Zertifikate – sicherer Hafen oder Boot im Sturm?

Zertifikate erfreuen sich zunehmender Beliebtheit sowohl bei Anlegern als auch Emittenten, erlauben sie doch eine ungeahnte Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Sind die als risikoarm beschriebene Zertifikate wirklich immer so harmlos, wie sie auf den ersten Blick erscheinen? Funds | 31.12.2007 06:00 Uhr
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Durch die „Verpackung“ in Zertifikate wurden Alternative Investments auch für institutionelle Anleger und Unternehmen der Finanzindustrie interessant, die vor einer direkten Anlage in risikoreichere Veranlagungen wie Devisen, Aktien und Rohstoffe, derivative Finanzinstrumente oder kombinierte Produkte zurückschrecken.

In Zeiten von niedrigen Zinsen und geringen Renditen waren und sind viele Anleger auf der Suche nach neuen, ertragreicheren Anlageformen. Anleihen, Aktien und Investmentfonds bringen manchem Anleger zu wenig Rendite. Hedge Funds und derivative Finanzinstrumente – wie etwa Optionen, Futures, etc. – erscheinen jedoch oft zu risikoreich. In dieser Situation schlägt die Stunde der Zertifikate. Sie kombinieren die Vorteile von Anleihen mit den Vorteilen von anderen Anlageformen, können doch durch die Verbriefung die Sicherheit eines Emittenten mit den Ertragschancen von risikoreicheren Anlagen kombiniert werden. Die Ausgestaltung eines Zertifikates kann dabei sehr unterschiedlich sein und erklärt die große Zahl an verschiedenen Zertifikaten.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass als risikoarm beschriebene Zertifikate nicht immer so harmlos sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Es stellt sich die Frage, wie Zertifikate einerseits aus aufsichtsrechtlicher Sicht und andererseits im Rahmen des Jahresabschlusses zu beurteilen sind.

Vom Bond zum Spekulationsobjekt

Technisch gesprochen sind Zertifikate oft nichts anderes als ein strukturiertes Produkt, das sich aus einer Anleihe und einem oder mehreren marktüblichen derivativen Finanzinstrument(en) zusammensetzt. Über die Kombination dieser Elemente in einem Produkt sollen die Vorteile einer Anleihe und einem oder mehreren eingebetteten Derivate(n) als Marktrisiko-Komponente verknüpft werden. Dies bedeutet, dass in der Regel entweder der Ertrag oder der Rückzahlungsbetrag oder aber beides von der Marktentwicklung eines oder mehrerer Marktrisikofaktoren abhängen. Während anfänglich Zertifikate mit Zinsstrukturen im Vordergrund standen und eher am weniger riskanten Ende des Anlagespektrums angesiedelt waren, haben sich rasch Anbieter gefunden, die immer größere und eine steigende Anzahl verschiedener Risiken in ein Produkt verpackten. Zertifikate ermöglichen mittlerweile an der Wertentwicklung eines zu Grunde liegenden Wertes wie Aktien, Indices, Rohstoffe oder Fremdwährungen zu partizipieren; sogar bis hin zu Fußballergebnissen.

Gerade in den letzten Jahren war zu beobachten, dass auch immer mehr Unternehmen der Finanzindustrie in Zertifikate investiert haben. Aus Sicht professioneller Marktteilnehmer – Banken, Versicherungen und andere Investoren – wurden Zertifikate zunehmend als Verpackung, sogenannte „Wrapper“, für risikoreichere Anlagen eingesetzt. Dieser Trend ging zuletzt soweit, dass Zertifikate als Hülle für auf die individuellen Bedürfnisse des Investors maßgeschneiderte Veranlagungsportfolien eingesetzt wurden. Mit dieser Lösung hat sich eine Alternative zu den sehr stark reglementierten und in der Veranlagung beschränkten Investmentfonds etabliert.

Auf den ersten Blick scheinen die Vorteile zu überwiegen, da Zertifikate als Basisinstrument Schuldverschreibungen verwenden und daher die enthaltenen Marktrisiken weder in der Bilanz noch im Rahmen der Eigenmittelberechnungen eine Rolle spielen sollten.

