130/30-Fonds: Formel zum Erfolg?

Immer mehr Fondsgesellschaften bieten ihren Kunden so 130/30-Fonds an. So führen beispielsweise AXA Rosenberg, DWS, Fortis, Goldman Sachs, JPMorgan, Threadneedle und UBS seit kurzem derartige Produkte oder planen dies. Grund genug, sich genauer damit zu beschäftigen. Funds | 09.07.2007 10:52 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das Konzept

Grundsätzlich verfolgen Manager aktiv verwalteter Investmentfonds das Ziel, gegenüber ihrem jeweiligen Vergleichsindex einen Zusatzertrag zu erwirtschaften. Als Instrumentarium dafür steht bei klassischen Fonds ausschließlich die bewusste Über- oder Untergewichtung einzelner Titel im Portfolio zur Verfügung. Werte, die besonders aussichtsreich erscheinen, werden höher gewichtet als dies in der Benchmark der Fall ist. Wenn vom Fondsmanager dagegen bestimmte Papiere schlechter eingeschätzt werden als der Gesamtmarkt, dann kommen diese entweder gar nicht in das Fondsvermögen oder nur mit einem geringeren Gewicht. Zu berücksichtigen ist dabei, dass aufgrund gesetzlicher Streuungsvorschriften im Regelfall maximal 10 Prozent des Vermögens in einem Titel veranlagt werden dürfen. Diese Einschränkungen werden durch die neuen 130/30-Fonds zum Teil aufgebrochen. Im Gegensatz zu den traditionellen „Long-only“-Produkten stehen ihnen zusätzliche Anlagemöglichkeiten zur Verfügung, mit denen versucht wird, höhere risikoadjustierte Erträge zu erzielen.

Die Umsetzung

Zunächst werden bei 130/30-Fonds – genauso wie bei herkömmlichen Aktienfonds – 100 Prozent des Kapitals am Aktienmarkt veranlagt. Gleichzeitig kann der Fondsmanager aber mit 30 Prozent des Vermögens „short“ gehen, d.h. mittels eingesetzter Derivate so genannte Leerverkäufe für jene Titel tätigen, deren künftige Kursentwicklung er negativ beurteilt. Um marktneutral zu agieren, erwirbt er aber – mittels der dafür eingenommenen Prämie – im gleichen Ausmaß zusätzliche Unternehmensbeteiligungen, die ihm besonders ertragreich erscheinen (geht „long“).

Als Ergebnis dieses Prozesses bleibt der Netto-Investitionsgrad zwar bei 100 Prozent, aber der Brutto-Investitionsgrad beträgt 160 Prozent (130+30). Dadurch können wahrgenommene Marktchancen deutlich stärker umgesetzt werden.

Warum gerade 130/30?

Analysen haben gezeigt, dass zwar grundsätzlich mit zunehmender Erhöhung des sogenannten „Overlays“ das Alpha deutlich gesteigert werden kann, allerdings ab einer gewissen Größe die Zuwachsrate deutlich abnimmt. Folgende Abbildung zeigt, dass beispielsweise der Alpha-Gewinn zwischen „Long-only“ (d.h. 100/00) und 120/20 deutlich stärker ausfällt, als zwischen 120/20 und 140/40. Angesichts der mit dem Derivate-Einsatz verbundenen Kosten, hat sich die Formel 130/30 als am zweckmäßigsten herauskristallisiert.

Im Gegensatz zu „Absolute Return Fonds“ sind 130/30-Fonds benchmark-orientiert, d.h. sie zielen darauf ab, relativ zu ihrem Vergleichsindex einen Zusatzertrag zu erwirtschaften. In Phasen allgemeiner Marktschwäche (Baisse) ist also auch bei diesen Produkten mit keiner positiven Performance zu rechnen.

Komplett neu oder „alles schon da gewesen“?

Die 130/30-Strategie ist bereits vor etwa 30 Jahren in den USA entwickelt worden, stand aber bislang primär institutionellen Anlegern zur Verfügung. Nach aktuellen Untersuchungen sollen weltweit bereits um die USD 50 Mrd. nach diesem Stil gemanagt werden (vor allem für amerikanische Pensionskassen). Dessen Einsatz ist übrigens sowohl im Aktien- als auch Anleihenbereich möglich, wobei selbstverständlich auch Schwerpunkte (z.B. regionale Ausrichtung) möglich sind.

