Vorgaben der MiFID bei Beratungsverträgen

In diesem Artikel geht der Gastautor Dr. Wolfgang Sindelar folgender Frage auf den Grund: Enthält die MiFID-Richtlinie Vorgaben über die Voraussetzungen, den Zeitpunkt und die Art des Abschlusses eines Beratungsvertrages? Funds | 25.06.2008 06:02 Uhr
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Immer dann, wenn ein Berater seinem Kunden eine fachkundige Beratung und Beurteilung einer Anlage im Hinblick auf dessen Anlageziele und Risikotoleranz anbietet oder schuldet, liegt eine Anlageberatung vor. Die MiFID geht über diese Definition hinaus: Im Sinne der MiFID handelt es sich um Anlageberatung, wenn die Vereinbarung der Vertragsparteien auch die persönliche Empfehlung eines Finanzinstruments (FI) beinhaltet – und  der Berater nicht nur allgemeine  Informationen über Finanzprodukte weitergibt.

Das heißt aber nicht, dass eine Anlageberatung nur dann vorliegt, wenn die Wertpapierfirma (WpF) aktiv zum Kauf eines bestimmten FI geraten hat. Art.4 Abs.1 Nr.4 MiFID definiert die Anlageberatung als „die Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der WpF, die sich auf ein oder mehrere Geschäfte mit FI bezieht.“ Das heißt: Die Empfehlung muss sich weder auf genau zu bestimmende FI beziehen, noch muss diese auf die tatsächliche Ausführung der Transaktion gerichtet sein. Art. 52 der Durchführungsrichtlinie zur MiFID (DVO) fasst den Begriff der Anlageberatung enger: Danach fällt auch die Halteempfehlung darunter, die empfohlenen Handlungen müssen sich jedoch auf bestimmte FI beziehen. Warum diese Einschränkung? Die strengen Pflichten des Beraters nach MiFID sollen wohl nur dann gelten, wenn diese konkret, auf einen speziellen Anlegertyp  gerichtet sind. Allerdings greifen die Verhaltenspflichten für den Berater gemäß Art 19 MiFID nur bei einer Dienstleistung im Sinne des Art. 4 Abs.1 Nr.4 MiFID.

Folgen für Österreich

Die deutsche Rechtsprechung (Bond-Urteil, BGHZ 123, 126, 128) vertritt die Auffassung, dass bereits dann, wenn der Kunde ein Gespräch mit dem Anlageberater aufnimmt, dieser zur Beratung verpflichtet ist. Wenn der Kunde an den Anlageberater herantritt, sieht die deutsche Rechtsprechung ein Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages – konkludent abgeschlossen durch die Aufnahme des Gesprächs mit dem Kunden. Bezieht man diese Rechtsprechung auf das österreichische Recht, würden die Aufklärungspflichten nach MiFID –  umgesetzt in den §§ 43 ff WAG 2007 – schon in diesem Stadium ausgelöst werden.

Dokumentationspflichten

Nach Art. 19 Abs. 7 MiFID müssen Wertpapierfirmen Aufzeichnungen erstellen, die die Vereinbarungen mit dem Kunden enthalten. Vor diesem Hintergrund scheinen die Grundsätze des Bond-Urteil von 1993 zum konkludenten Abschluss eines Beratervertrages nicht mehr anwendbar zu sein. Denn im Zeitpunkt der Gesprächsaufnahme liegen die nach MiFID geforderten Aufzeichnungen noch nicht vor. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Aufzeichnungspflichten kein zivilrechtliches Formerfordernis sind. 

Sind konkludente Vertragsabschlüsse zulässig?

Die Frage ob ein konkludenter Vertragsabschluss post MiFID überhaupt noch möglich ist, klärt die Durchführungsrichtlinie zur MiFID (DRL 2006/73/EG). Art. 39 DRL stellt klar: Nur für solche Wertpapierdienstleistungen ist eine schriftliche Rahmenvereinbarung unter Niederlegung der wesentlichen Rechte und Pflichten der WpF und des Kunden erforderlich, die keine Anlageberatung darstellen.

Fazit

Die Vertragsparteien können die Form des Abschlusses eines Beratungsvertrages selbst bestimmen. Aufgabe und Ziel der MiFID ist es nicht festzulegen, ob, wie, wann und unter welchen Bedingungen ein Beratungsvertrag abgeschlossen wird. Allerdings muss der von der MiFID aufgestellte Anlegerschutz gewahrt werden. Ob Anlegerinteressen beeinträchtigt werden, hängt wohl weniger von der Frage des frühestmöglichen Zeitpunktes des Vertragsabschlusses ab als vielmehr von der Festlegung und Erfüllung der Pflichten, die sich aus dem Beratervertrag ergeben.


Im letzten Beitrag dieser Reihe wird Dr. Dieter Buchberger, ebenfalls Anwalt bei der Baker & McKenzie - Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH, die Änderungen zum Investmentfondsgesetz näher erläutern - dieser Artikel erscheint demnächst bei e-fundresearch.com.



Zum Autor:
Dr. Wolfgang Sindelar ist seit 2006 Rechtsanwaltsanwärter bei der Baker & McKenzie - Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH. Seine Praxisschwerpunkte liegen im Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht. Wolfgang Sindelar hat seine juristische Ausbildung an der Universität Wien (Mag. iur. 2000; Dr. iur. 2001) abgeschlossen. Er ist Mitautor des Buches „Von der MiFID zum WAG 2007“ (Manz Verlag, 2008). Wolfgang Sindelar hält laufend Vorträge im Rahmen des Bankenkollegs und der Akademie für Recht & Steuern.


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