Abkoppelung war nie das Thema

Auch die Schwellenländer wurden von der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise erfasst. Warum eine uneingeschränkte Abkoppelung nicht realistisch war und warum China in einer guten Ausgangsposition ist – aktuelle Einschätzungen von Thomas Gerhardt im Gespräch mit e-fundresearch.com. Funds | 24.02.2009 05:00 Uhr
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Thomas Gerhardt, Managing Director, Head of Asia/Pacific und Head of Global Emerging Markets der DWS im Gespräch mit e-fundresearch.com in Frankfurt.

e-fundresearch.com: Die Schwellenländer sind in den letzten Monaten auch in den Sog der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise geraten, obwohl viele Marktteilnehmer nicht in diesem Ausmaß damit gerechnet hatten.
 
Gerhardt: Ich habe in der Vergangenheit immer wieder betont, dass ich nicht an die Abkoppelung der Emerging Markets glaube – höchstens an eine teilweise Abkoppelung. Die Emerging Markets waren die größten Gewinner der Globalisierung: In China wurde deswegen mehr produziert wurde, weil in den USA mehr konsumiert wurde.

e-fundresearch.com: Welche Auswirkungen hat dies nun im Abschwung?

Gerhardt: Wenn sich die Lage umkehrt, kann man nicht behaupten, dass es China nicht betrifft, dass die US Konsumenten weniger kaufen. In einer sich stärker globalisierten Welt gibt es kein de-coupling. Die Nachfrageschwäche, die wir momentan in der entwickelten Welt sehen, hat Bremsspuren in den Emerging Markets hinterlassen – und auch in den BRIC Ländern (Anmerk. Red.: Brasilien, Russland, Indien und China):. Wenn die der Konsum und die Nachfrage nach Rohstoffen nachlassen, dann hat das Auswirklungen auf den Produktionsstandort und die Rohstoffproduktion in den Emerging Markets.

e-fundresearch.com: Können sich einzelne Länder diesbezüglich abgrenzen?

Gerhardt: Ja. Es gibt ein teilweises de-coupling, beispielsweise in China. Durch die Wohlstandsmehrung hat sich der lokale Konsum entwickelt und die Fähigkeiten der Länder, ihre Wirtschaften zu stimulieren, deutlich verbessert. Und das macht die Länder unabhängiger vom Export. Allerdings nur ein Stück weit, dies ist ein gradueller Prozess. Man soll nicht davon ausgehen, dass China gar nicht mehr vom Export abhängt. Aber der Anteil der Exporte am BIP hat sich in den letzten Jahren deutlich verringert und der lokale Konsum als treibender Faktor der Wirtschaft hat sich deutlich erhöht. Das Konsumwachstum ist mit 15 bis 16 Prozent sehr stabil in China. Die Ausfälle auf der Exportseite können jedoch nicht völlig ausgeglichen werden.

e-fundresearch.com: Wirtschaftlich stärkere Länder wird die Krise weniger treffen. Was können diese Länder unternehmen?

Gerhardt: Ein weiterer Punkt, warum es zu einem teilweisen de-coupling kommen kann, ist jener, dass die Emerging Markets in der Phase des Exportbooms in den letzten Jahren massiv Devisenreserven aufgebaut haben. In der aktuellen Krise können Länder mit hohen Reserven diese nutzen, um die Wirtschaft einigermaßen am Laufen zu halten. China ist auch hier wieder ein gutes Beispiel: Im Januar wurde der Handelsbilanzüberschuss trotz Exportrückgang aufgrund sinkender Importe gesteigert.

e-fundresearch.com: Welche Alternativen bieten sich nun für diese Länder?

Gerhardt: Schwellenländer, die über Devisenreserven verfügen, können diese jetzt für Infrastrukturinvestitionen einsetzen. In entwickelten Ländern haben Infrastrukturinvestitionen kaum noch einen Multiplikator-Effekt und bringen die Wirtschaft auch nicht mehr in Gang. Ganz anders in Emerging Markets – hier gibt es zumeist hohe Multiplikatoren für Investitionen im lokalen Markt. In China werden unter Einbezihung der Provinzen Projekte in der Höhe von rund 700 Mrd. US Dollar aufgelegt.

e-fundresearch.com: Wie beurteilen Sie die Situation auf den Energiemärkten in den Emerging Markets bzw. BRIC Ländern?

Gerhardt: Im Energiebereich wird deutlich, dass verstärkt Allianzen zwischen den Emerging Markets gebildet werden. So sind gerade im Energiesektor Kooperationen zwischen Russland und China denkbar: Russland verfügt über Energie- und Rohstoffreserven und China über die finanziellen Ressourcen, um diese zu heben.

e-fundresearch.com: Wie sieht ihre aktuelle Emerging Markets Allokation aus?

