Wie MiFID II Eintrittsbarrieren und Marktkonsolidierung forciert

„Die kritische Größe in der Vermögensverwaltung wird sich klar in Richtung 100 Millionen Euro verschieben.“ | e-fundresearch.com im ausführlichen MiFID II Experteninterview mit Anja Schlick, Leiterin Asset Servicing für Financial Assets, Hauck & Aufhäuser. Markets | 07.09.2017 14:30 Uhr
Anja Schlick, Leiterin Asset Servicing für Financial Assets, Hauck & Aufhäuser / ©  Hauck und Aufhäuser
Anja Schlick, Leiterin Asset Servicing für Financial Assets, Hauck & Aufhäuser / © Hauck und Aufhäuser
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e-fundresearch.com: Frau Schlick, sofern wir keine großen Überraschungen erleben, muss MiFID II mit 3. Jänner 2018 erstmalig im Markt angewendet werden. In Ihrer Rolle als „Leiterin Asset Servicing für Financial Assets“ bei Hauck & Aufhäuser verfügen Sie über einen guten Überblick: Wie gut sehen Sie die deutschsprachige Branche vorbereitet? Anja Schlick: Die deutschen Kreditinstitute sind im Großen und Ganzen mittlerweile gut vorbereitet. Viele haben die Verschiebung des Starts um ein Jahr genutzt, um wichtige Teilprojekte voranzutreiben. Für Hauck & Aufhäuser kann ich sagen, dass wir voll im Projektplan liegen und der Einführung entsprechend gelassen entgegensehen. Viele kleinere Finanzdienstleistungsinstitute dagegen erkennen erst jetzt, wie weit sie von MiFID II betroffen sind. Teilweise gibt es hier nicht unerheblichen Aufholbedarf.

e-fundresearch.com: Gibt es bestimmte Kategorien von Marktteilnehmern, die mit Hinblick auf die Auswirkungen von MiFID II derzeit noch sehr suboptimal positioniert sind beziehungsweise MiFID II generell unterschätzen?

Schlick: Insbesondere unter den freien Finanzberatern dürfte es einige geben, die die Konsequenzen aus der MiFID-II-Umsetzung bislang nicht realistisch einschätzen. Nicht nur, dass die neuen Regeln sie vielfach zu einer kompletten Neuausrichtung ihrer jahrelang verfolgten Geschäftsmodelle zwingen; hinzu kommt je nach gewähltem Modell auch ein erheblich erhöhter Aufwand für Dokumentation, Datenaustausch und fortlaufende Depotüberwachung. Das wird sowohl zeitlich als auch finanziell zu spüren sein. Auch die nötige technische Ausrüstung ist mit Sicherheit nicht überall vorhanden. Dies beginnt schon mit einer Telefonanlage, mit der sich Kundengespräche wie gefordert aufzeichnen und komfortabel archivieren lassen.

e-fundresearch.com: Sie stehen mit zahlreichen unabhängigen Vermögensverwaltern in engem Kontakt: Welche Teilaspekte von MiFID II haben in dieser Zielgruppe in den vergangenen Monaten für den meisten Gesprächsstoff gesorgt?

Schlick: Zunächst einmal ist festzustellen, dass sich ein Großteil der unabhängigen Vermögensverwalter bereits seit langem auf den Wandel einstellt. Ohnehin verfolgen ja viele von ihnen Geschäftsmodelle, die den neuen Anforderungen an Vergütung und Kostentransparenz schon weitestgehend genügen. Andere haben ihre Vergütungsmodelle vergleichsweise weitsichtig angepasst. Dennoch bedeutet MiFID II auch für unabhängige Vermögensverwalter eine Herausforderung. Neben einer Überprüfung der Vergütungsstruktur hinsichtlich ihrer Regulierungskonformität und dem umfassenden Zuwendungsverbot beschäftigt sie zurzeit vor allem die daraus resultierende Pflicht, externes Research künftig in jedem Fall zu vergüten. Wie sich diese zusätzlichen Kosten kompensieren lassen, ist vielfach noch unklar. Aber auch die Verpflichtung, dem Kunden ex ante, also vor der jeweiligen Order, Kostentransparenz zu liefern, bedarf bei vielen Finanzinstrumenten noch der internen oder externen Entwicklung geeigneter Werkzeuge. Und schließlich ist die Neu-Organisation von Meldepflichten gemäß der MiFID-II-begleitenden Verordnung MiFIR – kurz für Markets in Financial Instruments Regulation – ein Thema. Dazu zählt die Einführung des LEI-Codes (Legal Entity Identifier), mittels dessen sich künftig Firmenkunden, aber auch Vereine, Genossenschaften und Stiftungen eindeutig zuordnen lassen, sobald sie Vertragspartner einer Finanztransaktion sind, sowie die Frage, welche der an der Transaktion beteilligten Parteien im Einzelnen was für wen meldet.

e-fundresearch.com: Die Erfüllung zunehmender regulatorischer Erfordernisse – und insbesondere MiFID II – ist mit beträchtlichen Kosten verbunden: Erwarten Sie als Resultat eine Beschleunigung der derzeitigen Konsolidierungswelle?

