Gute Nachrichten von der Staatsquote

"Deutschland steht bei der Staatsquote im internationalen Vergleich heute so gut da wie schon lange nicht mehr", meint im folgenden Gastkommentar Dr. Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater der direktanlage.at: Funds | 30.05.2012 14:55 Uhr
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  • Deutschland steht bei der Staatsquote im internationalen Vergleich heute so gut da wie schon lange nicht mehr.
  • Entscheidend dafür waren die Reformen im Zusammenhang mit der Agenda 2010.
  • Das erklärt unter anderem, dass sich Deutschland nach der Krise konjunkturell besser als andere geschlagen hat.
  Vor kurzem stieß ich in einer Diplomarbeit von zwei Schweizer Studenten auf Zahlen, die mich aufhorchen ließen.

Danach gehört Deutschland heute nicht mehr zu den Staaten mit einer besonders hohen Staatsquote, wie das jahrelang der Fall gewesen war. Es ist von einer Reihe von anderen Industriestaaten überholt worden. In der EU liegt es mit 45,6% deutlich unter dem Durchschnitt der anderen (49,2%).

Das ist eine gute Nachricht. Die Staatsquote misst die Gesamtausgaben des Staates in % des Bruttoinlandsprodukts. Sie gibt an, welcher Anteil der gesamtwirtschaftlichen Leistung eines Landes durch die Taschen des Staates läuft und wie viel bei den Privaten bleibt. Je niedriger die Quote, umso größer der Freiraum der privaten Aktivitäten. Normalerweise nimmt man an, dass es dann auch mehr Wachstum und Beschäftigung gibt.

Denn wenn die Staatsausgaben niedriger sind, dann ist in der Regel auch die Steuerbelastung geringer. Es wird vermutlich weniger Staatsschulden geben. Die Unternehmen müssen am Kapitalmarkt nicht mit dem Staat konkurrieren. Wettbewerb, Innovationskraft und Dynamik der Volkswirtschaft sind größer. Lange Zeit gab es die Daumenregel, dass eine Marktwirtschaft nur dann richtig funktioniert, wenn die Staatsquote unter 50% liegt. Wenn sie darüber steigt, fängt die Staatswirtschaft an.

Inzwischen ist die Mehrheit der Industriestaaten nahe an dieser Grenze oder hat sie sogar überschritten. Das ist nicht nur eine Folge der Finanzkrisen seit Ende des letzten Jahrzehnts. Hier wirkt sich vielmehr das alte „Gesetz der wachsenden Staatsausgaben“ aus, das der Ökonom Adolph Wagner bereits im 19. Jahrhundert beobachtet hat. Selbst in den USA, traditionell ein Hort des Kapitalismus und der Freiheit, liegt die Staatsquote mittlerweile über 40% (41,2%). In Großbritannien beträgt sie - trotz Margret Thatcher - zuletzt knapp 50%.

Die Graphik zeigt die Entwicklung der Staatsquote ausgewählter Länder seit dem Jahr 2000. Der Trend nach oben ist eindeutig. In den USA stieg die Staatsquote seit 2000 um 7,3 Punkte. In Großbritannien ging es sogar um 12,7 Punkte hoch. Es gibt nur zwei Ausnahmen. Die eine ist Deutschland, die andere Österreich (freilich auf höherem Niveau). In beiden Ländern hat sich die Lage absolut gesehen zwar nicht verbessert. Die Staatsquote ist in etwa gleich geblieben. Sie ist aber relativ zu den anderen günstiger geworden. Das ist mit ein Grund, weshalb das Wachstum hierzulande im internationalen Vergleich besser geworden ist, absolut gesehen aber natürlich nach wie vor unbefriedigend ist (2012: + 1%).

Aus der Graphik ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Staatsquote im Zeitablauf erheblich geschwankt hat. Zwei Phasen sind bemerkenswert. Zum einen die Jahre 2004 bis 2007. Damals hat sich die Staatsquote in Deutschland um insgesamt fast 5 Prozentpunkte verringert. Das hing im wesentlichen mit den Reformen der „Agenda 2010“ zusammen, mit denen vor allem die Sozialausgaben eingedämmt wurden und der Arbeitsmarkt modernisiert wurde. Auch in Österreich ging die Staatsquote in dieser Zeit zurück. In den meisten anderen Staaten hat sich die Situation in dieser Zeit nicht oder kaum verändert. Hier liegt der Grund für die relative Verbesserung Deutschlands im internationalen Vergleich. Man sieht, in welch langen Zeiträumen man in der Wirtschaftspolitik denken muss.

In den Jahren 2009 bis 2011 ist die Staatsquote in allen wichtigen Staaten zunächst stark angestiegen, dann aber wieder zurückgeführt worden. Das hing mit der Finanzkrise zusammen. Zunächst weiteten die Regierungen ihre Ausgaben aus, um die Rezession zu bekämpfen. Als sich die Wirtschaften dann im Jahr 2010 erholten, zogen sich die Staaten wieder zurück (Italien etwas weniger als andere). Deutschland und Österreich waren hier weder besser noch schlechter als die anderen.

Bemerkenswert ist freilich: Auch 2011, als die Wirtschaft im zweiten Jahr wieder normal lief, hatten die Staatsquoten noch nicht das alte Niveau von vor der Krise erreicht. Das zeigt die Krux aller keynesianischen Politik. Die Regierungen gehen davon aus, dass es reicht, im Aufschwung die Wachstumsprogramme wieder zurückzuführen. Das ist aber nicht der Fall. Durch die Interventionen sind Schulden entstanden, die die Zinslast nach oben bringen. Wenn eine keynesianische Politik im Zeitablauf wirklich schulden- und staatsausgabenneutral sein soll, dann müssen im Aufschwung nicht nur die Wachstumsprogramme zurückgeführt werden. Es müssen auch Überschüsse erzielt werden, mit denen die Schulden getilgt werden. Sonst geht der Trend wachsender Staatsausgabenquoten weiter. Auch Deutschland hat hier seine Hausaufgaben nicht gemacht. Auch hier drohen wieder höhere Staatsquoten.

Für den Anleger: Die international bessere Position Deutschlands bei den Staatsquoten ist ein gutes Zeichen für den deutschen Aktienmarkt. Es lohnt sich hier zu investieren. Freilich sollte man die Staatsquote auch nicht überschätzen. Sie ist nur ein Indikator neben anderen. Zudem hat sich die deutsche Situation nicht absolut verbessert, sondern nur relativ. Zudem können die Erfolge schnell wieder verspielt werden.

Dr. Martin HüfnerVolkswirtschaftlicher Beraterdirektanlage.at

 


 

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