Brasilien: Land der Zukunft

Der Bovespa-Index der 57 meistgehandelten Aktien in São Paulo legte in den letzten drei Jahren um 341 Prozent oder 64 Prozent pro Jahr zu. Die Möglichkeiten der Fondsanlage in diesen Zukunftsmarkt sind aber immer noch beschränkt. Funds | 21.11.2005 17:55 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der Bovespa-Index der 57 meistgehandelten Aktien in São Paulo legte in den letzten drei Jahren um 341 Prozent oder 64 Prozent pro Jahr zu. Nur die Aktienmärkte in Ägypten und Kolumbien konnten dies noch übertreffen. Allein seit Jahresbeginn legten brasilianische Aktien in Euro gerechnet um 46 Prozent zu, in lokaler Währung immerhin noch um elf Prozent. Dass solch hohe Renditen aber auch mit dementsprechenden Risiken verbunden sind, erlebten Anleger im Oktober als die brasilianische Börse in nur drei Wochen um zehn Prozent nachgab.

Auslöser dafür waren neben politischen Tumulten rund um den Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva vor allem aufkeimende Inflationsängste in den USA. Denn steigende US-Zinsen gelten als Gift für Schwellenländer-Börsen wie Brasilien.

Langfristig scheint das gute fundamentale Bild Brasiliens aber ungetrübt positiv. Folgende Punkte spielen dabei eine wichtige Rolle:

  • Das Bruttoinlandsprodukt Brasiliens wird 2005 mit 3,8 Prozent wachsen. Im nächsten Jahr erwartet Glaucia de Castro Quinto, Head of Equity Research bei ABN AMRO Asset Management in São Paulo ein Wachstum von vier Prozent. „Dabei wächst Brasilien jedoch nahezu ohne Inflation“, so die Expertin.
  • Lag die Geldentwertung in Brasilien noch vor wenigen Jahren deutlich im zweistelligen Bereich, so sank die Inflation bis Mitte 2005 auf 6,4 Prozent p.a. „Aktuell stehen wir bei 5,2 Prozent und damit bereits sehr nahe am offiziellen Notenbankziel von 5,1 Prozent“, so Castro Quinto.
  • Durch die abnehmende Inflation stieg der reale Zinssatz Brasiliens sogar noch an. Eine Reaktion der Notenbank ließ nicht lange auf sich warten: Aber obwohl diese die Leitzinsen in zwei Schritten seit September bereits von 19,75 auf 19 Prozent gesenkt hat, bleiben die reale Zinsen mit 13,8 Prozent sehr hoch. „Brasilien hat die höchsten realen Zinssätze der Welt“, erklärt Eduardo Yuki, Volkswirt bei ABN AMRO Asset Management. Für die nächsten Monate erwartet er aber noch weitere Zinsschritte nach unten: „2006 könnten die nominellen Zinsen bereits deutlich tiefer bei 14 Prozent liegen, was aber real immer noch einer Verzinsung von neun Prozent entspricht“, so der Ökonom. Für den Aktienmarkt sind fallende Zinsen in der Regel ein gutes Vorzeichen.
  • Die Handelsbilanz Brasiliens hat sich durch die starke globale Nachfrage nach Rohstoffen in den letzten Jahren stark verändert. War die Handelsbilanz Mitte 2001 noch leicht negativ, so beträgt der Handelsbilanzüberschuss aktuell beachtliche 41 Mrd. US-Dollar. Nach Russland und China ist dies der dritthöchste Wert aller Schwellenländer weltweit. Ausschlaggebend dafür war auch die Abwertung des brasilianischen Reals: Zwischen 1999 und 2003 verlor dieser gegenüber dem US-Dollar um 60 Prozent an Wert. Seit damals stieg er zwar wieder deutlich an, liegt aber immer noch 25 Prozent unter dem Niveau von 1999/2000.
  • Trotzdem ist das Land heutzutage viel weniger abhängig vom Ausland als früher. Denn der Schlüssel zum Erfolg der brasilianischen Wirtschaft liegt im Inlandskonsum: Allein in den letzten beiden Jahren stiegen die Einzelhandelsverkäufe um 16 Prozent an. „Die abnehmende Inflation hat den Verbrauchern Kaufkraft zurückgegeben“, beschreibt Yuki. Außerdem sei die Arbeitslosigkeit von 13 Prozent im Vorjahr auf 9,5 Prozent per Mitte 2005 gesunken.
  • Finanziert wird der Konsumboom vor allem mit Privatkrediten. Das vergebene Volumen steigt pro Jahr um 35-40 Prozent an. „Und hohe Zinssätze von 65 bis 100 Prozent für eine Laufzeit von 12 Monaten bremsen diese Entwicklung dabei nicht einmal ein“, schildert Yuki die Situation. Für brasilianische Banken ein paradiesisches Umfeld, denn die Ausfallsquote (Non-Performing-Loans) liegt bei unter einem Prozent. Dementsprechend hoch ist die Profitabilität der inländischen Kreditinstitute: „Eigenkapitalrenditen (Return on Equity) von 30 Prozent, wie bei Bradesco oder Itaubanco, sind dabei keine Seltenheit“, beschreibt Gilberto Nagai, Fondsmanager des ABN AMRO Latin American Equity Fund die Lage.
  • Konträr zu den Privathaushalten steht die Verschuldung des Staates: Der Gesamtschuldenstand - immer noch unter den höchsten weltweit - sinkt seit 2003 beständig. Aber vor allem die Zusammensetzung dieser Schulden hat sich verändert: „Repräsentierten US-Dollar-Schulden Anfang 2003 noch 50 Prozent des Gesamtwertes, so lag dieser Anteil Mitte 2005 bei nur noch 15 Prozent“, beschreibt Eduardo Yuki die Lage.
  • Die politischen Tumulte rund um Staatspräsiden Lula da Silva halten die Experten von ABN AMRO dagegen nur für ein kurzfristiges Störfeuer ohne konkrete wirtschaftliche Auswirkungen. „Das wahrscheinlichste Szenario besteht darin, dass nahezu alle politischen Parteien mehr oder weniger mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert werden und dadurch Rücktritte über Parteigrenzen hinweg auslösen“. Im Hinblick auf das Megawahljahr 2006 – in Oktober wird neben dem brasilianischen Kongress auch der Präsident und ein Drittel des Senats neu gewählt - sind kurzfristig volatile Ausschläge der Börse aber trotzdem nicht auszuschließen.
  • Und last, but not least, erscheint die Bewertung brasilianischer Aktien trotz der starken Kursanstiege als günstig. „Der Bovespa Index ist derzeit mit dem 7,5fachen der für 2006 erwarteten Gewinne bewertet. Im Vergleich dazu lag das KGV vor drei Jahren noch bei über 19“, beschreibt Fondsmanager Nagai, der in seinem Lateinamerika-Fonds Brasilien deswegen auch am Stärksten übergewichtet hat. Denn auch im Vergleich zu globalen Schwellenländer-Aktien scheint Brasilien günstig: Deren  KGV liegt mit 10,8 deutlich höher.

