Wackelt der Euro?

Dr. Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater der Wertpapieranlagebank direktanlage.at, macht sich Gedanken über die nähere Zukunft des Euro. Erfahren Sie mehr im folgenden Gastkommentar: Funds | 15.12.2009 10:21 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
  • Euroland steht durch die Probleme Griechenlands und anderer Länder mit hohen öffentlichen Defiziten vor einer schwierigen Phase.
  • Trotzdem wird die Europäische Zentralbank die Exit-Strategie früher und konsequenter einleiten als andere Notenbanken.
  • Der Euro kann schwächer werden, wird aber nicht auseinanderbrechen.
  Ein Schweizer Kollege stellte mir dieser Tage die Frage, ob die Europäische Zentralbank angesichts der Probleme zuerst in Griechenland, jetzt aber auch in Spanien wirklich wirksam auf die Geldbremse treten könne. Würde sie nicht ein Auseinanderbrechen des Euro riskieren? Diese Länder wollten kaum eine strengere Geldpolitik. Selbst in Deutschland nehme die Bereitschaft dazu ab. Wir wissen, dass Schweizer das Gras immer etwas früher wachsen hören. Sind solche Zweifel berechtigt?

Richtig ist, dass die Probleme durch die nachlassende Schuldnerbonität einiger Länder der Eurozone ernst zu nehmen sind. Es geht hier nicht nur um die ausufernden öffentlichen Defizite. Auch beim Wirtschaftswachstum, der Arbeitslosigkeit und den Fehlbeträgen der Leistungsbilanz stehen diese Staaten schlechter da. Sie leiden nicht allein unter der Wirtschafts- und Finanzkrise. Bei ihnen hatten sich auch schon vorher strukturelle Ungleichgewichte aufgebaut, die nur langfristig und nur durch eine schmerzhafte Anpassung beseitigt werden können. Diesen Ländern stehen sicher zehn magere Jahre bevor (wie Deutschland von 1995 bis 2005).

Dass die Begeisterung für eine geldpolitische Restriktion unter diesen Umständen nicht groß ist, ist verständlich.

Richtig ist auch, dass der „bail-out“ eines Landes in Euroland juristisch ausgeschlossen ist. Kein Investor kann darauf bauen, dass Griechenland oder anderen Staaten im Ernstfall durch andere Partner geholfen wird. Freilich sind die legalen Vorschriften und die politische Realität etwas anderes. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gemeinschaft wenn es hart auf hart geht eines ihrer Mitglieder wirklich hängen lassen würde. Freilich würde man Hilfen an strenge Bedingungen knüpfen.

Richtig ist schließlich, dass die Attraktivität und Handlungsfähigkeit Europas zuletzt abgenommen hat. Das „i-Tüpfelchen“ kam mit dem In-Krafttreten des Lissabon-Vertrages am 1. Dezember. Statt einen neuen Präsidenten zu wählen, der Europa ein Gesicht und der Gemeinschaft eine Stimme auf internationaler Ebene geben würde, entschieden sich die Regierungen für einen Kompromiss. Europa ist nicht auf dem Weg zu einer kräftigen und selbstbewussten Gemeinschaft.

Es wird eher eine intergouvernementale Organisation zur Erleichterung der Zusammenarbeit der Regierungen. Das ist nicht der Boden, auf dem eine starke Währung wächst. Es ist auch nicht der Kitt, der eine Währungsunion zusammenhält.

Daraus aber zu folgern, dass die Europäische Zentralbank ihren geldpolitischen Auftrag nicht konsequent verfolgen würde oder dass gar der Euro am Ende sein könnte, geht jedoch zu weit. Auch in den USA gab und gibt es Schwierigkeiten bei einzelnen Staaten. 1975 stand New York kurz vor dem Bankrott. In diesem Jahr war es Kalifornien (für sich gesehen eine der größten Volkswirtschaften der Welt). Niemand hat aber Angst, dass deshalb der Dollar am Ende sein könnte.

