Lassen Sie sich in ein gutes Restaurant entführen. Der Blick auf die Speise- oder Weinkarte sollte selbstverständlich keine Wünsche offen lassen. Natürlich bestimmt auch die angebotene Vielfalt die empfundene Güte. Wie erfreulich ist es jedoch, wenn sich das Angebot als einerseits gut sortiert und andererseits auch als übersichtlich erweist. Ähnliches gilt für die Weinkarte. Ein Keller mit ausgewählten Tropfen entspricht weitaus mehr den Erwartungen des anspruchsvollen Gastes als ein Repertoire an unzähligen Weinen, welches jenem eines Supermarktes gleicht. Auch an die Küche sind höchste Ansprüche gestellt. Kreativität in der Nuance findet meist mehr den Geschmackssinn des Gastes als eine übertriebene Mischung exotischer, schwer zuordenbarer Aromen. Ein Koch, welcher versteht seine Menüs hinsichtlich der Geschmäcker seiner Gäste zu optimieren, wird dauerhaften Zuspruch erreichen.
Gut sortiert statt breit gefächert
Warum dieser Ausflug in die Gastronomie? Nun, in der Finanzwelt gelten ähnliche Gesetze und die Vergleiche sind – bei näherer Betrachtung – gar nicht mehr so abwegig. Strukturierte Produkte sind nichts anderes als eine bewusste Mischung aus Basiselementen und verschiedenen Zutaten. Einmal milder gewürzt, einmal stärker – Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Auch die Bedürfnisse der Kunden sind unterschiedlich, aber doch nicht so differenziert wie die Breite der Angebotspalette erwarten lassen würde. Kein Restaurant würde den Eindruck vermitteln für jeden potenziellen Gast die richtigen Speisen – und dahinter den richtigen Koch – anbieten zu können oder zu wollen. Bei manchen Anbietern hat der Kunde jedoch die Wahl zwischen unzähligen Produktvariationen und fühlt sich in der Regel wohl mehr verwirrt als gut beraten. Ein guter Koch wird zudem nur jene Gerichte zubereiten, welche er auch seinen besten Freunden servieren würde. Vielleicht auch das eine oder andere Experiment – jedoch niemals als Hauptgang. Die meisten Restaurant-Besucher investieren bewusst in kulinarische Köstlichkeiten und spekulieren nur ungern mit unvertrauten Darbietungen – gleiches sollte auch für eine hochwertige Anlagestrategie gelten.
Auf die Details achten
Das Angebot an strukturierten Produkten wächst rapide – ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Einerseits sehr erfreulich, da die Chancen für interessante Anlagemöglichkeiten von Tag zu Tag zunehmen. Andererseits aber auch etwas bedenklich, da diese Asset-Klasse unüberschaubarer wird und teilweise ein erster Blick auf ein neues Produkt zu hohe Erwartungen schürt. Klingende Produktnamen sind Teil des Marketings, aber eben noch kein Garant für eine lukrative Geldanlage. Hand aufs Herz: Wer kann mit „Minimax“, „Capped Bonus“ oder „Discount-Knock-In“ etwas anfangen? Ja sogar die Bezeichnung „TwinWin“ garantiert noch keinen sicheren Ertrag, sondern kann im Extremfall zum Totalverlust führen. Der beste Rat kann hier nur lauten: Man wende sich an einen Experten – und zwar vor dem Kauf eines Produkts.
Die steuerliche Situation
Die Vielzahl an strukturierten Produkten verstärkt auch den Ruf nach allgemein gültigen Aussagen zur steuerlichen Behandlung. Dazu ein kurzer Überblick:
Mit Einführung des Budgetbegleitgesetzes 2003 ist seit 1. März 2004 die positive Differenz zwischen Emissions- und Tilgungskurs (bzw. Verkaufskurs) bei Indexzertifikaten*) KESt-pflichtig. Mit diesem KESt-Abzug wird neben einer Abgeltung der Einkommensteuer auch eine Endbesteuerungswirkung hinsichtlich der Erbschaftssteuer erreicht.
Bei Emissionen vor dem 1. März 2004 gilt es zu beachten, dass die Besteuerung auf die Höhe der Kapitalgarantie abstellt: bei einer Kapitalgarantie von nicht mehr als 20 Prozent ist nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist der Ertrag KESt-frei. Diese Wertpapiere unterliegen jedoch der Erbschaftssteuerpflicht.
Eine weitere Spitzfindigkeit ist das Thema Daueremissionen. Daueremissionen mit unbegrenztem Volumen gelten jedenfalls dann als steuerfrei (außerhalb der Spekulationsfrist), wenn die betreffende Emission vor 1. März 2004 geschlossen wurde. Die "Steuerfreiheit" der Daueremissionen wirkt bis zur Rücknahme des Wertpapiers zu Tilgungszwecken. Daueremissionen mit begrenztem Emissionsvolumen fallen unter die KESt-Freiheit (außerhalb der Spekulationsfrist), wenn die Begebung vor Veröffentlichung der EStR 2000 (Rz 6197) erfolgt ist, seit 1. März 2004 nicht aufgestockt und mit 30.7.2005 geschlossen wurde.
Interessant kann jedoch ein Zertifikat mit vorübergehend negativer Kursentwicklung für den Käufer dieses Wertpapieres sein. Denn zur Berechnung der KESt-Bemessungsgrundlage ist nur die Differenz zwischen Emissions- und Tilgungskurs (bzw. Verkaufskurs) entscheidend. Ein späterer Erwerb unterhalb des Emissionskurses ermöglicht steuerfrei Kursgewinne.
Für Devisenausländer stellt sich wiederum die Frage nach der EU-Quellensteuerpflicht, welche abgeleitet von der Schweizer Wegleitung zur EU-Quellensteuer wiederum auf Kapitalgarantie, Underlying und Zinskomponenten im Produkt selbst abstellt.
Diese steuerlichen Ausführungen stellen lediglich eine Kurzinformation dar und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit; insbesondere sind sämtliche Aufzählungen nicht abschließend. Eine allgemein gültige Auskunft zur steuerlichen Behandlung strukturierter Produkte ist somit leider nicht eindeutig möglich. Ratsam ist hier nicht auf Angaben in Fußnoten zu vertrauen, sondern sich die jeweiligen Informationen vom Anbieter selbst oder von einem Steuerberater einzuholen.
Fazit
Die wachsende Vielfalt bereichert unbestritten die Möglichkeiten der Investoren. Strukturierte Produkte ermöglichen es, Chancen und Risiken an den Kapitalmärkten optimal zu dosieren. Das passende Produkt zu finden, die Inhalte, Funktionsweise, Möglichkeiten und vor allem auch die Gefahren bzw. Einschränkungen zu verstehen und zu vermitteln, ist dabei die Herausforderung für Berater und Kunden.
*)Nach der Verwaltungspraxis gilt diese Abgrenzung auch für andere Wertpapiere, bei denen der Anleger einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung des hingegebenen Kapitals hat und die Höhe der Rückzahlung sich an der Wertentwicklung einzelner Aktien oder einzelner anderer Wirtschaftsgütern richtet, die in ihrer Gesamtheit nicht als Index anzusehen sind (z.B. Bonuszertifikate, Rohstoffzertifikate, Discountzertifikate).
Peter Schillinger ist Leiter Asset Management Aktien bei der Schoellerbank AG. Die Schoellerbank bietet seit vielen Jahren eigens entwickelte strukturierte Produkte an und kann so auf eine langjährige Expertise zurückgreifen.
Gastkommentare werden von anerkannten Finanzmarktexperten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.