Abbildung im Jahresabschluss

Grundsätzlich gilt im österreichischen Jahresabschluss der Grundsatz, dass einheitliche Verträge einheitlich bilanziert werden. Dieser Grundsatz gilt aber nur eingeschränkt für strukturierte Produkte – wie etwa Zertifikate. Insbesondere bei den Hebelprodukten sind Gestaltungen vorstellbar, bei denen eine getrennte Bilanzierung des eingebetteten Derivats und des Bonds erforderlich ist.

Ein wenig anders stellt sich dies in einem Konzernabschluss nach IFRS dar. Ein Grundsatz der IFRS ist es, dass alle Derivate ausnahmslos erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzieren sind. Nun gibt es auch nach IFRS – zwar stark eingeschränkt, aber doch – die Möglichkeit Anleihen (gemäß „Rahmenvertrag“) zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bilanzieren. Um bilanzpolitische Maßnahmen zu vermeiden, die diese Möglichkeiten nutzen, sehen die IFRS aber vor, dass alle eingebetteten Derivate, die nicht eng mit einem Rahmenvertrag verknüpft sind, sondern den Anleger einem anleihenuntypischen Risiko aussetzen, jedenfalls vom Rahmenkontrakt zu trennen und gesondert als eigenes Finanzinstrument erfolgswirksam zu bewerten sind.

Eine enge Verknüpfung zwischen dem Rahmenvertrag und einem eingebetteten Derivat ist in der Regel nur bei Zertifikaten mit Zinsstrukturen und Kapitalgarantie gegeben. Bei anderen Zertifikaten wird daher meist Trennungspflicht gegeben sein. Dies hat dann zur Folge, dass die mit einem Zertifikat erworbenen Marktrisiken erfolgswirksam zu bewerten sind und damit zu einer mitunter ungewollten Schwankung in der Ergebnisrechnung führen. Es ist daher im Sinne einer gezielten und beeinflussbaren Bilanzsteuerung erforderlich, die bilanziellen Auswirkungen von Veranlagungen in Zertifikaten bereits im Anlageentscheidungsprozess zu
berücksichtigen.

Aufsichtsrechtliche Beurteilung bei Banken

Für die Beurteilung von Zertifikaten aus aufsichtsrechtlicher Sicht nach dem Standardansatz ist die Einstufung des Wertpapiers in eine der nach § 22a BWG definierten Forderungsklassen erforderlich. Hauptemittenten von Zertifikaten sind Kreditinstitute, weshalb eine Zuordnung zu den Forderungen an Institute nahe liegend wäre. Je nach Ratingeinstufung des Sitzstaates des Emittenten kommt ein Gewichtungsfaktor von 20% bis 150% zum Tragen. Allerdings ist es auch denkbar, dass die Einstufung in die Kategorie der Forderungen mit hohem Risiko erfolgen muss. Dies wäre dann erforderlich, wenn das Zertifikat in wirtschaftlicher Betrachtungsweise einem Investment in Private Equity oder ähnlichen Investitionen mit Residualwertanspruch mit hohem Risiko entspricht. Insbesondere bei Sonderkonstruktionen, bei denen Zertifikate als „Verpackung“ von Hedge Funds genutzt werden, ist so eine Einstufung denkbar.

Nach dem IRB-Ansatz kommt ebenfalls zuerst eine Zuordnung in die Kategorie der Forderungen an Kreditinstitute zur Anwendung, sofern es sich um „einfach strukturierte“ Produkte handelt. Unter einfach strukturierten Produkten wird man jedenfalls Zertifikate mit Zinsstrukturen und Kapitalgarantie einstufen können. Die Abgrenzung ist aber immer von der jeweiligen Ausgestaltung abhängig und muss daher anhand der konkreten Vertragsbedingungen beurteilt werden. Die konkrete Höhe des Forderungswerts und damit die Höhe des Eigenmittelverbrauchs hängen dabei vom verwendeten internen Modell ab.

Abweichend dazu sind aber Zertifikate, die in ihrem wirtschaftlichen Gehalt einer Beteiligungsposition entsprechen, im IRB-Ansatz nach den Bestimmungen für Beteiligungswerte zu behandeln. Dies gilt auch dann, wenn die Zertifikate eine begrenzte Laufzeit aufweisen. Eine Einstufung von Zertifikaten als Beteiligungswert wird insbesondere dann erforderlich sein, wenn der Rückzahlungsbetrag von der Wertentwicklung von Hedge Funds, Aktien oder Aktienportfolien oder ähnlichen eigenkapitalähnlichen Werten abhängt. Die Höhe des gewichteten Forderungswertes für Beteiligungswerte beträgt zwischen 190% und 370% des Forderungswerts und somit ein Vielfaches der Eigenmittel nach Standardansatz.