Schlick: Der Trend zu Fusionen, Übernahmen und Geschäftsaufgaben, den wir beobachten, wird sich zumindest fortsetzen. Bellevue und Starcapital, Manfred Stiegel und Georg Huber, Premium Asset Management und Inprimo werden nicht die einzigen bleiben. Die unzweifelhaft steigenden Fixkosten in der Vermögensverwaltung – von Research-Aufwendungen über Mitarbeiterschulungen und die Entwicklung oder den Bezug von Ex-ante-Kostenberechnungen bis zur neuen Telefonanlage – werden zur Folge haben, dass sich die kritische Größe für den erfolgreichen Betrieb einer Vermögensverwaltung von bislang vielleicht 50 Millionen Euro klar in Richtung 100 Millionen Euro verschieben wird. Das legt nahe, dass es zu weiteren Fusionen und Aufgaben kommen wird. Auch eine ganze Reihe vergleichsweise kleinvolumiger Vermögensverwalter-Fonds steht dabei zur Disposition.

e-fundresearch.com: Im Rahmen Ihrer Tätigkeit unterstützen Sie derartige Private-Label-Publikumsfonds unter anderem auch bei Marketing- und Vertriebsaktivitäten: Wie wird sich MiFID II Ihrer Meinung nach auf professionelle Fondsselektoren und andere wichtige Buy-Side-Segmente auswirken?

Schlick: Auf Seiten institutioneller Investoren wird sich nicht viel ändern. Schließlich ist das Geschäft mit dieser Investorengruppe schon jetzt ganz anders geprägt als das Privatkundengeschäft und vielfach ohnehin weitgehend MiFID-II-konform, insbesondere was Vergütungsstrukturen, Transparenz- und Reportinganforderungen betrifft. Allenfalls werden sich Stiftungen aufgrund der Investmentsteuerreform, die ebenfalls im kommenden Jahr in Kraft tritt, teilweise neu positionieren und auf spezielle steuerfrei gestellte Fondstranchen oder komplett steuerfreie reine Stiftungsfonds ausweichen. Im Retail-Vertrieb dagegen werden die Auswirkungen von MiFID II deutlich zu spüren sein. Zu erwarten ist, dass angesichts der geforderten Zielmarktdefinition und der Produktüberwachung sowie der damit notwendigerweise einhergehenden Austausch- und Abstimmungsprozesse zwischen Produktgeber und Vertrieb künftig deutlich weniger Fonds auf den Empfehlungslisten landen werden. Auch die Fondsgesellschaften werden ihr Angebot aller Voraussicht nach weiter straffen, um die Kosten für die künftig komplexeren Prozesse im Griff zu behalten. Das Ergebnis wird ein deutlich stärkerer Fokus auf einfache und leicht verständliche Core-Produkte sein.

e-fundresearch.com: Abschließend und um zunehmende Regulierung nicht immer nur als „Last“ zu sehen: Gibt es auch unerwartete Chancen, die sich durch MiFID II ergeben können?

Schlick: Klar ist zunächst: Alle Beteiligten sehen sich mit höheren Kosten für die Erfüllung der neuen Anforderungen konfrontiert, deren Nutzen im Sinn des vorrangig angestrebten erweiterten Anlegerschutzes fragwürdig bleibt. Vermögensverwaltern, denen es gelingt, die erforderlichen Strukturen so schlank wie möglich zu halten, bietet die Neuordnung aber durchaus Chancen. Sie können sich in einem sowohl auf Produkt- als auch auf Beratungsseite zunehmend standardisierten Markt noch gezielter mit ihren jeweiligen Kompetenzen positionieren und Lösungen anbieten, die Anleger anderswo immer seltener vorfinden dürften. Sei es per stark kundenoriertierter individueller Portfolio-Verwaltung, per klassischem vermögensverwaltendem Fonds oder per auf großer Sachkenntnis basierenden Spezialitäten: Vermögensverwaltern bietet sich künftig eine noch bessere Gelegenheit, Anlegern abseits einer Beratung durch Banken, Sparkassen oder Vertriebspools genau das zu bieten, was sie von einer an ihren Bedürfnissen orientierten Vermögensverwaltung zu recht erwarten.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schlick! 

Interviewpartner: Hintergrundinformationen 

Über Anja Schlick

Anja Schlick ist bei Hauck & Aufhäuser verantwortlich für den Geschäftsbereich Financial Assets Deutschland und zuständig für den Ausbau des Geschäfts mit Unabhängigen Vermögensverwaltern und institutionellen Investoren im Bereich Asset Servicing. Anja Schlick verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im institutionellen Investmentgeschäft. Sie begann ihre Karriere bei der Credit Suisse und der HypoVereinsbank im Treasury und war dann als Vertriebsdirektorin zunächst für Activest und anschließend für Pioneer Investments tätig. Bevor sie 2013 zu Hauck & Aufhäuser wechselte, war sie bei Société Générale Securities Services als Director Sales für den Vertrieb von Asset-Servicing-Dienstleistungen an in Deutschland ansässige institutionelle Kunden verantwortlich. 

Über Hauck & Aufhäuser Asset Servicing

Seit 2013 bündelt Hauck & Aufhäuser im Kerngeschäftsfeld Asset Servicing sämtliche Kundendienstleistungen, die die Vermögensadministration zum Gegenstand haben. Dazu zählen die Verwahrstellenfunktion sowie die Auflegung und Administration von sämtlichen Fondsprodukten einschließlich Verbriefungen – von UCITS über Non-UCITS bis Real Assets. Ferner gehören hierzu alle Dienstleistungen rund um das Individualkundengeschäft unabhängiger Vermögensverwalter.

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