Zudem: Die Europäische Zentralbank ist durch die Krise in keiner Weise angeschlagen. Sie ist im Gegenteil selbstbewusst wie eh und je. Unter den großen Notenbanken der Welt ist sie bisher die erste, die den Mut hat, mit dem Exit aus der lockeren Geldpolitik ernst zu machen. Letzte Woche beschloss sie den Stop für einjährige Repo-Geschäfte. In Japan wird dagegen noch mehr Geld in die Wirtschaft gepumpt. Die Federal Reserve kauft weiterhin in großem Stil Bonds auf dem offenen Markt an.

Die Beschlüsse zum Exit wurden in der EZB zwar nicht einstimmig gefasst. Es gab aber keine größere öffentliche Opposition. Ausgerechnet der Italiener Lorenzo Bini Smaghi – er sitzt im Direktorium der EZB – hat das Vorgehen der Bank explizit verteidigt.

Die EZB hat ein außergewöhnliches Standing in der Politik und eine hohe Reputation auf den Märkten. In der Finanzkrise hat sie eine bessere Figur gemacht als die amerikanische Zentralbank. Ihre Unabhängigkeit ist fest etabliert. In ihren Gremien sitzen keine Kompromisskandidaten.

Ihr Präsident, der Franzose Trichet, hat sich gegen die Kritik des französischen Staatspräsidenten Sarkozy durchgesetzt. Die Klagen über zu hohe Preissteigerungen, die es in der Anfangszeit des Euro gab, sind weniger geworden. All das sind wichtige institutionelle Vorzüge, die den Euro zusammenhalten. Die Menschen kritisieren Europa, aber nicht – jedenfalls nicht mehr – den Euro.

Die Zinsdifferenzen zwischen den Staatsanleihen der einzelnen Mitgliedsstaaten sind zwar gestiegen. Sie befinden sich aber – ausgenommen vielleicht Griechenland – keineswegs auf Krisenniveau. Griechische Staatsanleihen rentieren derzeit bei 10jähriger Laufzeit mit 5 1/2 %. Italien muss 3,98% Zins für seine Anleihen bezahlen, Spanien 3,77%.

Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Spekulation gegen einzelne Mitglieder der Eurozone oder auf ein Auseinanderfallen des Euro. Der Euro hat sich trotz der aktuellen Schwäche seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar um 6% aufgewertet. Es ist also viel Geld in den Euro geflossen. Das sieht nicht nach einer Währung aus, die bald auseinanderbricht.

Und wenn alle Stricke reißen und ein Land in seiner Not aus dem Euro ausscheiden würde? Das wäre kurzfristig natürlich ein GAU. Langfristig würde es den Euro aber nicht kaputt machen, sondern könnte ihn im Gegenteil sogar stärken. Jeder sähe das Horrorszenario: Die Währung des ausscheidenden Landes würde stark abwerten. Die Importpreise und dann auch die Inflation würden nach oben schnellen. Die Zinsen gingen hoch. Die Staatsverschuldung stiege an. Das Wachstum würde sich verlangsamen, die Arbeitslosigkeit zunehmen. Spätestens nach sechs Monaten würde das Land wieder darüber nachdenken, in die Gemeinschaft des Euro zurückzukehren. Und die, die im Euro verblieben sind, würden alles tun, damit ihnen ein solches Schicksal erspart bliebe.

Für den Anleger: Der Euro kann auf den Devisenmärkten zunächst noch etwas schwächer werden. Er wird aber nicht auseinanderbrechen. Längerfristig wird er auch wieder aufwerten. Der geldpolitische Kurs wird fortgesetzt. Richten Sie sich darauf ein, dass die kurzfristigen Zinsen in Europa im Laufe des kommenden Jahres langsam, aber früher als in anderen Regionen ansteigen. Aktien- und Bondsmärkte werden darauf – nach anfänglicher Unsicherheit – positiv reagieren. Denn die Geldpolitik macht deutlich, dass sie die Liquidität trotz aller Probleme konsequenter eingesammelt und Inflation frühzeitiger bekämpft.

Dr. Martin Hüfner Volkswirtschaftlicher Berater
direktanlage.at

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