„Überraschung und Verwunderung sind der Anfang des Begreifens“ – diese Erkenntnis geht auf den spanischen Philosophen Jose` Ortega y Gasset zurück. Viele Kommentatoren zeigten sich zuletzt überrascht darüber, dass die führende Rating-Agentur Standard & Poors laut über die Bonität der USA und Japan nachdenkt. Auch die Tatsache, dass die Inflationsrate in Österreich zuletzt bereits eine 3 vor dem Komma hatte, fand breite mediale Beachtung. Aus unserer Sicht bleibt dazu nur zu sagen: Wir sind überrascht, dass diese Tatsachen immer noch jemanden überraschen. All‘ das sind durchaus logische Entwicklungen, deren Ursachen nicht von gestern auf heute kommen. Die Gründe liegen Jahre zurück und haben sich Schritt für Schritt aufgebaut. Zu wissen, dass diese Entwicklung noch nicht zu Ende ist, ist eine wichtige Basis für strategische Entscheidungen in Ihrer Geldanlage.
Der Blick fürs Wesentliche
In der Februarausgabe des Fondsjournals haben wir ausführlich diskutiert, warum wir nicht nachvollziehen können, dass die Volkswirte und Wirtschaftsforschungsinstitute immer noch von Inflationsraten unter 2 % ausgehen und es einfach zu kurz greift, nur auf die Auslastung der Kapazitäten in der Industrie zu achten – abgesehen davon, dass diese in vielen Industrien derzeit wirklich gut ist. Aufmerksame Leser des Fondsjournals kennen auch unseren Hinweis, dass man zwar Griechenland, Irland, Portugal intensivst diskutieren kann – die wahren global wichtigen und im Prinzip ungelösten Probleme aber in den Staatsdefiziten von USA, Großbritannien und Japan liegen.
Daher gilt es weiterhin mit ruhiger Hand und klarem Blick fürs Wesentliche an den Märkten zu agieren. Der kurzfristige Zins wird noch so manche Quartale unter der Inflationsrate liegen und die Staatschuldenproblematik wird die Märkte weiter beschäftigen. Die Schlüsse für den Anleger daraus sind unverändert. Jedes Marktumfeld bietet auch Chancen, auch dieses. Solide Unternehmensanleihen sind leichter berechenbar als so manche Staatsanleihe. Gold und Rohstoffe bleiben beliebtes Diversifikationsinstrument und gerade im Aktienmarkt finden wir so manche Value-Perle.
„Hair-Cut“: Müssen Inhaber griechischer Staatsanleihen „Haare lassen“?
Was in so manchen Medien oberflächlich und sachlich nicht wirklich zutreffend als Staatsbankrott bezeichnet wird, bedeutet einfach, dass die Inhaber griechischer Staatsanleihen von 100 investierten EUR beispielsweise nur 60 EUR zurückbekommen, der Staat über diesen „hair-cut“ damit 40 % seiner Schulden abschüttelt und so eine faire Chance für einen Neustart hat. Auch hier gilt es die Gesamtheit zu erfassen. Es geht bei den angesprochenen Ländern wie Griechenland oder Portugal in letzter Konsequenz um die nicht vorhandene internationale Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft. Vor der EURO-Einführung lösten Länder wie Italien dies durch wiederholte Abwertungen. Heute müsste man das durch sinkende Löhne und Kosten lösen. Das wird nicht gehen, da man dann das jeweilige Land in schwere Rezessionen drängt, was wiederum den Schuldenstand erhöht.
Zurück am Start…
Die nachfolgende Grafik zeigt den Zinsabstand der Länder Italien, Spanien und Griechenland im Vergleich zu Deutschland. Bis zur EURO-Einführung mussten die Länder entsprechend ihrer schlechteren Bonität deutlich höhere Zinsen bezahlen als der sogenannte sichere Hafen Deutschland. In den folgenden 10 Jahren gab es eine letztendlich künstliche Anpassung, die die unterschiedliche Konkurrenzfähigkeit nicht mehr berücksichtigte. Jetzt heißt es sozusagen zurück an den Start. Investoren differenzieren wieder und verlangen – je Land und Qualität entsprechend – unterschiedliche Zinsen. Ein logischer Prozess. Wo sich dieses risikoadjustierte und nicht durch Käufe von Notenbanken manipulierte Zinsniveau befinden wird, ist die spannende Frage der kommenden Monate und vielleicht Jahre. Die Grafik ist für uns das wesentlichste Chartbild zur EURO-Situation. Schönreden hilft nicht weiter, aber auch für Weltuntergangsszenarien gibt es keinen Grund.
Staaten haben zu wenig Geld, viele Firmen zu viel
Während die Finanzen bei vielen Staaten knapp sind, sind viele internationale Top-Firmen hochliquide. Die Qualität der Bilanz und der frei verfügbare Cash sind neben vielen anderen Punkten ein wesentliches Auswahlkriterium bei unserem neuen 3 Banken Value-Aktienstrategie, die wir in zwei Wochen starten. Berechenbaren Wert, sprich Value, zu finden ist in turbulenten Zeiten anspruchsvoll. Interessanterweise finden wir gerade bei den bekannten internationalen Multis diesen Value derzeit am leichtesten.