Energie: Welche Rolle spielt das Wetter?

Zurzeit gibt sich fast jeder, der mit den Energiemärkten zu tun hat, als geübter Wetterfrosch. Welche Auswirkungen hat die globale Klimaerwärmung nun wirklich auf die Märkte für Erdöl und Erdgas? Und wie sieht vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Krisen der weitere Ausblick aus? Funds | 12.01.2007 06:39 Uhr
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Zurzeit gibt sich fast jeder, der mit den Energiemärkten zu tun hat, als geübter Wetterfrosch. Dabei wird gänzlich außer Acht gelassen, dass das Wetter nur wenig Einfluss auf die weltweite Nachfrage nach Öl hat. „An den wichtigsten Märkten der USA entfallen gerade einmal sechs Prozent der gesamten Erdölnachfrage im Dezember und Januar auf Heizöl“, beschreibt John Coyle, Analyst für globale Energiemärkte bei Schroders. Entsprechend wirken sich auch größere Fluktuationen beim Heizölbedarf nur unerheblich auf die gesamte Öl-Nachfrage insgesamt aus.

Auch für Robin Batchelor, Co-Manager des MLIIF World Energy Fund, sind die Auswirkungen des Wetters auf die Märkte nicht allzu groß: “Kürzlich erhielt ich eine e-Mail eines angesehenen Kollegen, der mir angekündigt hat, dass der derzeitige Winter ungewöhnlich hart werden würde da die Eichhörnchen mehr Nüsse als gewöhnlich horten. Ehrlichgesagt denke ich, dass dieser Mann einfach zu viel Zeit damit verbringt aus dem Fenster zu sehen“, drückt er es ironisch aus.

Ein Beispiel aus den USA unterstreicht diese Ansicht: „Im vergangenen Winter ließen Bikini-Temperaturen im Januar die Nachfrage nach Heizöl um sage und schreibe 0,1 Mio. Barrel pro Tag einbrechen. Diese ordentliche Delle wurde indes in vollem Umfang vom höheren Bedarf an Benzin und Erdöldestillaten wettgemacht, da der Autoverkehr infolge der außergewöhnlich milden Witterung beträchtlich zunahm. Das Wetter ist zwar ein entscheidender Faktor für den Erdgasmarkt, aber nicht für den Erdölverbrauch“, bringt es Coyle auf den Punkt. Der jüngste Rückgang der WTI-Preise um vier Dollar überrascht ihn daher selbst. 

Nebel in Houston drückt auf Rohölbestände

Denn die Vorräte an Erdöl und Erdölprodukten in den USA gehen weiterhin deutlich zurück, die Rohölbestände beispielsweise fielen über fünf Wochen in Folge. „Skeptiker weisen darauf hin, dass die Lieferungen durch Nebel im Schiffskanal von Houston und am LOOP-Terminal unterbrochen wurden. Doch kontinuierliche Abgänge über fünf Wochen hinweg deuten eher auf einen Trend hin“, analysiert Coyle. So betrugen Anfang Oktober die Vorräte noch fast 70 Mio. Barrel, jetzt seien sie bereits auf 15 Mio. Barrel geschrumpft. Dieser Schwund konzentriert sich allein auf die Rohölbestände, da sowohl Benzin als auch Erdöldestillate bestandsmäßig den Fünfjahresdurchschnitten entsprechen.

Trotz Warmwetter: Der Rohölpreis sollte steigen

Und allein in den letzten beiden Wochen sind die Rohölvorräte um 15 Mio. Barrel gefallen. „Man kann sich also an zehn Fingern ausrechnen, dass sich der Überschuss noch im Januar in ein Defizit verwandeln wird – egal, ob es warm oder kalt wird. Bedenkt man zudem, dass die OPEC dem Markt weiterhin eine Tagesproduktion von knapp 1 Mio. Barrel vorenthält, mutet der wetterbedingte Pessimismus doch, gelinde gesagt, etwas sonderbar an“, ortet Coyle, der deswegen gegenüber Dezember einen etwas höheren Ölpreis erwartet. „Im Laufe des Januars rechnen wir noch mit einem weiteren kräftigen Anstieg des Rohölpreises“, glaubt er. 