Auch wenn 130/30 bereits seit Jahrzehnten im institutionellen Einsatz ist, liegen uns zuverlässige und nachvollziehbare Langfrist-Performancedaten nicht vor. Außerdem unterscheiden sich die Stile im Detail zu stark, um daraus allgemeine Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit treffen zu können. Fest steht allerdings, dass bei weitem nicht alle Produkte die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen konnten, sondern deren Wertentwicklung zum Teil erheblich unter jener ihrer Vergleichsindizes liegt.

In Europa haben erst die gelockerten Derivate-Vorschriften der UCITS III die richtlinienkonforme Ausgestaltung dieser Strategie ermöglicht, was für die länderübergreifende Zulassung der Produkte wichtig ist.

Vorteile und Zielsetzung

Die meisten Fondsmanager haben nicht nur eine Meinung darüber, welche Aktien besonders aussichtsreich sind, sondern auch über die unattraktivsten Titel. Diese Analysen können sie mit den 130/30-Fonds nun effizienter umsetzen. Durch Leerverkauf der am schwächsten eingeschätzten Aktien aus dem Anlageuniversum besteht die Chance, in Bezug auf die Performance eine deutlichere Abkopplung vom Gesamtmarkt zu erreichen. Dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass in den meisten Indizes die Gewichtung einzelner Titel überaus gering ausfällt und deshalb bei klassischen Fonds der Handlungsspielraum sehr eingeschränkt ist. Der Median der Gewichtung des breiten amerikanischen Aktienindex S&P 500 liegt zum Beispiel bei lediglich 0,1 Prozent.

Bei 130/30-Fonds können dagegen die „Wetten“ auf die Underperformance von bestimmten Aktien durch Leerverkäufe viel stärker ausfallen. Gleichzeitig können die Werte mit den interessantesten Aussichten höher gewichtet werden, als dies mit traditionellen, derivate-freien Strategien der Fall ist. Durch diese Maßnahme wird darauf abgezielt, eine Outperformance gegenüber dem Index zu erreichen ohne gleichzeitig das Marktrisiko wesentlich zu erhöhen. Damit soll die so genannte Information Ratio gesteigert werden.

Die Gefahren

Das wichtigste Verkaufsargument beinhaltet gleichzeitig auch das Hauptrisiko dieser Fondsgattung: Durch die Hebelwirkung der Derivate werden die Einschätzungen und Entscheidungen des Fondsmanagers verstärkt. Liegt er falsch, können somit auch deutlich negative Abweichungen zum Index entstehen. Dieser Minderertrag kann stärker ausfallen als bei traditionellen Produkten, die nur auf steigende Kurse setzen.

130/30-Fonds sind bzgl. ihrer Ausrichtung zwischen Hedge-Fonds und klassischen Fonds einzustufen. Insbesondere durch den starken Einsatz derivativer Instrumente sind hohe Anforderungen an das Risikomanagement-System gegeben. Außerdem kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass jeder erfolgreiche Manager eines klassischen Fonds auch mit dem komplizierten Einsatz von Derivaten vertraut ist. Jedenfalls sollte sich der Anleger auf Produkte renommierter Häuser beschränken, die diesbezüglich bereits entsprechende Erfahrung vorweisen können.

Fazit

Grundsätzlich bieten 130/30-Fonds eine Ausweitung der Möglichkeiten für aktive Fondsmanager gegenüber den klassischen Produkten. Der Chance, durch Leerverkäufe einen Zusatzertrag zu erzielen, stehen aber auch erhebliche Risiken gegenüber. Liegt der Fondsmanager falsch, so muss er Titel zu höheren Kursen rückdecken, als er sie einst verkauft hat. Dieses Risiko ist grundsätzlich unlimitiert, da die zugrunde liegenden Kurse theoretisch unbegrenzt steigen könnten.

Unter diesen Gesichtspunkten ist diese Managementtechnik ausschließlich für Anleger geeignet, die mit der Funktionsweise von Derivaten vertraut sind. Denn jeder Investor sollte stets ein klares Bild davon haben, welches Chance/Risiko-Verhältnis in seinem Depot abgebildet ist. Außerdem muss er den Fähigkeiten des zuständigen Fondsmanagers ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbringen – denn in seinen Händen liegt der Schlüssel zum Erfolg.

Es bleibt abzuwarten, ob die mit 130/30-Fonds verbundenen höheren Kosten durch Ertragssteigerungen gerechtfertigt werden. Eines kann allerdings positiv angemerkt werden: Gegenüber Hedge-Fonds ist deren Transparenz wesentlich besser.


Zum Autor: Mag. Michael Schützinger ist Vorstandmitglied bei der Schoellerbank Invest AG.


Gastkommentare werden von anerkannten Finanzmarktexperten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen. 

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.