Die doppelte Konvergenzchance

Die Aktienmärkte der Balkan-Region befinden sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Die entsprechend geringe Liquidität trifft aber auf ein immer größer werdendes Anlagerinteresse. Aktuell gibt es erst vier Balkan-Fonds, wie folgende Analyse zeigt. Funds | 15.12.2006 06:52 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

17 Jahre nach der Ostöffnung ernten Anleger mit Osteuropa-Aktienfonds immer noch die  Früchte. Seit Anfang 2003 stieg der MSCI EM Eastern Europe Index annualisiert um 40 Prozent, globale Schwellenländer-Aktien dagegen „nur“ um 29 Prozent pro Jahr. Der Beitritt von zehn neuen EU-Ländern am 1. Mai 2004 (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern) bzw. Bulgariens und Rumäniens am 1. Januar 2007, markiert einen weiteren Meilenstein. Nach der bis dato sechsten Erweiterungsrunde ist in den nächsten Jahren laut Meinung der meisten Entscheidungsträger aber davon auszugehen, dass die EU eine mehrjährige Phase der Konsolidierung braucht. Kroatien (geplanter Beitritt 2009/2010), Türkei und Mazedonien sind aber schon offiziell in Beitrittsverhandlungen eingetreten und Vorgespräche mit Serbien, Bosnien und Montenegro laufen. „Die Konvergenz Osteuropas ist schon weit fortgeschritten. Zwei Drittel des Weges liegen wohl schon hinter uns“, ist Ralph Luther, Fondsmanager des Berenberg-Balkan-Baltikum-Universal überzeugt.

Mutige Anleger sollten deswegen schon jetzt damit beginnen, einen Teil ihrer Osteuropa-Gewinne mitzunehmen und in eine Region zu investieren, die als Anlagethema bis dato noch kaum beachtet wurde: Die Rede ist vom Balkan, eine Region die sich rein geographisch aus den Ländern Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Albanien, Mazedonien, Bulgarien bzw. Griechenland zusammensetzt. Aber der Dornröschen-Schlaf dürfte bald zu Ende sein: „Als wir 2002 mit Balkan-Investments begonnen haben, waren einer der ganz wenigen vor Ort. Wenn ich heute in die Region reise, treffe ich im Flieger regelmäßig Fondsmanager-Kollegen, besonders aus Skandinavien“, berichtet etwa Peter Elam Håkansson, Fondsmanager des East Capital Balkan Fonds.

Die emsige Reisetätigkeit der Fondsmanager hat aber auch einen guten Grund: Das BIP-Wachstum am Balkan wird laut Schätzungen für 2007 je nach Land zwischen vier und sechs Prozent, im Schnitt bei 5,5 Prozent liegen und damit den EU-Schnitt von 1,8 Prozent deutlich übertreffen. Grund dafür sind die hohen Auslandsinvestitionen in der Region, nicht zuletzt auch aufgrund heimischer Unternehmen. So ist Österreich im laufenden Jahr der größte Auslandsinvestor in  Slowenien, Bulgarien, Kroatien und Bosnien-Herzogovina. „Hohe Investitionen ausländischer Unternehmen aufgrund von niedrigen Steuern und Lohnkosten in diesen Ländern werden zukünftig zu einem deutlich ansteigenden Pro-Kopf-Einkommen führen, mit positiven Folgen für den Konsum und die Unternehmensgewinne“, so Luther.