Daher gilt es auch bei Entscheidungen über die Art und Weise der Strukturierung die aufsichtsrechtlichen Auswirkungen zu überprüfen, da diese eine wesentliche Auswirkung auf die Eigenmittelerfordernisse haben können.

Aufsichtsrechtliche Beurteilung bei Versicherungen

Versicherungen müssen bei der Veranlagung auf den Grundsatz der Sicherheit der Veranlagung besondere Rücksicht nehmen. Bei Veranlagungen, die dem Deckungsstock gewidmet sind, sind zusätzlich noch die Anrechungsgrenzen der Kapitalanlageverordnung 2002 einzuhalten. Strukturierte Schuldverschreibungen dürfen dabei bis maximal 10% des Volumens dem Deckungsstock gewidmet werden. Somit ist die Veranlagung in Zertifikate weniger problematisch als bei Banken, obschon die Risiken aus den eingebetteten Derivaten im Rahmen des unternehmensinternen Risikomanagementsystems gesonderter Aufmerksamkeit bedürfen.

Steuerlicher Unterschied zum Direktinvestment

Aus steuerlicher Sicht ist insbesondere für Privatanleger zu beachten, dass für Indexzertifikate (das sind Zertifikate, deren Rückzahlungspreis sich nach der Wertentwicklung eines Index richtet), die nach dem 29. Februar 2004 emittiert wurden, unabhängig von der Behaltefrist die gesamte Wertsteigerung über dem Emissionswert mit 25% (KESt oder Sondersteuersatz bei ausländischem Depot) zu versteuern ist.

Im Vergleich zu einem Direktinvestment ergibt sich daher der Unterschied, dass realisierte Wertsteigerungen von z.B. Aktien nur innerhalb eines Jahres (dann allerdings mit dem progressiven Einkommenssteuersatz von bis zu 50%) zu versteuern sind. Nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist ist die erzielte Wertsteigerung für den Privatinvestor steuerfrei. Sollte es sich bei dem Zertifikat allerdings um ein so genanntes Hebel- bzw. Turbozertifikat handeln (ein solches liegt vor wenn der anfängliche Kapitaleinsatz maximal 20% im Verhältnis zum zugrunde liegenden Basiswert beträgt), so ist dieses wegen seiner spekulativen Natur wie ein Direktinvestment und nicht wie ein Indexzertifikat zu besteuern. Weiters gibt es für Daueremissionen bestimmte Übergangsregelungen, die ebenfalls zu beachten sind.

Sicherer Investmenthafen oder Boot im Sturm?

Die eingangs gestellte Frage lässt sich auch nach eingehender Betrachtung nicht allgemein gültig beantworten. Aus Sicht des Vorstands, der für das Ergebnis des Unternehmens der Finanzindustrie verantwortlich ist, stellen Zertifikate eine flexible Möglichkeit der Veranlagung dar, die geeignet ist, Anlagen in Alternative Investments zu tätigen. Dies kann sowohl positive Aspekte hinsichtlich der Risikostreuung als auch Ertragssteigerungen wegen geringer Korrelation mit anderen Investments zeigen.

Auf der anderen Seite konnte gezeigt werden, dass sowohl nach IFRS als auch nach Basel II unerwünschte und unerwartete Effekte auftreten können, die aus einer guten Anlage einen Problemfall machen. Es empfiehlt sich daher insbesondere für jene Unternehmen, die mit Ende 2007 auf IFRS umstellen müssen oder aber mit Ende des Jahres die neuen Eigenmittelvorschriften nach Basel II erstmalig anwenden müssen, noch vor Jahresende zu überprüfen, bei welchen Zertifikaten solche unerwünschte Effekte zu erwarten sind und entsprechende Schritte zu unternehmen.


Zum Autor: Mag. Gerhard Margetich ist Steuerberater beim weltweit führenden Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen PricewaterhouseCoopers.


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