Wiener Börse im Kursrausch

Der Aufwärtstrend der Wiener Börse hält auch im fünften Jahr unverändert an. Wann kommt die Trendwende, wie geht es bei Immoaktien weiter und wo gibt es Übernahmephantasie? e-fundresearch.com fragte Wolfgang Matejka (CIO der Meinl Bank) und Manfred Zourek (Fondsmanager des ESPA Stock Vienna). Funds | 21.06.2007 06:00 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

e-fundresearch: Die Wiener Börse liegt dieses Jahr schon wieder mit fast elf Prozent im Plus. Was erwartet Anleger in der zweiten Jahreshälfte?

Wolfgang Matejka: Mit Sicherheit einen volatileren Verlauf. Grund hierfür ist die relativ "reife" Bewertung des Marktes in Relation zur Ergebnisberichterstattung. Das bedeutet, wenn die Gewinnerwartungen erfüllt, bzw. übertroffen werden dann bestätigt sich der Kurs, wenn nicht fällt er stark. Manfred Zourek: Ich gehe auch für die zweite Jahreshälfte von einer positiven Entwicklung aus. In einem freundlichen internationalen Aktienumfeld sind bis Jahresende durchaus nochmals fünf bis zehn Prozent Kursplus vorstellbar.

e-fundresearch: Wie sieht Ihre aktuelle Schätzung für das Gewinnwachstum der heimischen Unternehmen 2007/2008 aus und welche Änderungen gab es hier zuletzt?

Wolfgang Matejka: Meine persönliche Schätzung liegt bei knapp unter 10 Prozent für den Gesamtmarkt. Die letzten Änderungen waren Korrekturen nach unten, bedingt durch OMV und Telekom. Langfristig ist das Wachstum zwar ein wenig gesunken, aber generell stabiler geworden.

Manfred Zourek: Die Gewinne der heimischen Unternehmen sollten 2007/2008 wieder etwa um 12-14 Prozent wachsen. Tendenziell wird das Wachstum auch noch immer nach oben revidiert. Der Ausblick ist daher auch auf Unternehmensebene ein weiterhin positiver.

e-fundresearch: Wie auch bereits 2006, schlugen heuer alle Österreich-Aktienfonds den ATX Prime Index. Warum ist es so leicht den Markt zu schlagen?

Wolfgang Matejka: Leicht ist es nie. Nur sind heuer die Karten auf beiden Seiten gleich gemischt. Dadurch, dass die großen Indexschwergewichte tendenziell schwächer als der Gesamtmarkt abschneiden ist der Nachteil durch das Investmentfondsgesetz (Anm. d. Red.: Investmentfonds sind in ihren Maximalgewichtungen begrenzt und daher oft nicht in der Lage ein Indexschwergewicht zu übertreffen) ausgeglichen. Daneben wirkt der fundamentale Fakt, dass viele große Werte, insbesondere die Banken, ihre Akquisitionen der Vergangenheit nun verarbeiten und daher in ihren Gewinnwachstumsraten ein wenig zurückstecken. Das ist eine Chance für aktive Fondsmanager, ihre fundamentale Meinung auch erfolgsträchtig umsetzen zu können.

Manfred Zourek: Das ist eine Frage, die natürlich nicht im Detail beantwortet werden kann, da dafür die konkreten Transaktionen aller Fonds analysiert werden müssten. Diese Daten liegen aber klarerweise nicht vor. Ich denke aber, dass heuer bisher für so ziemlich jeden Investmentstil etwas dabei war: Einzelne starke Outperformer bei den kleinen Gesellschaften, teilweise längere Underperformance bei Indexschwergewichten, heftige kurzfristige Marktschwankungen usw. In Summe kann sicher jeder Investor zufrieden sein, der in österreichische Aktien investiert hat.

e-fundresearch: Welche Rolle spielt die momentane Übernahmephantasie für die Wiener Börse? Gibt es aus Ihrer Sicht konkrete Kandidaten?

Wolfgang Matejka: Die Übernahmephantasie spielt sicher eine Rolle, aber keine gravierende. Die meisten österreichischen Unternehmen haben recht stabile Kernaktionäre und/oder sind fair bewertet. Außerdem gelten unsere Unternehmen generell als "gut geführt". Kein Grund also, mit einer Übernahme etwas zu verbessern. Es läuft ja bereits bestens. Im aktuellen Umfeld von hohen liquiden Mitteln bei aller Art von Investoren fällt es natürlich leicht, Übernahmeziele zu entdecken. Man braucht nur nach erfolgreichen Unternehmen mit breitem Streubesitz zu suchen: SBO, Wienerberger, RHI (mit Abstrichen), BWT, Christ Water oder Unternehmen zu suchen in deren Aktionärskreis strukturelle Verschiebungen passieren oder kurz bevorstehen: Lenzing, Porr, Semperit, BA-CA, Böhler-Uddeholm, Telekom Austria, EVN oder Verbund.

Manfred Zourek: Das Übernahmethema ist für Wien sicher auch aktuell, aber ich denke nicht so "heiß" wie an anderen Börsen. Dass wir heuer noch eine weitere Übernahme sehen, würde ich mich jedoch nicht wetten trauen. Aber im Grunde genommen ist jedes Unternehmen ein potentieller Kandidat - nicht nur jene, mit einem Streubesitz größer 50 Prozent. Letztendlich ist an der Börse alles eine Frage des Preises…

e-fundresearch: Diese Woche startet mit dem Mid Market das neue Segment der Wiener Börse. Was halten Sie davon?

Wolfgang Matejka: Ich halte das für eine gute Sache und denke, dass das von der Wiener Börse auch sehr gut vorbereitet wurde.

Manfred Zourek: Ich sehe die Initiative der Wiener Börse in diesem Bereich sehr positiv. Das neue Segment bietet eine interessante Plattform für kleine und mittlere Unternehmen. Ich wünsche der Wiener Börse damit viel Erfolg.

e-fundresearch: Österreichische Immobilienaktien ziehen weiter Rekordsummen an Anlegergeldern an. Ist diese Entwicklung „gesund“ für die Wiener Börse und wie lautet Ihre Meinung zu diesem Sektor?

Wolfgang Matejka: Ich denke, dass die Börse sehr gut davon profitiert. Ich meine aber auch, dass es ein generelles Ausrufezeichen für die Investitionsfreude und das darin versteckte Potential der österreichischen Anleger ist. Wenn in einen Sektor, der zugegebenermaßen auch sehr gute Renditen liefert, so viel Kapital investiert wird, muss man generell nachdenken, ob man nicht auch andere Sektoren weiter entwickeln müsste um diesen Zufluss generell zu vertiefen. Das ist ein Thema das weit hinein in die Thematik Steuerpolitik, Investitionspolitik, Bankwesen und Wohlstandsbewusstsein zu vertiefen wäre.

Manfred Zourek: Ich denke, man kann hier nicht von gesund oder ungesund sprechen. Immobilienaktien stoßen derzeit bei den Anlegern auf großes Interesse und die Gesellschaften nutzen diesen Rückenwind klarerweise, um neues Kapital aufzunehmen. Dass sich dadurch die Branchenstruktur an der Wiener Börse verschiebt ist eine Konsequenz, die zu akzeptieren ist. In einem größeren Kontext sehe ich aber Immobilien trotzdem als eigene Assetklasse neben Aktien und nicht als Teilmenge davon.

e-fundresearch: Vielen Dank für das Gespräch!

Alle Daten per 18.6.2007 in Euro
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