Pictet: Perspektiven für das 2. Semester

Mit welcher weiteren Entwicklung an den Wirtschafts- und Kapitalmärkte müssen Anleger rechnen? Alfred Roelli, Leiter der Finanzanalyse, und Jean-Pierre Béguelin, Chef-Volkswirt von Pictet & Cie geben einen Überblick über die Kernszenarien an den wichtigsten Märkten der Welt. Markets | 22.06.2006 17:46 Uhr
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Bei Pictet sind wir zuversichtlich für die europäische Wirtschaft. Europa wird für uns die positive Überraschung des Jahres 2006 und 2007. Nach mehr als zwei Jahren Erholung, tut der Investor allerdings gut daran, etwas vorsichtiger zu werden. Eine der Grundregeln für erfolgreiches Anlegerverhalten ist ja bekanntlich: wenn man wirklich Geld machen will, muss man dann investieren, wenn die Stimmung schlecht ist, und Gewinne mitnehmen, wenn die Sonne scheint. In dieser Betrachtung ist das leichte Geld jetzt gemacht.

Unser Kernszenario geht unverändert von einer zehnjährigen Expansionsphase aus, die im Jahre 2002 begonnen hat. In dieser Analogie sehen wir uns in einem ähnlichen Umfeld wie in 1985/86 sowie 1995/96. Die Ausrüstungsinvestitionen sind der hauptsächliche Treiber der Weltwirtschaft. Der Rückgang der Investitionsausgaben von 2000 bis 2003 ist vergleichbar in seiner Stärke mit demjenigen von 1980/1982 sowie von 1990/92. Der Anstieg dürfte demzufolge wieder ähnlich stark sein.

Zum ersten Mal seit 30 Jahren wachsen alle im MSCI-Aktienindex vertretenen entwickelten Industriestaaten gleichzeitig ohne Ausnahme. Wesentlich mitgetragen wird diese Entwicklung von der fundamental guten Lage in den Schwellenländern, die von den Preissteigerungen für Rohwaren profitieren um Investitionsprojekte durchzuziehen.

Die Risiken nehmen zu, aber der Schwung der weltwirtschaftlichen Expansion ist stark genug, um allfällige Hindernisse zu überwinden. Im Rahmen dieses Prozesses löst sich die Weltwirtschaft langsam aus der Abhängigkeit von der amerikanischen Wirtschaftsentwicklung. Diese schwächt sich ab („weiche Landung“) und der Rest der Welt übernimmt die Rolle des Konvoiführers.

In Japan ist die langerwartete Erholung da, wobei nun aber die japanische Zentralbank dezidiert Liquidität aus dem Bankensystem abschöpft. Während Jahren hat die Zentralbank im Rahmen der Nullzinspolitik (ZIRP = ZERO INTEREST RATE POLICY) massiv Liquidität ins Bankensystem eingeschossen. Diese Finanzspritzen haben in einer ersten Runde die Erholung des japanischen Finanzmarktes beschleunigt. Daneben haben sie auch ihre Wirkung auf das internationale Finanzsystem gehabt. In den sogenannten Carry Trades wurden japanische Kredite zum Beinahe-Nulltarif zur Finanzierung von weltweiten spekulativen Operationen herangezogen. Jetzt wo die Gefahr besteht, dass diese Mittel in die Realwirtschaft überschwappen, wurde es Zeit für die japanische Zentralbank, sie wieder abzuschöpfen. In einem Monat wurden so 200 Milliarden Dollar Gegenwert Sichteinlagen aus dem System herausgenommen.

In einer neuen Welt mit knapperer Liquiditätsversorgung werden die Investoren wählerischer, es wird wieder stärker differenziert zwischen unterschiedlichen Risiken. Einzelne Anlagen werden liquidiert. Damit nimmt die globale Volatilität zu. Dieser Trend zu höherer Volatilität wird über die nächsten 18 Monate anhalten.

In der Beurteilung der Ölpreissituation sind wir relativ optimistisch. Die jahrelangen Unterinvestitionen in weltweiter Exploration und Raffineriekapazitäten haben sich in den letzten zwei Jahren gerächt. Die rasche Steigerung der Nachfrage der Schwellenländer war ebenfalls eine Belastung für die Ölmärkte. Der technologische Fortschritt wird aber unterschätzt. Dies bezieht sich sowohl auf die Produktion, d.h. Exploration, als auch auf den Verbrauch, d.h. die Energieeffizienz. Das Einsparungs-Potential ist enorm. Auf weltweiter Ebene stagniert die Ölnachfrage seit einigen Monaten und gleichzeitig sind die Lager hoch. Experten sehen bereits steigende OPEC-Kapazitäten im Jahre 2007. Hinzu kommt, dass OPEC nicht mehr den Löwenanteil der Förderung kontrolliert. Die Erdölpreise dürften in der Nähe des erreichten Niveau bleiben. Dies wird sicherstellen, dass die Substitution von Erdöl ernsthafte Fortschritte macht und gleichzeitig die Investitionen in Exploration, Produktion und Verarbeitung von Erdöl genug attraktiv bleiben. Wir gehen von einem Ölpreis über die nächsten 6 Monate in der Größenordnung um die $60 aus.

