Österreich immun gegen Bilanzskandale

Wie wirkt sich das aktuelle Kursgemetzel an den internationalen Börsen eigentlich auf Wien aus? Wird Österreich vielleicht auch von Bilanzskandalen überrascht und wie fühlt man sich derzeit als Fondsmanager überhaupt in seiner Haut? e-fundresearch befragte Manfred Zourek vom Vienna Invest und Friedrich Erhart vom Capital Invest Austria Stock. Funds |
Märkte nahe dem finalen Sell-Off 

e-fundresearch: Die Märkte befinden sich im freien Fall und auch Wien kann sich dem nicht entziehen. Ist das nicht eigentlich ein gutes Zeichen, wenn jetzt sogar die defensiven Werte an der Wiener Börse stark fallen? Sind die Märkte dann nicht bereits enorm ausgebombt?

 

Manfred Zourek: Das ist eher ein genereller Trend, denn defensive Werte fallen jetzt auch auf internationaler Ebene. In Summe würde ich das aber positiv beurteilen, denn wir befinden uns nahe dem letzten Sell-Off. Relativ gesehen hat sich die Wiener Börse aber trotzdem noch besser gehalten als etwa ein Euro Stoxx oder Dax.

 

Friedrich Erhart: Wien hält sich aber trotzdem deutlich besser als die anderen Märkte und zeigt damit weiterhin „relative Stärke“ durch Outperformance. Generell ist auch die Korrelation Wiens mit anderen Märkten sehr gering – und das macht sich jetzt eben bezahlt. Wenn sich die internationalen Börsen aber deutlich erholen sollten, könnte das wiederum zu einer temporären Vernachlässigung der Wiener Börse führen.

Die Stimmung der Fondsmanager

e-fundresearch: Wie fühlt man sich als Fondsmanager bei diesen rapid fallenden Kursen überhaupt?

 

Manfred Zourek: Es gibt sicher schönere Tage. Das Fondsmanagement ist aber gerade in solchen Zeiten gefordert in Titel zu investieren, die in solch einem Umfeld noch defensiv sind oder völlig zu unrecht so tief gehandelt werden.

 

Friedrich Erhart: Die Stimmung hängt von der eigenen Positionierung ab. Wenn man die richtige Titelauswahl und einen hohen Cash-Anteil hat, verliert der Fonds weniger als der Markt und ich kann sogar günstig Aktien zukaufen. Ziel des Fondsmanager ist es, besser als der Markt abzuschneiden, aber natürlich sind mir dabei steigende Märkte lieber.

 

Die nächste Welle geht nach oben

 

e-fundresearch: Welcher fundamentale Grund steckt hinter dem Kursverfall der Börsen und wie sieht es mit der Korrelation von Wien zu Osteuropa aus? 

 

Manfred Zourek: Das Marktsentiment ist derzeit extremen Schwankungen unterworfen. Die momentane Welle ist wieder extrem negativ und jeder will aus Aktien heraus. Die nächste Welle geht aber sicher wieder nach oben und das kann bei einem Short-Squeeze auch recht schnell gehen. Die Emerging Markets wie Osteuropa und speziell Russland, sind fast in einer geraden Linie nach oben gegangen. Jetzt wachsen eben auch wieder die internationalen Bedenken, denn falls der internationale Konjunkturaufschwung ausbleibt sind diese Märkte besonders anfällig.

Friedrich Erhart: Das Kursniveau vieler Märkte war deutlich überzogen und nähert sich nun einer fairen Bewertung. Die starke Verunsicherung aufgrund der zuletzt aufgedeckten Bilanzskandale hat die Abwärtsspirale nur noch beschleunigt. Wien hingegen war fundamental jahrelang stark unterbewertet und genießt Osteuropa-Phantasie, das ist auch ein Grund warum Wien - konform zu den osteuropäischen Börsen - so gut performt hat.

