„Winds of Change“ im europäischen Retail-Sektor

Warum europäischen Einzelhändlern Online-Plattformen (von Amazon bis Zalando) immer öfter zum Verhängnis werden, der physische Einzelhandel und insbesondere Flagship-Stores in Top-Lagen aber dennoch auch in fernerer Zukunft keineswegs obsolet werden, analysiert Cécile Blanchard, Vorstand Real Estate Market Research (La Française Real Estate Managers) in einem exklusiven Gastbeitrag auf e-fundresearch.com. Markets | 21.04.2016 19:00 Uhr
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Cécile Blanchard
Cécile Blanchard
"Der Einzelhandelssektor erlebt seit einigen Jahren einen großen Umbruch aufgrund der Geschwindigkeit der Veränderung von weltweiten Konsumtrends.
Die Explosion des Internets hat das Wachstum des Online-Shoppings an jedem Platz und zu jeder Zeit über mehrere Kanäle ermöglicht. Diese sozusagen Revolution betrifft nicht nur die Millennials, sondern die gesamte Bevölkerung. Die Internetverkäufe wachsen durchschnittlich um 15% jährlich und sollten laut der Ecommerce Foundation 2016 in Europa die Marke von 500 Milliarden EUR erreichen, wobei das Vereinigte Königreich den Markt mit einem Gesamtanteil von 30 Prozent dominiert. 2014 gab es in Frankreich laut FEVAD (dem Verband der E-Commerce- und Versandhändler) 700 Millionen Online-Transaktionen mit einem Umsatz von fast 60 Milliarden Euro. Prognosen gehen davon aus, dass 2015 die Einkäufe auf Handys und Tablets um 60% gestiegen sind. Der E-Commerce legt weiter stark zu und wird zunehmend Teil des Alltagslebens.

Die veränderten Konsumgewohnheiten führen auch zu veränderten Strategien der Einzelhändler. Es hat sich ein Wettbewerb zwischen physisch und online herausgebildet, wobei sich die Vertriebswege auch ergänzen können. Das Einzelhandelsangebot wird immer homogener, da Städte die Erreichbarkeit verbessern, um die Menschen in zentrale Einkaufsviertel zu locken. All diese Standorte weisen eine ziemlich einheitliche Mischung von Marken auf, die ähnliche Produkte verkaufen. Der E-Commerce verschlimmert diese Entwicklung noch, weil Online-Waren zwecks einfacher Identifizierung für Interneteinkäufer standardisiert werden. Zugleich fordern die Verbraucher eine erhöhte Personalisierung des Shopping-Erlebnisses, vor allem durch die Bereitstellung von ergänzenden Dienstleistungen. Die Entstehung von „Concept Stores“, in denen verschiedene Produkte zu einem bestimmten Thema an einem Ort zusammengelegt werden und oft Shopping und Gastronomie kombiniert wird, stellen eine Reaktion auf diese Anforderungen dar. Die neuen Entwicklungen haben zu einem Wachstum des „Destination Retailing“ geführt, wo Entdeckung und Genuss Vorrang vor den Kosten haben. 

"Dies schwächt die Position der Einzelhändler und zwingt Vermieter, erhebliche Mietanpassungen vorzunehmen. Dadurch werden Marken dazu gedrängt, ihre physische Präsenz zu überdenken (...)"

Trotz des schwachen Einzelhandelswachstums in Europa hat der Anstieg beim Online-Einzelhandel zu einem Rückgang des Instore-Sales geführt. Die Auslastungs-Kosten-Verhältnisse (Instore-Umsatz geteilt durch Mietpreis) steigen schnell an. Dies schwächt die Position der Einzelhändler und zwingt Vermieter, erhebliche Mietanpassungen vorzunehmen. Dadurch werden Marken dazu gedrängt, ihre physische Präsenz zu überdenken. Die deutlichste Veränderung betrifft Einzelhändler, die ihre Mietfläche in sekundären Zonen reduzieren mussten, wo die Mietwerte allerdings geringer sind. Strategien fokussieren sich auf die Erhaltung der Präsenz in den besten Zonen, um von der erhöhten Sichtbarkeit zu profitieren (was auch die Sicherung eines deutlich verbesserten Auslastungs-Kosten-Verhältnisses betrifft), während gleichzeitig eine Multichannel-Fähigkeit entwickelt wird. Dadurch ist die Leerstandsrate von Einzelhandelsgeschäften flächendeckend gestiegen, allerdings sehr unausgewogen in den verschiedenen Zonentypen.

