Factor Investing Interview: Von der Theorie zur Praxis

Welche grundlegenden Schritte sollten Anleger bei der Umsetzung von Factor Investing unternehmen? Für welche Produkte sollten sie sich entscheiden? Sind auf allgemein verfügbaren Indizes basierende Produkte wirklich die beste Option? Joop Huij, Head of Factor Investing Equities & Head of Factor Indexing Research bei Robeco, verrät in diesem Interview einige Punkte. Robeco | 23.03.2018 11:57 Uhr
Joop Huij, Head of Factor Investing Equities und Head of Factor Indexing Research, Robeco / ©  Robeco
Joop Huij, Head of Factor Investing Equities und Head of Factor Indexing Research, Robeco / © Robeco
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Herr Huij, der Großteil Ihrer empirischen Forschung in den letzten Jahren bezog sich auf Aspekte der praktischen Umsetzung von Factor Investing-Strategien. Wie hat sich die Wahrnehmung dieses Ansatzes auf Seiten der Anleger in den vergangenen Jahren gewandelt? Gibt es diesbezüglich wesentliche Trends, die Sie benennen könnten?

Joop Huij: Im Bereich Factor Investing ist es in den letzten Jahren zu rapiden Entwicklungen gekommen. Aus meiner Sicht sind heute drei wichtige Trends zu beobachten, was die Wahrnehmung von Factor Investing angeht. Als ersten Trend würde ich die Tatsache erwähnen, dass Anleger zunehmend Factor Investing in ihrem Portfolio umsetzen möchten, aber nicht zwangsläufig an den eher traditionellen aktiven Strategien interessiert sind. Die Umsetzung von Factor Investing mithilfe von indexbasierten Produkten wird derzeit äußerst beliebt. Ein weiterer wichtiger Trend, den ich zur Zeit beobachte, ist die zunehmende Verbreitung von Multifaktor-Strategien. Ursprünglich investierten Anleger tendenziell nur in einen bestimmten Faktor, für den sie sich interessierten, beispielsweise Value oder Low Volatility. Mittlerweile fragen sie aber in zunehmendem Maß Lösungen nach, die ein Exposure gegenüber mehreren Faktorprämien bieten. Auf diese Weise vermindern sie den nachteiligen Einfluss von Jahren, in denen ein bestimmter Faktor sich unterdurchschnittlich entwickelt.

Als dritten Trend registriere ich am Markt den Aufstieg von Multi-Asset Factor Investing. So gibt es einen zunehmenden Bedarf nach Umsetzung von Factor Investing-Strategien über mehrere Assetklassen hinweg. Dies steht im Einklang mit der Tatsache, dass Faktoren über lange Zeiträume und in unterschiedlichen Märkten und Assetklassen empirisch gut dokumentiert bzw. ggf. falsifiziert werden sollten.

Womit sollten Anleger beginnen, die sich für Factor Investing interessieren? Welche sind die wichtigsten Aspekte, auf die sie sich fokussieren sollten? 

Joop Huij: Als erstes müssen Anleger sich bewusst werden – und ich glaube die meisten tun dies bereits –, dass die Umsetzung von Factor Investing nicht lediglich eine binäre Entscheidung darstellt. Es geht also nicht bloß darum zu entscheiden, ob man sich auf Factor Investing einlässt oder nicht, sich dann aber nicht wirklich über das Vorgehen Gedanken zu machen und einfach nur nach der günstigsten angebotenen Lösung zu suchen. Ich glaube, dass immer mehr Anlegern bewusst wird, dass die auf die Entscheidung für Factor Investing folgenden Schritte für den Erfolg ihrer Strategie von zentraler Bedeutung sind.

Die erste wichtige Entscheidung, vor der sie stehen, ist die Festlegung der Faktoren, in die sie strategisch investieren wollen. Dies mag sehr einfach klingen, ist aber alles andere als trivial. Auch prominente Forscher diskutieren nach wie vor über diesen Punkt. Einige Experten vertreten die Ansicht, dass es nur zwei relevante Faktoren gebe. Andere behaupten, dass es sechs sind und wiederum andere sprechen von 400 Faktoren. Aus Anlegersicht stellt sich natürlich diesbezüglich die Frage: wann ist ein Faktor relevant?

Wir bei Robeco haben zu diesem Aspekt umfangreiche Forschungen unternommen. Im Prinzip haben wir die eher exotischen Faktoren untersucht und ihre Effektivität im Vergleich zu einer Hand voll eher traditioneller Faktoren getestet. Die Ergebnisse unseres Research deuten darauf hin, dass die einzelnen Faktoren, die unter Berücksichtigung von Handelskosten, Steuern und allen möglichen Beschränkungen bei der praktischen Umsetzung funktionieren, diejenigen sind, die in der Forschungsliteratur gründlich getestet worden sind.

Gibt es einen weiteren wichtigen Aspekt, den Sie beleuchten möchten?

Joop Huij: Ja. Der zweite wichtige Aspekt, über den Anleger entscheiden müssen, ist die gewünschte Gewichtung jedes Faktors in ihrer strategischen Allokation. Nach meiner Überzeugung ist Diversifikation zweifellos einer der wichtigsten Punkte beim Factor Investing. Ich würde immer einen Mix empfehlen, der gut über mehrere Faktoren diversifiziert ist.