Wie man in Brasilien investieren kann

Anleger die von der Entwicklung brasilianischer Aktien profitieren wollen, stehen derzeit jedoch nur eingeschränkt Möglichkeiten zur Verfügung. Wer nicht gleich in Einzelaktien investieren will – aufgrund der hohen Volatilität der Börse ist Privatanlegern davon aber eher abzuraten – dem stehen einige Fondslösungen zur Verfügung: Aber einzig HSBC bietet hierzulande seit September 2004 einen reinen Brasilien-Aktienfonds, den HSBC Brazil Equity, an. BRIC-Fonds (diese investieren neben Brasilien auch in Russland, Indien und China) gibt es mittlerweile von DWS und HSBC (die Zulassung eines Schroders Fonds steht kurz bevor). Aber auch hier ist die Historie – der HSBC GIF BRIC Freestyle wurde im Dezember 2004 aufgelegt, der DWS Invest BRIC Plus im März 2005 – noch relativ kurz. Außerdem macht Brasilien in diesen Fonds mit 30 Prozent (HSBC) bzw. 20 Prozent (DWS) weit weniger Anteil aus, als in speziellen Lateinamerika-Aktienfonds. Denn dort liegt das Brasilien-Gewicht in der Regel bei oder sogar über 50 Prozent. Kursbewegungen in Brasilien wirken sich deswegen stärker auf die Fonds aus, als bei BRIC-Produkten.

Lateinamerika-Fonds im Vergleich

Die auf Sicht der letzten drei Jahre anhand der risikoadjustierten Rendite (Sharpe Ratio) erfolgreichsten Fonds waren der Templeton Latin America vor dem Schroder ISF Latin America und dem ABN AMRO Latin America Equity (siehe Tabelle). Von Brasilien zeigen sich alle überzeugt: Der Templeton Latin America Fund etwa ist zu über 90 Prozent in Brasilien und Mexiko investiert. Sieben der Top-10 Aktien des Fonds waren per Ende September 2005 brasilianische Aktien. „Brasilien spielt auch 2005 eine Favoritenrolle bei den Anlegern, da der Binnenmarkt weiterhin stark wächst, obwohl die börsennotierten brasilianischen Unternehmen noch ein niedriges KGV aufweisen“, so Fondsmanager Mark Mobius. „Das Land verfügt über einen starken Binnenkonsum und Exportunternehmen von Weltklasse mit äußerst niedrigen Produktionskosten. Die jüngsten Korruptionsskandale in der Politik haben weder die Volkswirtschaft, noch den Aktienmarkt merklich beeinträchtigt, da die Regierung ihre strenge Fiskalpolitik und ihre verantwortungsvolle Geldpolitik fortsetzt“, so der Experte.

Ebenso optimistisch gibt sich Nicholas Morse, Fondsmanager des Schroder ISF Latin America: „Betrachtet man die einzelnen Länder, so stellt Brasilien mit Abstand den größten Markt in der Region dar, seine Konjunkturzahlen bleiben extrem gut. Die Aussichten sind erfreulich, Brasiliens Anteil am Welthandel steigt - trotz der Währungsaufwertung nahm der Handelsbilanzüberschuss zu. Wir erkennen auch einen Anstieg der Investitionen und halten die Konsumausgaben für den nächsten Treiber der Volkswirtschaft. Die Inflation scheint unter Kontrolle, die Zinsen tendieren nach unten und die Haushaltslage der Regierung bleibt günstig. Negativ wäre eventuell zu vermerken, dass wir nicht wissen, wie flexibel die Regierung auf sinkende Einnahmen aufgrund von nachgebenden Rohstoffpreisen reagieren wird“, gibt er schließlich zu bedenken.

Alle Daten per 20.10.2005 in Euro (außer anders angegeben)
Quelle:

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.