Megatrend Osteuropa hilft Wien

e-fundresearch: Was sind Ihre generellen Aussichten für die Wiener Börse?

Manfred Zourek: In den letzten Jahren ist das Interesse der Investoren an Wien gestiegen, weil diese Value Titel und Small Caps wieder entdeckt haben. Wien hat sich gut in das internationale Umfeld integriert und ich denke das das auch in den nächsten Jahren bestehen bleiben wird.

Friedrich Erhart: Kurzfristig gehe ich davon aus, dass wir bei 1100, spätestens aber bei 1050 ATX-Punkten einen Boden finden werden. Längerfristig sollte die Wiener Börse weiterhin von der EU-Osterweiterung profitieren. Osteuropa ist ein Megatrend dieses Jahrzehnts und Wien ist der Brückenkopf dorthin.

Vorteile eines Österreich Fonds

e-fundresearch: Gerade letzte Woche hat der DIT wieder einige Länderfonds, wie etwa Italien, geschlossen. Warum sollte man in einer Währungsunion überhaupt noch Länderfonds kaufen?

Manfred Zourek: Im Spezialfall Österreich macht das sehr wohl Sinn weil die Osterweiterung vor der Tür steht. Deshalb könnte man Österreich auch als Themenmarkt sehen, was bei Ländern wie Italien vielleicht nicht so der Fall ist.

Friedrich Erhart: Es macht durchaus Sinn einen Österreich Fonds zu haben, da es eine westliche Börse mit Osteuropa-Touch ist. Die bislang krasse Unterbewertung ist zwar bereits ausgeschöpft, dafür existieren keine Unsicherheiten aufgrund von Bilanzierungskosmetik. Österreichische Unternehmen sind in den großen Aktienindizes und somit in globalen Aktienfonds so gut wie nicht präsent. Gerade zur Beimischung und Risikodiversifikation - z.B. für Dachfonds - macht es deshalb durchaus Sinn, einen Österreich-Fonds anzubieten. Die gute Nachfrage nach unserem Capital Invest Austria Stock bestätigt das, wir halten derzeit bei einem Fondsvermögen von etwa 85 Millionen Euro.

Wien immun gegen Bilanzskandale

e-fundresearch: Wie sieht es auf Titelebene aus? Was sind Ihre Top-Positionen, was tut sich da und planen Sie hier etwas zu? Und wird es Bilanzskandale auch in Österreich geben?

Manfred Zourek: Wir suchen Titel, die von der Osterweiterung profitieren werden. Hier greife ich etwa die OMV oder ERSTE Bank heraus. Diese Unternehmen haben große Chancen sich in Osteuropa als wichtige Player zu etablieren. Darüber hinaus wählen wir auch kleinere Werte, die nicht unbedingt Osteuropa-Phantasie haben: Palfinger etwa wird vom bevorstehenden Aufschwung überdurchschnittlich profitieren.

Bilanzskandale werden meiner Meinung nach den Blue-Chips vorbehalten bleiben. Diese Unternehmen standen und stehen im Blickpunkt und unter enormem Zugzwang immer bessere Zahlen zu bieten. Das wir in Österreich so etwas erleben, würde ich eigentlich ausschließen.

Friedrich Erhart: Zu meinen stärkeren Übergewichtungen zählt sicher die Verbund, eine defensive Wette, mit der ich mich gerade in turbulenten Zeiten sehr wohl fühle. Weiters gefallen mir auf aktuellem Niveau Mayr-Melnhof, Jenbacher, Semperit und Lenzing.

In Wien haben wir nicht die Angst vor Bilanzskandalen. Im Gegenteil, und das spricht gerade jetzt für Wien: Hier hat man die Bilanzen aus steuerlichen Gründen stets eher zu schlecht dargestellt. Es gibt vermutlich wesentlich mehr versteckte Reserven als geschönte Gewinne.

e-fundresearch: Vielen Dank für das Gespräch!

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