Neben dem bevorstehenden Konsum-Aufschwung bietet ein Balkan-Investment einen weiteren Vorteil: „Südosteuropa ist wohl die einzige Region, die den Investoren eine zweifache Konvergenz-Chance bietet“, schildert Joachim Waltl, Fondsmanager des HYPO South Eastern European Opportunities. Denn die Volkswirtschaften Ex-Jugoslawiens mussten zusätzlich zum Übergang von der Plan- zur Markwirtschaft auch noch die Kriegskosten in den 90er Jahren bezahlen. „Jetzt besteht dafür umso mehr an Aufholpotential“, so Waltl und rechnet deswegen zukünftig auch mit entsprechenden Renditen: „Eine langfristige Performance von 12-15 Prozent pro Jahr ist eine konservative Schätzung“. Auch Berenberg-Experte Luther rechnet in den nächsten zehn Jahren mit satten Renditen: „Im Schnitt sollten die Renditen um fünf bis zehn Prozent pro Jahr über denen an den europäischen Aktienmärkten und mindestens fünf Prozent über den restlichen osteuropäischen Börsen liegen“, prognostiziert er.

Nicht vergessen sollten Anleger aber, dass solch hohe Renditen immer mit einem entsprechenden Schwankungsrisiko verbunden sind. Denn die Marktwirtschaften befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium. „Als wir vor einigen Jahren in der Region als Finanzinvestor auftraten, mussten wir den meisten Unternehmen erst einmal erklären was das überhaupt ist. Kaum einer verstand zum Beispiel, warum wir nur fünf Prozent des Unternehmens kaufen nicht die volle Mehrheit wollten. Shareholder Value war noch ein Fremdwort“, erinnert sich Håkansson. Die niedrige Korrelation der lokalen Börsen mit den entwickelten Märkten Europas ist ein daraus resultierender Vorteil: „Unser Fonds entwickelt sich quasi unabhängig von der Börse in den USA oder Europa“, schildert der East Capital Experte.

Trotz der niedrigen Korrelationen: „Einen entsprechend langen Anlagehorizont von fünf bis zehn Jahren müssen Investoren in dieser Assetklasse schon mitbringen. Zwischenzeitige Tiefs dürfen einen nicht nervös machen“, bremst Luther die Erwartungen. Denn neben dem Hauptrisiko eines sich verlangsamenden Konvergenzprozesses und politischen Problemen, müssen Anleger auch das Währungsrisiko beachten. Laut den Experten der HYPO Alpe-Adria Bank sollte zumindest letzteres aber keine schlaflosen Nächste verursachen: „Wir sehen in den nächsten Jahren für die meisten Balkan-Währungen Aufwertungspotential zum Euro, eine Ausnahme könnte höchstens Serbien darstellen“, glaubt Waltl.

Wer nun aber konzentriert in die letzte Konvergenz-Region Europas investieren möchte, steht  vor einem kleinen Problem: Denn die meisten herkömmlichen Osteuropa-Aktienfonds orientieren sich am MSCI EM Eastern Europe Index, in welchem jedoch (noch) keine Balkan-Länder enthalten sind. Das relativ vom Ölpreis abhängige Russland ist dafür mit mehr als 55 Prozent gewichtet.

Ein passives Balkan-Indexinvestment bietet sich aufgrund der fehlenden Strukturen bzw. Indizes für den Privatanleger aber auch nicht an. Übrig bleibt der Kauf einzelner Aktien bzw. der Weg über einen der aktuell vier Balkan-Aktienfonds. Diese haben zudem den Vorteil, dass sie die relativ hohen Schwankungen der Einzelaktien in der Region durch eine breitere Streuung abfedern. Aufpassen müssen Anleger aber trotzdem, denn die einzelnen Fonds unterscheiden sich enorm: Während der HYPO South Eastern European Opportunities in Aktien aus Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Serbien investiert, erweitern die drei anderen Fonds East Capital Balkan, Pioneer Funds Austria - South Eastern Europe Stock und Berenberg-Balkan-Baltikum-Universal-Fonds das Anlageuniversum um die Türkei, Rumänien und Bulgarien, Mazedonien (East Capital) bzw. den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen (nur Berenberg). Der Pioneer Fonds von Peter Bodis investiert zudem in Griechenland, wobei die Türkei mit 78 Prozent des Fondsvolumens den überwiegenden Schwerpunkt bildet.