Der dritte wesentliche Schritt für Anleger, die sich für Factor Investing entschieden haben, besteht darin sicherzustellen, dass die ausgewählten Lösungen die Faktorprämien auf effiziente Weise vereinnahmen. Dies impliziert die Fähigkeit, die Risiken zu identifizieren, denen man bei der Entscheidung für Factor Investing ausgesetzt ist, und zu verstehen, welche Risiken notwendig sind und welche nicht. Aus diesem Grund halte ich es auch für sehr wichtig, Analyseinstrumente entwickeln zu können, die zur Identifikation nicht lohnender Risiken und ihrer Eliminierung beitragen.

Besteht angesichts des derzeitigen Interesses an Factor Investing nicht das Risiko einer großen Enttäuschung, insbesondere wenn Faktorstrategien plötzlich Phasen schwächerer Wertentwicklung durchlaufen?

Joop Huij: Nach meiner Wahrnehmung ist den meisten Anlegern bewusst, dass sie bei einer strategischen Allokation in einem Faktor – ebenso wie bei einer strategischen Allokation in Aktien beispielsweise – nicht erwarten können, dass die Erträge in jedem einzelnen Jahr positiv sind. Faktorbasierte Strategien muss man über einen vollständigen Konjunkturzyklus evaluieren. Außerdem glaube ich, dass die Anleger mittlerweile das Konzept der Diversifikation besser verstehen und es entsprechend schätzen. Ich sage das deshalb, weil in den letzten Jahren zu beobachten war, dass sich zwar einige Faktoren tatsächlich recht gut entwickelt haben, andere aber nicht.

Fürchten Sie angesichts der Höhe der derzeitigen Zuflüsse in Factor Investing-Strategien dennoch nicht, dass sich dieser Trend umkehren kann?

Joop Huij: Nun, so etwas beobachtet man häufig, wenn es zu einer Innovation kommt. Am Anfang gibt es immer eine Phase, in dem nur wenige von der Innovation Gebrauch machen. Mittlerweile sehen wir, dass Factor Investing große Beliebtheit erlangt. Infolgedessen treten immer mehr Assetmanager als Anbieter von Factor Investing-Produkten am Markt auf. Es scheint unvermeidlich, das einige Anleger dabei eine Enttäuschung erleben werden.

Einer der Gründe dafür ist die sehr unterschiedliche Qualität der angebotenen Produkte. Es braucht einige Zeit, bevor anhand der erzielten Erträge die besten Produkte erkennbar werden. Irgendwann wird es wahrscheinlich zu einer Marktbereinigung kommen, was keine schlechte Sache sein muss. Größere Sorgen bereitet mir aber ein anderer Aspekt, nämlich die Flut an einfachen, indexbasierten Produkten, die oft unter der Bezeichnung Smart Beta vermarktet werden.

Der Grund ist folgender: Fragt man Anleger, warum sie in diese indexbasierte Produkte investiert haben, erhält man typischerweise zwei Antworten. Die erste bezieht sich auf die niedrigen Gebühren, wogegen kaum etwas zu sagen ist. Als Anleger möchte man logischerweise nur geringe Gebühren zahlen. Die zweite Antwort betrifft den Aspekt der Transparenz, gegen den ebenfalls wenig einzuwenden ist. Als Anleger möchte man natürlich die Übersicht über das haben, in das man investiert hat.

Den meisten Leuten ist aber nicht bewusst, dass die von diesen Indizes gebotene Transparenz nicht auf sie beschränkt ist. Vielmehr handelt es sich um eine für jedermann gegebene Transparenz, weshalb andere Anleger einschließlich Brokern und Hedgefonds im Vorfeld erkennen können, welche Transaktionen erfolgen werden, und dies ausnutzen können.

Das könnte am Ende zulasten des Anlageerfolgs derjenigen gehen, die auf Grundlage dieser Indizes investieren, richtig?

Joop Huij: Genau. Und das ist für mich ein sehr schwerwiegendes Problem. Um zu überprüfen, ob dies bereits geschieht und was es für Indexanleger bedeutet, haben wir bei Robeco ein großes Research-Projekt gestartet. Ergebnis war ein von mir zusammen mit meinem Kollegen Georgy Kyosev publizierter Artikel zu diesem Thema, der Anfang 2018 der American Finance Association in Philadelphia vorgestellt wurde.” „Unsere Schlussfolgerung ist die, dass es für ein solches Front Running starke empirische Hinweise gibt. Gleichzeitig fanden wir eindeutige Hinweise auf Overcrowding in diesen allgemein verfügbaren Faktorindizes. Das erklärt zum Teil, weshalb die auf diesen Indizes beruhenden Produkte so billig sind. Ein aktiver Assetmanager muss einen Fonds gegebenenfalls schließen, wenn die Kapazität erschöpft ist, um die Bestandsanleger vor einer unvermeidlichen Verschlechterung der Wertentwicklung bei weiterem Wachstum zu schützen. Ein Indexanbieter hat keine entsprechende Verantwortung. Dasselbe gilt für Assetmanager, die Produkte anbieten, die diese Indizes nachbilden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Huij!

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