Auf der Suche nach Substanz im alten Europa

In dem von John Kimelman, Barron’s Online, geführten Interview erklärt Philippe Brugere-Trelat, Fondsmanager des Franklin Mutual European Fund, warum er interessante Investmentchancen in Europa sieht und warum er ein Fan des Aufzüge- und Rolltreppenmarktes ist. Managers | 20.06.2005 11:17 Uhr
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Einen disziplinierten Value-Investor wie Philippe Brugere-Trelat kann eine lausige Wirtschaftsentwicklung nicht erschüttern. Gerade jetzt prognostiziert der neue Fondsmanager des Franklin Mutual European Fund, dass es in den bedeutenden nationalen Volkswirtschaften Westeuropas kein oder nur ein geringes Wirtschaftswachstum geben wird. Und gerade hier kauft er vorwiegend ein.

Da er grundsätzlich keine Aktien der zwar dynamischen, aber wenig liquiden Märkte Osteuropas im Portfolio hält, müsste die schwache Konjunktur in Ländern wie Frankreich, Deutschland und Italien für ihn ein großes Problem darstellen.
Aber Philippe Brugere-Trelat, ein Franzose, der seit über 20 Jahren in Europa investiert, wettet nicht auf die künftige Konjunktur oder auf Währungsentwicklungen.

Er stellt auch ungern Spekulationen über die allgemeine konjunkturelle Lage an. Viel lieber sucht er nach Unternehmen, die preiswert sind, viel Liquidität generieren und vor Sanierungsmaßnahmen stehen könnten, die eventuell Substanz freisetzen. Derartige Aktien können nach seiner Überzeugung auch in einem rauen Konjunkturklima gedeihen. Gerade jetzt beurteilt er die Aussichten für Anglo American (Mischkonzern, Bergbau und Papier) und Schindler Group (Schweiz, Aufzüge und Rolltreppen) äußerst positiv. Zudem hält er viel von den großen europäischen Tabakaktien, u.a. British American Tobacco, Imperial Tobacco Group und Altadis.

 

Das Interview:

Wie beurteilen Sie die Aussichten für die Konjunktur in Europa und die Aktien in dieser Region?
Derzeit sind die Aussichten für die Konjunktur in Europa gedämpft. Die BIP-Wachstumsschätzungen für die Region werden laufend nach unten revidiert. Mit viel Glück werden die EU-Länder ein BIP-Wachstum von 1% erreichen. Die Wirtschaft leidet unter den hohen Energiepreisen und dem starken Euro. Er schadet der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, weil dadurch ihre Exportwaren vergleichsweise teuerer sind als vergleichbare Waren, die von US-Unternehmen hergestellt werden. In vielen Ländern sind die Arbeitslosenzahlen hoch und die Konsumausgaben niedrig. Aber gerade dieser Druck zwingt viele Unternehmen, etwas dagegen zu unternehmen und ihre Sanierung zu beschleunigen.

In Bezug auf die nächsten 12 Monate bin ich äußerst skeptisch. Bei Investments finden wir jedoch eine Reihe von Situationen, die unseren Value-Kriterien entsprechen. Aus schwierigen Umständen heraus entstehen nämlich sehr gute Investment-Möglichkeiten.


Wie bewerten Sie US-Aktien im Vergleich zu europäischen Aktien?
Die europäischen Aktien sind preiswerter als die amerikanischen Aktien und schütten höhere Dividenden aus. Im historischen Vergleich hatten europäische Aktien ein KGV um die 15, d.h. sie liegen damit unter den US-Aktien. Zudem wird derzeit in den europäischen Unternehmen viel saniert. Ich bin davon überzeugt, dass die besten Investmentchancen aus schwierigen Situationen heraus entstehen.

Nennen Sie bitte als Beispiel ein Unternehmen, dessen Aktien Sie kürzlich erworben haben.
Über zwei der veröffentlichten Top-Beteiligungen kann ich hier sprechen. Das erste Beispiel ist der diversifizierte Bergbaukonzern Anglo American (ADR-Symbol: AAUK).

Was ist das Besondere an Anglo American?
Anglo wird mit einem beträchtlichen Abschlag gegenüber den beiden anderen großen Bergbaukonzernen - Rio Tinto und BHP Billiton - gehandelt. Anglo wird mit einem KGV von knapp unter 12 gehandelt; Rio Tinto mit 15 und BHP mit über 24.