Ölangebot steigt so stark wie zuletzt 1984

Robin Batchelor verweist in diesem Hinblick auf das Faktum, dass 2007 zum ersten Mal seit 2002 das Ölangebot der Nicht-OPEC-Länder höher liege als die Nachfrage. „Gemessen am Wachstum des Ölangebotes mit einem Plus von 1,7 Prozent bedeutet dies sogar den größten Anstieg seit 1984“, so der Experte.

Überraschenderweise wenig Auswirkungen auf den Ölpreis hatten in den letzten Jahren substanzielle, geopolitische Krisen: „Der Irak-Krieg, Venezuela, Konflikte im Niger-Delta, Iran, der Nahost-Konflikt oder die Re-Nationalisierung Russlands haben die Furcht vor niedrigerer Öl- und Gasangebotes zwar erhöht, aber der Markt macht sich nicht allzu viele Sorgen“, so Batchelor. Aber auch das könne sich ändern.

Er rechnet deswegen langfristig mit einem sehr positiven Bild für Energie-Aktien. Zudem findet er und sein Team derzeit viele interessante Investment-Möglichkeiten in diesem Bereich: „Institutionelle Anleger haben seit Mitte 2006 enorme Summen aus diesem Sektor abgezogen, weshalb jetzt viele Aktien sehr billig zu haben sind“, betont er.

Erdgasmarkt vom Klimawandel betroffen

Anders sieht die Prognose für Erdgas aus: „Da die Vorräte bereits überdurchschnittlich hoch waren, wirkt sich das derzeit ungewöhnlich warme Wetter in New York logischerweise auf die Erdgaspreise aus“, beschreibt Coyle den seit Dezember stattfindenden Kursverfall.

Auch Batchelor ist der Meinung, dass sich das Wetter auf die Erdgas-Preise stärker auswirkt: „Denn im Unterschied zu Öl kann bei Erdgas die schwächere Nachfrage für Heizzwecke nicht durch eine höhere Nachfrage im Transportbereich aufgewogen werden“. 

Während die Nachfrage nach Erdgas durch die Frühlingstemperaturen dahinschmelze, stelle sich die Versorgungslage aber als außerordentlich positiv dar. „Geringere Lieferungen und sinkende Einfuhren aus Kanada haben die Versorgung um rund 2,5 Milliarden Kubikfuß pro Tag geschmälert. Hinzu kommt, dass dem Markt durch das Strippen von Flüssiggas wahrscheinlich weitere 1,5 Milliarden Kubikfuß pro Tag entzogen werden. Insgesamt hat sich der Markt im Jahresvergleich um etwa 4 Milliarden Kubikfuß pro Tag verengt, das wird aber durch das milde Wetter mehr als aufgewogen“, so Coyle.

Und auch für die kommenden Wochen sei mit anhaltenden Frühlingstemperaturen und damit einer weiteren Zunahme der Bestände zu rechnen. „Vorausgesetzt, dass sich demnächst wieder klimatische Normalität einstellt, können wir eine ähnliche Entwicklung wie im Vorjahr und mithin einen Abbau des Überangebots erwarten“, prognostiziert Coyle.

Fazit

Beide Experten sind sich einig, dass sich das wärmere Wetter weiterhin vor allem auf den Erdgaspreis auswirken sollte. Bei Erdöl sinke im verfrühten Frühling zwar die die Nachfrage nach Heizöl, dies werde aber in vollem Umfang vom höheren Bedarf an Benzin wettgemacht, da der Autoverkehr infolge der außergewöhnlich milden Witterung beträchtlich zunimmt. Der wetterbedingte Pessimismus sei deswegen nicht gerechtfertigt, schlussfolgern die beiden und rechnen besonders im Ölbereich im laufenden Jahr mit besseren Chancen als bei Erdgas.

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