Osteuropa vor Herausforderungen

Die Kreditkrise bringt osteuropäische Länder in Bedrängnis. Obwohl die Fundamentaldaten der Länder unterschiedlich sind, bleiben die Alternativen gleich: Abschwung, Abwertung oder Ausfall. Welche Länder sind besonders gefährdet und wo wird die Reise hinführen? Funds | 17.11.2008 05:30 Uhr
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Abschwung auch in Osteuropa Die Banken- und Kreditkrise in den USA und Westeuropa hatte mit einer kurzen Verzögerung dann auch Osteuropa voll erfasst. Der Verfall der Rohstoffpreise - vor allem der Rückgang des Ölpreises um 35 Prozent im Oktober alleine und um 50 Prozent seit dem Höchststand im Juli - ist ein klares Zeichen für einen globalen Abschwung. Dieser setzt vor allem jene Länder unter Druck, die negative Leistungsbilanzen aufweisen und diese extern finanzieren müssen. Die meisten osteuropäischen Währungen haben gegenüber dem USD an Wert verloren und die Risikoaufschläge sind im Oktober stark angestiegen. Die Credit Default Swap Spreads messen die Risikoprämie für eine Absicherung gegen einen Ausfall von Staatsanleihen dieser Ländern. Obwohl sich diese Ende Oktober und Anfang November wieder etwas reduzieren konnten, bleibt die Gefahr auf den Finanzmärkten bestehen.

Marcus Svedberg, Chief Economist von East Capital, einer Fondsgesellschaft mit Sitz in Stockholm und einer Reihe von Büros in der osteuropäischen Region, die seit mehr als zehn Jahren zu den Investmentpionieren in Osteuropa zählen: "Es gibt bedeutende Unterschiede in den einzelnen Ländern und es gibt eine Reihe unterschiedlicher Alternativen." Die Analyse der Fundamentaldaten spielt dabei eine wichtige Rolle.

Abschwung, Abwertungen oder Ausfall

"Volkswirtschaften, die unter Druck stehen, haben grundsätzlich drei Optionen zur Auswahl: Abschwung, Abwertung oder Ausfall", erklärt Svedberg. Die vierte Alternative - nichts zu tun - sieht Svedberg als nicht opportun an, da diese die aktuellen Probleme nur verschleppen und damit auch verstärken würde. Eine nachfolgende Lösung der Probleme würde dadurch nur noch schwieriger und schmerzhafter für alle Beteiligten.

Schwäche aufgrund von Fundamentaldaten oder Marktsentiment?

Svedberg: "Es wird oft auch argumentiert, dass das Verteidigen einer schwachen Währung keinen Erfolg verspricht und eigentlich dem Nichtstun ähnlich ist - außer dass man eine Menge wertvoller Devisenreserven aufwendet bevor die Abwertung ohnehin notwendig wird."

Wichtig ist nach Ansicht von Svedberg vor allem die Unterscheidung, ob die Schwäche einer Volkswirtschaft fundamentale Gründe hat oder ob nur das Marktsenitment negativ ist. Generell sind Volkswirtschaften mit hohen externen Defiziten dem höchsten Risiko ausgesetzt. Dazu zählen die folgenden Länder: Bulgarien, Georgien, Serbien, Lettland, Litauen und Rumänien.

Zweistellige Leistungsbilanzdefizite nicht haltbar

Eine Faustregel besagt, dass ein Leistungsbilanzdefizit in zweistelliger Höhe nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Ausnahme stellen jene Volkswirtschaften dar, die extrem stark wachsen und im Rahmen von Privatisierungen hohe Direktinvestitionen aus dem Ausland erhalten. Die Privatisierungen in den meisten osteuropäischen Ländern sind zumeist bereits abgeschlossen, d. h. die Direktinvestitionen werden - nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Kreditkrise - im nächsten Jahr geringer ausfallen. Länder mit geringen Defiziten, wie Polen, oder mit deutlichen Überschüssen, wie Russland, sollten weniger anfällig sein. Aber auch diese Länder stehen derzeit aufgrund einer Kombination mehrerer Faktoren unter Druck. Die Leistungsbilanzdefizite der Türkei und Polen sind zwar gemessen als Anteil am GDP gering, jedoch absolut gemessen groß.

Svedberg: "Die Risikofaktoren für Russland sind zuletzt aufgrund des Ölpreisverfalls und politischer Faktoren gestiegen und haben zu 140 Mrd. US Dollar Kapitalabflüssen seit Anfang August geführt und auch die russische Währung belastet. Die Russische Zentralbank hat interveniert und 10 Prozent der Devisenreserven eingesetzt." Die lettische Zentralbank mußte die Währung stützen und hat ebenfalls ungefähr denselben Anteil ihrer Reserven eingesetzt.