Dementsprechend inhomogen ist auch das Abschneiden der einzelnen Fonds: Seit Auflage des jüngsten Fonds - der Berenberg-Balkan-Baltikum-Universal-Fonds startete am 15.3.2006 - erzielten die Produkte zwischen +40,6 Prozent (HYPO) und -19,5 Prozent (Pioneer) an Performance. Die beiden Fonds von East Capital und Berenberg legten um 7 bzw. 7,8 Prozent zu und erzielten dabei leicht weniger als der MSCI EM Eastern Europe Index mit 8,9 Prozent (siehe Tabelle).

Dass es noch nicht mehr als vier Fonds für diese Region gibt, liegt laut Experten an der sehr geringen Größe bzw. Liquidität der einzelnen Börsen: Laut Angaben von East Capital verfügt die gesamte Balkan-Region zusammengenommen über eine Marktkapitalisierung von 64 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Tschechien alleine verfügt mit 59 Milliarden US-Dollar über eine fast gleich große Marktkapitalisierung. Und auch die Liquidität – so verfügt die Belgrade Stock Exchange gerade einmal über ein Drittel des Monatsvolumens der Börse in Prag – ist noch ein Problem. In den nächsten Jahren wird aber ein deutlicher Anstieg des täglichen Handelsvolumens an den jeweiligen Börsen erwartet. „Privatisierungen von Staatsfirmen, private IPOs, steigendes Interesse internationaler Anleger, Aufnahme des Coverage seitens großer Brokerhäuser oder das Näherrücken des Beitritts einzelner Länder in die EU werden den Handel beleben“, begründet Luther.

Als Konsequenz aus der noch geringen Liquidität der Börsen, planen die Fondsmanager von Berenberg und HYPO ein Soft-Closing ihrer Fonds bei einem Volumen zwischen 100 und 120 Millionen Euro. Aktuell ist der Berenberg-Balkan-Baltikum-Universal-Fonds bereits 74 Millionen Euro groß, der HYPO South Eastern European Opportunities 56 Millionen Euro. Zum Vergleich dazu ist der älteste Balkan-Fonds, der bereits 2004 aufgelegte East Capital Balkan mit 276 Millionen Euro schon ein Riese, der Pioneer Funds Austria - South Eastern Europe Stock mit 21 Millionen Euro noch ziemlich klein.

Fazit

Die Aktienmärkte der Balkan-Region befinden sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Die entsprechend geringe Liquidität trifft auf ein immer größer werdendes Anlagerinteresse. Dass die Börsen in Bulgarien und Kroatien von einem Allzeithoch zum Nächsten eilen, ist also kein Zufall. Trotzdem sind die Bewertungen noch nicht exorbitant hoch: „Mit einem Preis/Buchwert-Verhältnis von 1,4 sind die Aktien am Balkan sogar billiger als in Osteuropa, wo ein Schnitt von 2-3 angenommen werden kann“, rechnet HYPO-Fondsmanager Waltl vor. „Und mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13 bewegt sich die Region im Schnitt auf dem Niveau von Polen“, fügt Berenberg-Experte Luther hinzu. Gepaart mit einem durchschnittlichen Unternehmensgewinnwachstum von über 20 Prozent in den nächsten zwei Jahren, sieht Luther Balkan-Aktien sogar als unterbewertet an. Zudem gibt er für die Aktienmärkte Bulgariens und Rumäniens einen Sondereffekt zu bedenken: „Viele Europa-Aktienfonds dürfen erst nach dem Beitritt am 1.1.2007 in diese Märkte investieren, was im kommenden Jahr viel an zusätzlicher Liquidität bringen sollte“. Gute Aussichten also für Balkan-Investments…

Alle Daten per 22.11.2006 in Euro
Quelle: Lipper 

 


Dieser Artikel ist auch in der Ausgabe Dezember 2006
des Top-Gewinn erschienen. 

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