financial Times argumentierte im Frühling dieses Jahres, dass Japan sein BIP um 15 Prozent steigern könnte, falls die Frauen besser in den Arbeitsprozess integriert werden.