Obwohl keine Währung langfristig gegen starken Druck verteidigt werden kann, sollte der russische Rubel unter Berücksichtigung der Reserven von einer Abwertung noch weiter entfernt sein. Die Währungsverluste der osteuropäischen Währungen gegenüber dem US Dollar in den letzten Wochen sollten nicht überbewertet werden. Im Rahmen der generellen Flucht in sichere Anlagen, verloren auch viele andere Währungen gegenüber dem US Dollar, nachdem sie im Jahr 2007 Kursgewinne erzielten. Ende Oktober und Anfang November wurden die Verluste wieder teilweise aufgeholt. Länder mit flexiblen Wechselkursen haben das Problem einer Abwertung nicht, da sich deren Währungen sukzessive anpassen. Echte Abwertungsrisiken gibt es für folgende Länder: Bulgarien, Lettland, Estland, Litauen und Bosnien.

Abwertungen und ihre Folgen

Sollten nun einige Länder abwerten, stellt sich die Frage nach den Folgen und Auswirkungen. Svedberg: "Erstens, und sehr naheliegend werden durch die Abwertung die Importe teurer und Exporte wettbewerbsfähiger. Dies sollte den Abbau des Leistungsbilanzdefizits erleichtern." Normalerweise wirken diese Effekte mit einer gewissen Zeitverzögerung, da die Importe sofort teuerer werden und die Exporte sich erst nach und nach im Wettbewerb durchsetzen (J-Kurven-Effekt). Die Abwertung kann ebenfalls Auwirkungen auf das Vertrauen der Investoren und auf das Prestige des jeweiligen Landes haben. Svedberg: "Letztendlich - und wahrscheinlich auch am wichtigsten - trifft die Abwertung auch Haushalte und Unternehmen mit Fremdwährungskrediten. Dies wirkt sich in der Folge auch auf jene Banken negativ aus, die diese Kredite gewährt haben. Die Verschlechterung der Vermögensbasis kann den Abschwung noch verstärken."

Fremdwährungskredite als Risiko

"Das Volumen der Fremdwährungskredite in Osteuropa ist in den letzten Jahren stark angestiegen und stellt heute ein echtes Problem dar. Das Gesamtrisiko wird jedoch oft überschätzt, da der Anteil der Fremdwährungshypotheken in Prozent des GDP in Osteuropa relativ gering ist", betont Svedberg in seiner aktuellen Analyse. In Estland gibt es den am weitesten entwickelten Hypothekenmarkt in Osteuropa mit einem Anteil von 36 Prozent an der Wirtschaftsleistung. In Bulgarien liegt dieser Wert bei 10 Prozent und in Rumänien bei 5 Prozent, verglichen mit 80 Prozent in den USA und den meisten EU Ländern. So gesehen betreffen Fremdwährungskredite nur eine relativ kleine Gruppe von zumeist jüngeren, urbanen Arbeitnehmern. Svedberg: "Ein größeres Problem ergibt sich bei Fremdwährungskrediten an Unternehmen." Diese seien oft nicht so verantwortungsbewußt bei der Rückzahlung der Kredite. Der Bankensektor in Osteuropa ist in der Hand westlicher Banken und diese sind nach Ansicht von Svedberg auch in der Lage, diese Risiken zu tragen. Zum Vergleich: Der gesamte baltische Bankensektor entspricht 10 Prozent des schwedischen Marktes.

Einsparungen - Abwertungen - Ausfall

Abwertungen haben langfristig durchaus positive Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften. Andererseits können Abwertungen auch als ´politischer Selbstmord´ interpretiert werden und sind somit oft nur der letzte Ausweg aus einer Krise gesehen.

In einer idealen Welt würden die politisch Verantwortlichen vorher eher einen Schrumpfungsprozess durchlaufen. Dies stellt sich jedoch in der Praxis oft sehr schwierig dar (Kürzung von Beamtengehältern, anderer Staatsausgaben, etc.). Die Alternative "Ausfall" und das Nichtbedienen von Staatsanleihen ist keine Strategie, die freiwillig gewählt wird. Wenn jedoch weder eingespart wird, noch abgewertet wird, ist der Ausfall (Default) nicht zu vermeiden. Dieses Risiko ist zuletzt für die Ukraine, Ungarn, Kasachstan und Russland im Oktober angestiegen - wie der dramatische Anstieg der Credit Default Spreads gezeigt hatte. Dieser Trend hat sich zwar zuletzt wieder umgekehrt, nachdem der IWF Ungarn und der Ukraine Rettungspakete angeboten hatte. Ein wichtiger Aspekt der Rettungspakete ist die Verknüpfung mit Bedingungen zur Reform der Wirtschaft - oft mit Sparpaketen und Restrukturierungen.

Fazit

Das Risiko für Abwertungen und sogar Ausfällen in Osteuropa ist in den letzten Wochen gestiegen. Das Risiko ist in jenen Ländern am größten, die die höchsten Leistungsbilanzdefizite aufweisen und noch keine IWF Pakete Unterstützungspakete erhalten haben. Der negative Effekt von Abwertungen wird überschätzt, da das Risiko der Fremdwährungskredite nicht immer richtig interpretiert wird. Zum Ausgleich der Defizite durch Abwertungen kann in bestimmten Fällen durchaus positiv sein. Im Zusammenhang mit Krisen ist auch die Einführung des Euros eine Alternative um das Problem des Abwertungsrisikos abzuwenden.

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