Die jüngsten Entwicklungen der Mietwerte spiegeln diesen Sachverhalt wider. Trotz der Wirtschaftskrise sind die Mietpreise in den besten Lagen gestiegen, während sekundäre Objekte in den letzten Jahren kontinuierlich im Wert gesunken sind. Die deutliche Verengung der Spitzenrenditen unterstreicht diese Unausgewogenheit. Die Kapitalwerte für die besten Einzelhandelsimmobilien in den EU-15-Staaten sind von Anfang 1986 bis Ende 2015 um das Achtfache gestiegen. Bei Büros haben sie sich im selben Zeitraum nur um das Vierfache, bei Industriegebäuden um das Dreifache erhöht (Quelle: CBRE). 

"Dies zeigt, dass der physische Einzelhandel keineswegs obsolet ist. Im Gegenteil ist er das Herzstück der Markenentwicklung und scheint in der Lage zu sein, sich stets neu zu erfinden,..."

Dazu hat der Bedarf von sogenannten E-Retailern beigetragen, die sich auf gut sichtbare Flagship-Stores konzentrieren, um ihre Strategien zu stärken. Dies zeigt, dass der physische Einzelhandel keineswegs obsolet ist. Im Gegenteil ist er das Herzstück der Markenentwicklung und scheint in der Lage zu sein, sich stets neu zu erfinden, um den Bedürfnissen einer zunehmend anspruchsvolleren Kundschaft gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund glauben wir, dass sich die Wertschätzung des Kapitalwerts für Prime Assets fortsetzen wird. Für Investoren kombinieren Einzelhandelsimmobilien regelmäßige Mieteinnahmen mit Kapitalwachstum unter der Bedingung, dass der Vermögenswert zu den am stärksten nachgefragten gehört. Die Qualität des Standortes bleibt essenziell und muss das erste Kriterium sein, wenn eine Akquisition geprüft wird.

Man muss jedoch bedenken, dass nur die größten Städte von diesen Trends in vollem Umfang profitieren. Die Größe einer Stadt bestimmt, wie sehr öffentliche Verkehrsmittel bereitstehen, und damit die Vitalität des Stadtzentrums. Um Zonen zu identifizieren, die voraussichtlich am meisten von veränderten Konsumtrends profitieren und somit die stärksten Anlagerenditen verzeichnen, hat La Française ein Scoring-Modell entwickelt. Die Kriterien reichen von Entwicklungen in der urbanen Struktur bis zur Besucherpopularität einer Stadt (unter Berücksichtigung der Termine von großen Kultur- und Sportveranstaltungen), wobei das Modell Städte mit aktueller Attraktivität berücksichtigt, aber auch Standorte mit Aussicht auf zukünftige Stärken. Das Modell beruht auf makroökonomischen Daten (Bevölkerung, Wirtschaftswachstum, Kaufkraft und quantitatives touristisches Interesse) sowie auf handelsspezifischen Zahlen wie Einzelhandelsumsätzen, Mietwerten und ‑erträgen (sowohl historische als auch prognostizierte Datensätze). Schließlich werden die Zonen individuell beurteilt auf Grundlage der bewährten Expertise des La Française Teams. Das Modell bereitet somit die wachsenden Unterschiede zwischen den Standorten auf, um zu ermitteln, wo sich Immobilieninvestitionen am stabilsten und profitabelsten erweisen werden. 

„Es könnte nicht mehr auf dem Spiel stehen für Volkswirtschaften, deren BIP-Wachstum weitgehend auf dem privaten Konsum beruht.“

Zusammengefasst ist es unsere Überzeugung, dass der Einzelhandel im Stadtzentrum, ob an der Hauptstraße, in einer Einkaufspassage oder in einem Einkaufszentrum, mit diesen neuen Konsumtrends umzugehen weiß. Es könnte nicht mehr auf dem Spiel stehen für Volkswirtschaften, deren BIP-Wachstum weitgehend auf dem privaten Konsum beruht. Investoren sind bereit, hohe Preise für Assets zu zahlen, die laufende Mieterträge über einen langfristigen Zeitraum bei nur einem geringen Kapitalverlustrisiko garantieren. Dies wird die Strategie der Wahl für Investoren bleiben, da sie an jede Phase des Immobilienyzklus angepasst ist: Wenn die Preise steigen, betonen die Kapitalwerte dieser Assets den Anstieg. Während eines Abschwungs zeigen sie eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit, was zu einer begrenzten Volatilität des Portfolios führt."

Cécile Blanchard, Vorstand Real Estate Market Research, La Française Real Estate Managers

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