Gerhardt: Grundsätzlich sind unsere alten Favoriten auch wieder die neuen. Im DWS Emerging Markets Fonds sind wir derzeit in Brasilien mit 18,9 Prozent am höchsten gewichtet, gegenüber 14,5 Prozent Brasilien-Gewichtung im MSCI Emerging Markets Index (Benchmark). Leicht untergewichtet sind wir in China mit 15,5 Prozent (vs. 17,9 Prozent im Index). In Russland sind wir mit 15 Prozent gegenüber 5,4 Prozent im Index sehr stark übergewichtet. Hong Kong haben wir mit 9,7 einbezogen obwohl dies nicht im Index vertreten ist. Dafür ist Taiwan mit 3,6 Prozent vs. 10,5 Prozent im Index sehr stark untergewichtet. Durch die hohe Gewichtung in Russland (Gazprom 7,1 Prozent, Lukoil 1,7 Prozent) und Brasilien (Petrobras 5,3 Prozent) liegt der Anteil des Energiesektors aktuell bei 24,2 Prozent (vs. 15,5 Prozent im Index). Der Finanzsektor ist mit 10,5 Prozent gegenüber dem MSCI Emerging Markets Index (21,5 Prozent) deutlich schwächer gewichtet. Der Anteil von Indien beträgt aktuell 2,8 Prozent (vs. 6,8 Prozent im Index). Dieser Markt ist nicht so sehr von zyklischen Schwankungen betroffen und würde damit auch von einem Aufschwung weniger profitieren als andere Länder. .

e-fundresearch.com: Wie schätzen Sie die Chancen von Emerging Markets ein?

Gerhardt: Emerging Markets sind eine gehebelte Option für den Aufschwung in den USA. Die Exportabhängigkeit von Taiwan, Korea und anderen Ländern führt dazu, dass sich ein Aufschwung hier etwa ein halbes Jahr vor dem Aufschwung der entwickelten Märkte zeigt. Brasilien und China sind bereits sehr gut gelaufen – vor allem aufgrund des Aufbaus von Lagerbeständen (nach einem Abbau Ende 2008) und der Optimierung des Arbeitskapitals in der gesamten Logistik- und Beschaffungskette. Eine Trendwende ist das jedoch noch nicht. In unseren Portfolios setzen wir auf frühzyklische Werte aus Korea, Taiwan und aus den BRIC Staaten.

e-fundresearch.com: Osteuropa befindet sich derzeit im Blickfeld der Marktbeobachter. Wie beurteilen Sie die Situation?

Gerhardt: Osteuropa hängt an Westeuropa. Es bestehen mittlerweile sehr große Abhängigkeiten. Wenn Konzerne in Westeuropa Personalkürzungen vornehmen müssen, leidet häufig Osteuropa: Mit Rücksicht auf den Heimatmarkt werden Stellen oft zuerst in der Peripherie abgebaut und nicht zuhause im Stammwerk.

e-fundresearch.com: Welche Rolle spielt Russland in diesem Marktumfeld?

Gerhardt: Für Russland hatten wir letztes Jahr nicht mit so einer schlechten Marktentwicklung gerechnet. Zwei Faktoren sind für uns nach wie vor von großer Bedeutung: Positiv ist, dass Russland immer noch sehr viel Öl und Rohstoffe hat. Und wir rechnen auch auf der politischen Ebene im Verhältnis zu den USA mit einem milderen Klima. Negativ wirkt sich jedoch aus, dass die aktuelle Krise auch zu einer Kapitalknappheit in Russland geführt hat. Der Markt hat im Herbst stark korrigiert und auf diesen Marktniveaus besteht die Chance, dass sich die Kurse langfristig verdoppeln können.

e-fundresearch.com: Wie beurteilen Sie die Türkei im Kontext der aktuellen Krise?

Gerhardt: Ein Investment in der Türkei ist immer mit hoher Oktanzahl verbunden, d. h. mit hohem Risiko. Die Türkei stellt eine gehebelte Strategie innerhalb der Emerging Markets dar. Es werden zwar immer wieder die positiven Seiten der Türkei betont – junge Bevölkerung und günstige demographische Entwicklung, etc. Es gibt jedoch auch deutliche Schwachstellen in der Wirtschaft.

e-fundresearch.com: Zum Abschluss noch eine Frage zu Afrika. Zählt der schwarze Kontinent wieder einmal zu den Verlierern?

Gerhardt: Afrika verfügt über umfangreiche Rohstoffvorkommen und hat in den letzten Jahren sukzessive Verbesserungen vorgenommen. Die Finanzkrise hat allerdings dazu geführt, dass die internationalen Kapitalströme nach Afrika abrissen. Ein möglicher Ausweg ist die Wiederbelebung der Rohstoffnachfrage.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch!

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