Das langsame Wiedererwachen der Inflation wirft zunehmend längere Schatten auf die Zinslandschaft. Am deutlichsten zeigt sich dieser Trend im boomenden asiatischen Raum, wo angesichts der starken Wirtschaftsentwicklung die Inflation in der Nähe des Niveaus der 90er Jahre liegt. Die Notenbanken machen sich Sorgen, wie die Rhetorik von Herrn Bernanke zeigt. Die Realrenditen sind weiterhin viel zu tief. Mittelfristig sieht es nicht gut für Rentenengagements aus.

Die Phase geringer Volatilität an den Währungsmärkten geht zu Ende. Große Ungleichgewichte haben sich aufgebaut. Sowohl der Yen als auch der Schweizerfranken sind stark unterbewertet. Den Dollar sehen wir zwar durch spekulative Attacken als gefährdet, doch fundamental als adäquat bewertet. Die starke Korrektur seit 2002 hat den Dollar gegenüber der Welt auf das Gleichgewicht zurückgebracht. Ein Überschiessen des Dollar nach unten in Parallele zur Entwicklung der zweiten Hälfte der 80er-Jahre haben wir in unserem Szenario nicht eingebaut.

Das leichte Geld an den Aktienmärkten ist gemacht, Selektivität gefragt. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass weder übertriebene Angst noch übertriebene Gier unter den Anlegern festzustellen ist. In einem Umfeld steigender Zinsen sehen wir allerdings keine Expansion der Kurs/Gewinn-Verhältnisse und anderer Maßzahlen. Die soliden Bilanzen, die hohe Liquiditätsproduktion und die damit verbundenen Dividenden bilden eine solide Stütze für die Aktienmärkte. Die jüngste Korrektur der Aktienmärkte war überfällig; wir sehen eine graduelle Erholung im 2. Halbjahr 2006. Vorübergehende übertriebene Schwächephasen sind möglich. Wir würden diese als Kaufgelegenheit für längerfristig denkende Anleger interpretieren.

Der japanische Aktienmarkt ist teuer geworden und wir sehen kein großes Potential mehr dieses Jahr. Traditionell ist die Gefahr des Überschiessens in Japan hoch. Für westliche Investoren ist dies ein Vabanque-Spiel, das man den Spekulanten überlassen darf.

Die wirtschaftliche Lage der Schwellenländer hat sich dramatisch verbessert. Als Folge der Korrektur ist die Bewertung auf 11 Mal den erwarteten Gewinn von 2006 gefallen. Wenn man davon ausgeht, dass die Korrektur von Faktoren ausgelöst worden ist, die direkt nichts mit der Wirtschaftspolitik und den Wachstumsraten dieser Länder zu tun haben, und nicht mit einer globalen Rezession rechnet, scheinen diese Märkte attraktiv.

Wir haben kaum Sektorwetten in den globalen Aktienportfolios. Bei den Finanzwerten gefallen uns besonders gut die Investment-Trusts für Immobilien in Asien. In Europa setzen wir vor allem auf Luxusgüterproduzenten, sowie auf ausgewählte Firmen im Investitionsgüter und Rohwarenbereich. In den USA setzen wir ebenfalls stark auf Investitionsgüter sowie auf Halbleiterfirmen. Taiwan ist ein interessanter regionalerMarkt, in dem uns vor allem die Halbleiterfirmen gefallen.

Da wir zu Beginn einer inflationären Entwicklung stehen, bleibt die Funktion von Gold als Sicherheit gegen Geldentwertung erhalten. Hinzu kommen als Motive die Absicherung gegen geopolitische Ungewissheiten und das steigende Interesse von arabischen, indischen und chinesischen Zentralbanken, den Goldanteil an ihren wachsenden Währungsreserven eher zu erhöhen. Wir halten an unseren Positionen fest nachdem wir einige Gewinne mitgenommen haben. 



Die aktuelle wirtschaftliche Lagebeurteilung von Dr. Jean-Pierre Beguelin, Chef Oekonom von Pictet, finden Sie im Infocenter zum Download.
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