Gastkommentar: "Die EZB-Geldpolitik hilft US-Unternehmensanleihen"

Anhand des Beispiels von US-Unternehmensanleihen analysiert Luke Farrell, Investmentdirektor Anleihen bei Capital Group, warum sich die neue Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auch außerhalb Europas bemerkbar macht: Markets | 01.09.2016 08:12 Uhr
Luke Farrell, Investmentdirektor Anleihen, Capital Group / ©  Capital Group
Luke Farrell, Investmentdirektor Anleihen, Capital Group / © Capital Group
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"Im Zeitalter der Globalisierung können wirtschaftspolitische Maßnahmen in einer Region oft weltweite Folgen haben. Das aktuelle Quantitative Easing der EZB, bei dem die Notenbank Unter­nehmensanleihen kauft, ist nicht nur für Kontinentaleuropa von Bedeutung. Zwar soll das Programm vor allem die euro­päische Wirtschaft stärken, doch kann es mittelfristig auch amerikanische Unter­nehmensanleihen zu einer interessanten Anlage machen.

Das neuste Instrument der EZB

Wegen der schwachen Euroraum-Konjunk­tur bemüht sich die EZB auf zweierlei Weise um mehr Wachstum und Inflation. Erstens wurden die Einlagenzinsen – also die Zinsen, die die Notenbank den Geschäftsbanken für täglich kündbare Einlagen zahlt – unter null gesenkt, auf zurzeit 0,4%. Zweitens gab die EZB am 10. März ein zusätzliches Quantitative-Easing-Programm bekannt. Das sogenannte Corporate Sector Purchase Program, kurz CSPP, zielt auf Unternehmens­anleihen.

Unternehmensanleihenkäufe der Noten­bank sollen das europäische Finanz­system mit zusätzlicher Liquidität versor­gen. Ziel sind niedrigere Kreditzinsen, damit die Unternehmen mehr investieren und sich Konjunktur und Arbeitsmarkt erholen. Noch wissen wir nicht, ob dies gelingt. Die Auswirkungen auf den Unternehmensanleihenmarkt sind allerdings nicht zu übersehen.

Fallende Spreads in Europa

Als die EZB Mitte März ihr neues Programm bekannt gab, hatte dies enorme Auswirkungen auf die europäischen Unternehmensanleihenspreads.

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In den ersten zwei Monaten des Jahres 2016 waren die Unternehmensanleihenkurse stark gefallen. Doch als die Inves­toren dann die günstigen Bewertungen (also höheren Renditen) erkannten und die EZB ihr neues Programm bekannt gab, erlebte die Assetklasse eine Renais­sance – noch bevor die EZB am 8. Juni tatsächlich mit den Käufen begann.

Die Unternehmensanleihenkäufe der EZB haben ein Volumen von 20 Milliarden Euro – zusätzlich zu den ursprünglichen Staatsanleihenkäufen. Sofort nach Bekanntgabe begann ein dramatischer Kursanstieg; die Spreads gegenüber Staatsanleihen gingen in den folgenden Wochen massiv zurück. Dabei beschränkte sich der Kursanstieg keinesfalls auf Europa: Auch amerikani­sche Unternehmensanleihen legten zu. Was auf den ersten Blick unverständlich erscheinen mag, ist an sich völlig logisch.

Auch die US-Unternehmensanleihenrenditen sind gefallen

Das EZB-Programm hatte große Auswirkungen auf den amerikanischen Anleihenmarkt

Die weiteren Folgen des Programms

Zum einen begeben viele US-Unterneh­men mit Niederlassungen in Europa regelmäßig Eurobonds – zum Liquidi­tätsmanagement, wegen des besseren Marktzugangs oder wegen niedrigerer Zinsen. Aus ähnlichen Gründen emit­tieren viele europäische Unternehmen Anleihen in den USA. Aufgrund des EZB-Kaufprogramms dürften amerikani­sche wie europäische Unternehmen jetzt verstärkt eurodenominierte Titel bege­ben, denn ihre Renditen sind deutlich zurückgegangen. Durch die in Europa niedrigeren Staatsanleihenrenditen und engeren Spreads sind die Coupons nied­riger als in den USA.

Aber auch die Investoren haben die Wahl zwischen Europa und den USA. Sie achten bei Anleihen des gleichen Emittenten auf die relative Bewertung. Während die EZB eurodenominierte Titel kauft, werden internationale Investoren eher auf US-An­leihen setzen. Das lässt deren Spreads fallen, sodass die Kurse steigen.

Schließlich könnte das Angebot amerika­nischer Unternehmensanleihen kurzfristig fallen, wenn die Unternehmen bevorzugt eurodenominierte Titel begeben. Das könnte bisweilen durchaus zu Knapp­heitsprämien führen. Firmen wie Caterpillar, Coca Cola, Merck und PACCAR Financial emittieren regelmäßig in den USA, ebenso wie die europäischen Unter­nehmen Anheuser-Busch InBev, Bayer, BMW, Deutsche Telekom, Nestlé, Roche, Sanofi, Shell, Telecom Italia, Unilever und Volkswagen.

Unternehmensanleihen können attraktiv bleiben

Zurzeit befinden wir uns in einer Kon­junkturphase, in der die Unternehmen typischerweise höher verschuldet sind und deshalb die Risikoprämien höher sein soll­ten. Die derzeitigen Spreads von durch­schnittlich 150 Basispunkten scheinen dies zu bestätigen; sie liegen deutlich über den Tiefstständen von etwa 90 Basispunkten.

Die Käufe der EZB haben aber für neue Nachfrage gesorgt und die Anleihen für kurz- bis mittelfristige Investoren interes­sant gemacht. Zwar endet das Programm offiziell im März 2017, ähnlich dem Quan­titative Easing in den USA, doch könnte es auch danach Angebot und Nachfrage beeinflussen – mit der Folge längerfristig niedrigerer Renditen, die die Euroraum-konjunktur fördern. Für kluge Investoren könnte der Unternehmensanleihenmarkt daher noch länger interessant sein."

Luke Farrell, Investmentdirektor Anleihen, Capital Group


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