Warum ist Anglo American so viel preiswerter als die Mitbewerber?
Dem Unternehmen wird ein höheres politisches Risiko als den beiden anderen nachgesagt, da es stark in Südafrika engagiert ist. Darüber hinaus wird das Unternehmen abgestraft, weil es über ein stark diversifiziertes Portfolio an Geschäftsfeldern verfügt - u.a. Diamanten, Platin, Industrie-Mineralien, und sogar Papier und Verpackungen. Es ist derzeit nicht so ausschließlich wie die beiden anderen auf Metalle konzentriert - aber gerade Metalle führen zu höheren Bewertungen durch die Anleger. Ich sehe allerdings die Vielfalt von Anglo American als Plattform zur Restrukturierung des Unternehmens. Meiner Meinung nach besteht bei Anglo ein großes Potenzial für die Neuausrichtung von einigen Geschäftsfeldern.

Was genau werden sie nach Ihrer Meinung tun?
Nun, sie könnten sicherlich ihre Beteiligungen in den Bereichen Papier und Verpackung verkaufen, die offensichtlich nicht zu den anderen Geschäftsfeldern passen und das KGV der Aktie verwässern.

Was halten Sie von den politischen Risiken in Bezug auf Südafrika?
Die Ansichten, über die ausführlich gesprochen wird, beziehen sich nur auf bekannte Fakten, die Position der Regierung ist ebenfalls bekannt. Es gibt natürlich ein Risiko. Aber es ist nicht so gravierend wie allgemein angenommen.

Über welches Unternehmen in Ihrem Portfolio möchten Sie noch sprechen?
Das zweite Unternehmen mit äußerst attraktivem Aufwärtspotenzial ist Schindler, ein Schweizer Konzern, der weltweit zu den größten Herstellern von Aufzügen und Rolltreppen gehört. Die Aktie wird an der Börse von Zürich gehandelt.

Was gefällt Ihnen an Schindler?
Mir gefällt der Markt, in dem der Konzern tätig ist, da es sich um ein Oligopol handelt - die größten drei Unternehmen decken über 75% des Marktes ab. Es gibt hohe Eintrittsbarrieren. Das Geld wird vorwiegend mit dem Kundendienst für Aufzüge und Rolltreppen verdient, und die Kundendienst-Verträge weisen in 99% der Fälle eine sehr lange Laufzeit auf. Das Unternehmen generiert einen sehr hohen Ertrag auf das investierte Kapital. Es lebt vorwiegend von den Abschlags- und Anzahlungen der Kunden. Und Schindler generiert eine Menge Cash - das Unternehmen weist eine Rendite des freien Cashflow von etwa 12% des gesamten Unternehmenswerts auf, was ungewöhnlich viel ist. Normalerweise liegt die Rendite europäischer Unternehmen bei etwa 6%. Daher ist dieses Unternehmen für uns sehr substanzhaltig. Für die nächsten 12 Monate gehen wir von einem enormen Aufwärtspotenzial aus.

Drei der größten Werte Ihres Portfolios sind Tabakunternehmen. Warum haben Sie Tabakaktien so stark gewichtet?
Wir mögen Tabakkonzerne, weil sie einen enormen freien Cashflow generieren. Die einschneidenden Kostensenkungsprogramme laufen bereits seit einiger Zeit. Zwar ist das Umsatzwachstum gering, aber es besteht eine beträchtliche Konsolidierungsdynamik. Bei Unternehmen in dieser Branche kommt es weniger auf Umsatzwachstum, sondern auf größere Marktanteile an.

Warum haben Aktien in Europa offenbar nicht auf die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden reagiert, wodurch die Verfassung praktisch tot ist?
Erstens: Die Ablehnung der Verfassung in Frankreich hat nach meiner Meinung wenig mit der Verfassung selbst zu tun. Es war mehr ein Misstrauensvotum gegen die amtierende französische Regierung wegen der hohen Arbeitslosigkeit. Die Menschen hatten die Nase voll und nutzten die Abstimmung, um ihre Ablehnung der Regierung auszudrücken. Ich meine, die Referenden waren für den Aktienmarkt bedeutungslos. Die wesentliche Folge der Ablehnung war eine Schwächung des Euro. Der Markt profitierte davon, da ein schwacher Euro die Exporte erleichtert.

Gibt es bestimmte Branchen, die Sie meiden?
Wir haben keinerlei Vorurteile. Bisher haben wir allerdings wenig in die Biotechnologie investiert. Eine Internet-Aktie hatten wir noch nie im Portfolio. Das sind aber nur zwei Branchen. Davon abgesehen dürften wir überall engagiert sein.

Ihr Portfolio zeigt, dass Sie bei bekannten nichtzyklischen Konsumwerten und Finanzdienstleistern besonders stark engagiert sind.
Ja. Wir haben diese Aktien zu sehr günstigen KGVWerten erworben. Es sind äußerst solide Unternehmen mit globaler Marktpositionierung, mit sehr aktionärsfreundlichen Vorständen, und wir mögen sie.

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